Handbuch Medizinrecht. Thomas Vollmöller
Regelung der psychotherapeutischen Berufspflichten und der Grundsätze für die psychotherapeutische Tätigkeit, sei es im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses oder in selbstständiger Tätigkeit, die Vertretung der Belange der Berufsangehörigen und der Psychotherapie gegenüber der Öffentlichkeit, der Politik, den Institutionen des Gesundheitswesens, den Bundesbehörden, den Vertretungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer auf Bundesebene sowie gegenüber den europäischen Institutionen, die Förderung der Psychotherapieforschung und der wissenschaftlichen Grundlagendisziplinen der Psychotherapie und deren Weiterentwicklung, ebenso der psychotherapeutischen Aus-, Fort- und Weiterbildung.
99
Dabei setzt sich die BPtK für eine Qualitätssicherung der psychotherapeutischen Berufsausübung ein, die den psychotherapeutischen Arbeitsbedingungen angemessen ist und den psychotherapeutischen Prozess befördert. In allen Angelegenheiten, die über den Zuständigkeitsbereich eines Landes hinausgehen, wahrt sie die beruflichen Belange der in einem Beschäftigungsverhältnis bzw. selbstständig tätigen Psychotherapeuten und wirkt auf eine ausreichende psychotherapeutische Versorgung der Bevölkerung im kurativen, präventiven und rehabilitativen Bereich hin. Zur öffentlichen Erörterung gesundheitlicher Angelegenheiten veranstaltet sie Tagungen, stellt Beziehungen zu internationalen Organisationen und Institutionen her und vertritt die beruflichen, berufspolitischen und wissenschaftlichen Belange der Psychotherapeuten. Eine weitere Aufgabe liegt darin, sich für innovative Versorgungsformen und für eine gesundheitswissenschaftlich ausgerichtete stationäre und ambulante Gesundheitsversorgung der Bevölkerung (public health) einzusetzen, § 2 Abs. 2 Satzung BPtK.
100
Organe der BPtK sind Bundesdelegiertenversammlung (Deutscher Psychotherapeutentag), Bundesvorstand und Länderrat, § 3 Satzung. Der Bundesvorstand wird auf die Dauer von vier Jahren gewählt (§ 12 Abs. 1) und setzt sich zusammen aus dem Präsidenten, zwei Vizepräsidenten und zwei Beisitzern; dabei muss ein Vorstandsmitglied ein Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut sein § 10 Abs. 2 Satzung. Dem Vorstand sollen mindestens ein in einem Beschäftigungsverhältnis tätiges Kammermitglied und mindestens ein selbstständig tätiges Kammermitglied angehören, § 10 Abs. 2 Satzung. Nach § 11 Abs. 1 der Satzung führt der Bundesvorstand die Geschäfte der Bundespsychotherapeutenkammer.
101
Der Länderrat besteht aus den Präsidenten bzw. Vizepräsidenten der Länderkammern, die sich durch ihre Vorstandsmitglieder vertreten lassen können, wobei jedes Mitglied eine Stimme hat, § 15 Abs. 1 Satzung. Die Bundesversammlung wählt zwei weitere Mitglieder (und Vertreter) als beratende Mitglieder in den Länderrat hinzu, § 15 Abs. 2 S. 1 BPtK Satzung. Aufgabe des Länderrates, dessen Vorsitz jährlich unter den Mitgliedern wechselt, ist es gem. § 16 der Satzung, den Vorstand in allen Angelegenheiten, welche die Belange der Psychotherapeutenkammern der Länder betreffen, zu beraten, die Koordination zwischen der Bundespsychotherapeutenkammer und den Psychotherapeutenkammern der Länder zu fördern und gemeinsame Initiativen der Psychotherapeutenkammern der Länder zu koordinieren. Neben dem Finanzausschuss kann die Bundesversammlung weitere Ausschüsse und Kommissionen bilden, § 6e Satzung. Die Finanzierung der Bundespsychotherapeutenkammer erfolgt durch auf die Mitgliedszahlen bezogene Beiträge der Verbandsmitglieder, § 23 Satzung.
