Verkehrsunfallflucht. Carsten Krumm
von Entlastungszeugen der Beschwerdeschrift beizufügen. Hierbei ist jedoch Vorsicht geboten, damit bei Gericht nicht der Eindruck entsteht, der Entlastungszeuge habe nur eine vorformulierte Erklärung unterschrieben. Um das zu vermeiden, sollte eine Zeugenaussage von der Verteidigung schriftlich angefordert werden. Ein hierzu geeignetes Musterschreiben, das gegebenenfalls um individuelle Fragen ergänzt werden sollte, ist in Muster 11 (Rn. 672) abgedruckt.
Hinweis
Die Beschwerde gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist nach Auffassung der Autoren nur in Ausnahmefällen sinnvoll. Denn die ohne wirklich gute Argumente begründete Beschwerde ist in der Regel erfolglos und für den Mandanten eher schädlich. Das Beschwerdegericht ist am Landgericht des für die Hauptsache zuständigen Amtsgerichts angesiedelt und oftmals hat man als Verteidiger den Eindruck, dass eher die Amtsgerichte gestützt als kontrolliert werden sollen. Teilweise bestärkt das Landgericht das Amtsgericht in seiner Auffassung oder leistet sogar Argumentations- oder Aufklärungshilfe mit der Folge, dass in einem späteren Termin zur Hauptverhandlung das Amtsgericht nicht mehr offen an die Sachaufklärung herangeht, sondern nur noch das bereits vom Landgericht Vorgeschlagene zu bestätigen sucht oder sich daran gebunden fühlt. Dann ist – orientiert an der örtlichen Praxis – die richtige Strategie, den Kontakt mit der Staatsanwaltschaft und dem zuständigen Amtsgericht zu suchen, damit schnell die Ermittlungen abgeschlossen werden und ein zeitnaher Hauptverhandlungstermin bestimmt werden kann.
Anmerkungen
OLG Thüringen BA 2007, 182; OLG Braunschweig NZV 1996, 122; vgl. Anmerkung Staub zu LG Berlin DAR 2011, 156.
Vgl. Staub DAR 2016,421ff. zu LG Wuppertal zum bedeutenden Schaden; Staub DAR 2015, 412ff. zu LG Wuppertal zum Wissen können der Höhe des bedeutenden Schadens.
Zur Erörterung von Vorstrafen von Zeugen im Gerichtstermin vgl. Deutscher NStZ 2012, 359 ff.
Teil 1 Verteidigungsstrategien zur Vermeidung von Anklage und Verurteilung › IV. Akteneinsicht und zweites Gespräch der Verteidigung mit dem/der Mandanten/in
IV. Akteneinsicht und zweites Gespräch der Verteidigung mit dem/der Mandanten/in
75
Sobald die Strafakte in Papierform oder als Speichermedium (vgl. zur Einführung der elektronischen Akten in der Justiz die §§ 32-32f StPO) vorliegt, muss diese Akte kopiert bzw. eingescannt werden. Es gilt das Prinzip „eher zu viel, als zu wenig“.[1] Der Autor empfiehlt insoweit, immer eine Komplettkopie bzw. einen Komplettscan der Strafakte und ggf. sämtlicher Beiakten und Beweismittelordner[2] anfertigen zu lassen. Beim Fertigen der Kopien bzw. des Scans sollten auch die jeweiligen Seitenzahlen aus der Originalakte (oben rechts) auf den kopierten Seiten zu lesen sein oder übertragen werden, damit die Verteidigung bei der Verteidigungsschrift hierauf Bezug nehmen kann (vgl. Rn. 81) oder später in der Hauptverhandlung korrekte Vorhalte z.B. einem Zeugen seine polizeiliche Aussage betreffend, machen kann. Besonderes Augenmerk ist handschriftlichen Notizen, Anmerkungen, Unterstreichung etc. der Staatsanwaltschaft bzw. des Gerichts zu schenken, die sich oft auch auf Rückseiten von Aktenblättern oder lose hinten in der Akte befinden. Diesen kann man oft Informationen entnehmen, die für die Verteidigungsstrategie von Bedeutung sein könnten. Manchmal befindet sich in der Strafakte die direkte Anfrage oder ein handschriftlicher Vermerk des/der sachbearbeitenden Staatsanwalts/in mit etwa folgendem Inhalts:
„Es ist – bei Zustimmung des Gerichts – eine Einstellung nach § 153a StPO beabsichtigt. Wird seitens der Verteidigung zugestimmt?“
Ein solcher Vermerk bietet regelmäßig die Möglichkeit – immer nur mit Zustimmung des/der Mandanten/in – das Strafverfahren schnell zu beenden. Ggf. kann schon mit Rücksendung der Original-Strafakte die Zustimmung schriftlich erklärt und ein Vorschlag zur Höhe der Geldauflage und zum Empfänger (Gemeinnützige Organisation oder Staatskasse) gemacht werden oder es empfiehlt sich, mit einem Anruf bei der Staatsanwaltschaft diese Details auszuhandeln. Das hängt von der Praxis der Staatsanwaltschaft und der Person des/der Rechtsanwalts/Rechtsanwältin ab.