102
Die BPtK trägt gemeinsam mit der BÄK den Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie. Er erstellt Gutachten zu der Frage, welche Psychotherapieverfahren als wissenschaftlich anerkannt gelten. Seine Gutachten sind nach der Rechtsprechung als antizipierte Sachverständigengutachten zu werten.[121]
6. Kapitel Berufsrecht der Gesundheitsberufe unter Einschluss der Darstellung des Rechts der Selbstverwaltung › C. Selbstverwaltung › VII. Selbstverwaltung in der Sozialversicherung
1. Geschichte
103
Die „verbandsgesteuerte“ sozialversicherungsrechtliche Selbstverwaltung nimmt zwischen den Modellen demokratisch überformter und grundrechtssichernder Betroffenenverwaltung eine „mittlere Position“ ein.[122] Bereits in Zusammenhang mit der Preußischen Allgemeinen Gewerbeordnung vom 17.1.1845 war den Gewerbetreibenden und Fabrikinhabern, also den Arbeitgebern, „eine den Verhältnissen entsprechende Teilhabe an der Kassenverwaltung“ zugesichert worden.[123] Allgemein wird jedoch das „Gesetz über die Vereinigung der Berg-, Hütten-, Salinen- und Aufbereitungsarbeiter in Knappschaften“ (Preußisches Knappschaftsgesetz) vom 10.4.1854 mit seiner paritätischen Besetzung der Vorstände als Geburtsstunde des Selbstverwaltungsgedankens in der gesetzlichen Sozialversicherung bezeichnet. Einen weiteren Schritt hierzu vollzog die Kaiserliche Botschaft Wilhelms I. vom 17.11.1881, die ein Leitbild der staatlichen Fürsorge „in der Form korporativer Genossenschaften unter staatlichem Schutz und staatlicher Förderung“ entwickelte.
104
Schon im Gesetz betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung vom 18.7.1881 (§ 100a), war die Beteiligung der Gesellen an der Gründung und Verwaltung von Innungseinrichtungen, die ihrer Unterstützung dienten, vorgesehen. Über das Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter vom 15.6.1883,[124] die Unfallversicherung, Invaliden- und Altersversicherung, Reichsversicherungsordnung (RVO) vom 19.7.1911, das Versicherungsgesetz für Angestellte vom 20.12.1911 und das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 16.7.1927 entstand so ein komplexes Sozialversicherungssystem auf der Basis des Selbstverwaltungsgedankens,[125] das seine verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 161 Weimarer Reichsverfassung („unter maßgeblicher Mitwirkung der Versicherten“) fand. Ausgangspunkt ist dabei die Körperschaftsstruktur der Sozialversicherungsträger des Bundes, heute verankert in Art. 87 Abs. 2 GG. Auch wenn der Begriff „Selbstverwaltungseinrichtungen“ in Art. 116 des „Herrenchiemsee-Entwurfs“ nicht übernommen wurde, so wird man dort hinein doch eine „Mindestgarantie verbandlicher Institutionen“ interpretieren dürfen.[126]
105
Neben die kommunalen Gebietskörperschaften traten damit die Selbstverwaltungskörper der Sozialversicherung.[127] Zunächst arbeitete der Kassenarzt abhängig vom Kassenvorstand, dessen Direktiven er weitgehend unterworfen war. Der Arzt als Angestellter der Krankenkassen mutierte zum „sozialen Kontrolleur“ (Hörnemann), die eigentliche „Selbstverwaltung“ lag in den Händen von Nicht-Medizinern, in der Regel von Arbeitnehmern, die in den Körperschafts-Gremien die Mehrheit hatten und somit frei waren in der Gestaltung der Krankenversicherung. Die Tätigkeit der Ärzte war „bis zu einem gewissen Grade vergesellschaftet“.[128]
106
Erst 1913 entstand mit dem „Berliner Abkommen“ zwischen dem Hartmannbund, der aus dem 1900 gegründeten Leipziger Verband hervorgegangen war, und den zentralen Verbänden der Krankenkassen eine neue Machtbalance. Das Zulassungsverfahren unter Einbeziehung der Kassenärzte ersetzte die Anstellungsautonomie der Kassen. Die (privatrechtlichen) Regelungen des Leipziger Vertrages wurden nach deren Kündigung zum 31.12.1923 mit der Notverordnung vom 30.10.1923[129] in öffentliches Recht überführt und 1924 in die RVO eingegliedert. Wesentliche, auch heute noch praktizierte Steuerungselemente der gesetzlichen Krankenversicherung entstanden in dieser Zeit: Einzel- und Kollektivverträge, Pauschalvergütungssystem und Einzelleistungsvergütung, Beschränkung auf die medizinische Notwendigkeit, Ersatz des Mehraufwandes bei Verstoß gegen die Wirtschaftlichkeitsgrundsätze, sowie Widerspruchs(„Anfechtungs“)ausschüsse.[130] Am 8.12.1931 wurde per Notverordnung die Kassenärztliche Vereinigung (KV) als örtlicher Zusammenschluss aller Kassenärzte und Vertragspartner der Krankenkassen geschaffen. Die KV Deutschlands wurde zur Rechtsnachfolgerin des aufgelösten Hartmannbundes bestimmt.
2. Kassenärztliche und Kassenzahnärztliche