76
Bei dem Strafverfahren nach § 142 StGB enthalten die Akten häufig von der Polizei gefertigten Fotos des oder der unfallbeteiligten Fahrzeuge. In Papier-Strafakten befinden sich oft nur Ausdrucke der Digitalfotos, deren Qualität (Ausdrucke auf normalem Papier oder Fotopapier, schwarzweiß oder in Farbe) von der Praxis der Polizeidienststellen und Staatsanwaltschaft abhängt, seltener bis nie ist der Datenträger mit den Original-Foto-Dateien selbst enthalten. Soll von Seiten der Verteidigung ein Sachverständiger für Verkehrsunfallrekonstruktionen eingeschaltet werden (vgl. hierzu näher unter Rn. 124 ff.), so braucht dieser in aller Regel die von der Polizei gefertigten Fotos als Dateien oder zumindest Ausdrucke in „bestmöglicher“ Qualität.
77
Den Datenträger mit den Original-Foto-Dateien, sofern vorhanden, darf die Verteidigung zwecks Kopiervorgang entnehmen, Fotos kann man kopieren, einscannen etc. Oftmals übernimmt dieses bereits der Sachverständige, der als „Hilfsperson der Verteidigung“[3] dazu berechtigt ist. Wichtig ist nur, dass keine Originale oder der Datenträger abhandenkommen. Die Verteidigung kann und muss bei der Staatsanwaltschaft auch die Übermittlung des Datenträgers mit den Original-Foto-Dateien – ggf. direkt an den von ihm beauftragten Sachverständigen – beantragen,[4] zumindest eine amtlich gefertigte Kopie der Dateien fordern.[5]
Nach Anfertigung von Kopien bzw. des Scans ist die Strafakte an die Staatsanwaltschaft bzw. das Gericht zurückzureichen (vgl. Rn. 87) mit der Bitte, auf eine Stellungnahme (vgl. Rn. 79) der Verteidigung zuzuwarten. Das ist die Aufforderung rechtliches Gehör gewährt zu bekommen und wahrnehmen zu wollen. Mit dem/der Mandanten/in ist der Inhalt der Strafakte zu besprechen; im Regelfall ist das bei der Verteidigung von Verkehrsstraftaten die Rücksprache in den Kanzleiräumen (vgl. zur Überlassung der Strafakte in Kopie an den Mandanten Rn. 78).
78
Bei dem nun folgenden zweiten Gespräch mit dem/der Mandanten/in wird diesem/r zunächst der wesentliche Inhalt der bisherigen Ermittlungen, so wie es sich aus der Strafakte darstellt, bekannt gemacht. Dabei kann der Verteidiger seinem/r Mandanten/in den gefertigten Aktenauszug zum Durchlesen und Durcharbeiten – vorab – überlassen, das ist natürlich zulässig.[6] Nach der Erfahrung des Autors ist der Regelfall jedoch, die wesentlichen Aktenteile vorzutragen, Wichtiges vorzulesen, Fotos gemeinsam anzuschauen etc.
79
Dabei muss die weitere Verteidigungsstrategie festgelegt werden. Hierbei stellt sich zunächst die Kernfrage, ob eine „Einlassung“ des/der Mandanten/in zur Sache erfolgen soll oder ob