Handbuch Medizinrecht. Thomas Vollmöller
und Altersgründe von der Pflichtmitgliedschaft befreien, wenn der Beruf nicht mehr ausgeübt wird, oder an den Wohnsitz, falls der Beruf in einem anderen Bundesland ausgeübt wird oder das Mitglied den Beruf nicht ausübt.
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Zum Teil erlauben die Heilberufe-Kammergesetze auch freiwillige Mitgliedschaften, z.B. für Kammermitglieder, die ihre Tätigkeit ins Ausland verlagern oder dort ihren Wohnsitz nehmen, ohne den Beruf auszuüben, sowie bei in Ausbildung befindlichen künftigen Berufsträgern.
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Daneben gibt es in einigen Kammern Befreiungsmöglichkeiten für Pflichtmitglieder, was insbesondere bei Mehrfachmitgliedschaften relevant ist. Eine Sonderregelung enthält das bayerische Heilberufekammer-Gesetz, welches die Mitgliedschaft bei Ärzten, Zahnärzten und Tierärzten nicht bei der Kammer, sondern auf Kreis- bzw. Bezirksebene begründet; dort sind die Untergliederungen der Selbstverwaltungskörperschaften ebenso wie die Kammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts verfasst. Es erscheint fraglich, ob die Rechtsprechung zur Pflichtmitgliedschaft eine solche Doppelmitgliedschaft innerhalb eines Kammerbezirkes trägt.
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Keine Mitgliedschaft erlauben einzelne Heilberufe-Gesetze für Dienstkräfte der Aufsichtsbehörde bei der Ausübung von Aufsichtsfunktionen sowie für Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates der EG bei nur vorübergehender Erbringung von Dienstleistungen. In Hamburg z.B. ruht die Mitgliedschaft von Berufsangehörigen, die bei der Aufsichtsbehörde mit der Aufsicht über die jeweilige Kammer betraut sind.[74]
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Trotz ausdrücklicher Befreiung von der Mitgliedschaft (damit auch der „pro-forma“-Mitgliedschaft nach der EU-Berufsanerkennungs-Richtlinie) für Berufsträger aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterliegen diese doch der Berufsaufsicht und der Berufsordnung der jeweiligen Kammer.[75]
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Soweit Freie Berufe in das Handelsregister eingetragen sind, besteht Pflichtmitgliedschaft auch in der Industrie- und Handelskammer, § 2 Abs. 1, 2 IHKG.[76] Dies betrifft z.B. Apotheker, § 3 Abs. 4 S. 2 IHKG.
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Die Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG) hat sich 2010 in Bremen dagegen ausgesprochen, in den Heilberufsgesetzen der Länder zu regeln, dass Ärztinnen oder Ärzte bei ärztlicher Tätigkeit im Zuständigkeitsbereich mehrerer Landesärztekammern Kammerangehörige nur einer Ärztekammer (Monomitgliedschaft) sind. Sie befürwortet vielmehr die Beibehaltung der Mehrfachmitgliedschaft.
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Die Kammermitgliedschaft gewährt demokratische Partizipationsmöglichkeiten,[77] berufsständische Angelegenheiten selbst zu regeln. Darüber hinaus erbringen Heilberufekammern Dienstleistungen für ihre Mitglieder, so z.B. auf den Gebieten Fortbildung und Berufsberatung.
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Den Finanzbehörden müssen die Kammern auf Anfrage Auskünfte über die für die Besteuerung erheblichen Sachverhalte eines Kammermitgliedes erteilen.[78] Die Auskunftspflicht im Besteuerungsverfahren wird durch die Pflicht des Kammervorstandes zur Verschwiegenheit im Allgemeinen nicht erfasst.
b) Organe
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Kammerorgane sind in der Regel die Delegiertenversammlung (Vollversammlung), nach demokratischen Grundsätzen gewählt von den Mitgliedern,[79] sowie der Vorstand, der von der Vollversammlung (in der Regel aus der Mitte der Vollversammlung) bestellt wird. Er besteht zumeist aus einem vorsitzenden Vorstandsmitglied (Präsident), höchstens zwei stellvertretenden vorsitzenden Mitgliedern (Vizepräsidenten) und mehreren Beisitzern je nach Größe der Kammer. In Bayern gehören dem Vorstand als geborene Mitglieder auch die ersten Vorsitzenden der Bezirksverbände an, Art. 13 Abs. 1 S. 1 HKaG, sowie – in der Landeszahnärztekammer und Landestierärztekammer – ein Hochschullehrer des jeweiligen Fachgebietes, Art. 44 Abs. 2, 49 Abs. 2 HKaG. Die Vollversammlung kann – im Rahmen der Satzung – weitere Ausschüsse bestellen. Für ihre Aufgabenwahrnehmung erhalten die Vorstandsmitglieder eine Aufwandsentschädigung und/oder Reisekosten-Ersatz. Für die Teilnahme an Sitzungen erhalten auch andere Funktionsträger nach Maßgabe von Reisekosten-Ordnungen eine Entschädigung. Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass Ehrenämter in der gesetzlichen Sozialversicherung grundsätzlich auch dann keine Sozialversicherungsbeiträge leisten müssen, wenn für deren Wahrnehmung eine angemessene pauschale Aufwandsentschädigung gewährt wird und neben Repräsentationspflichten auch Verwaltungsaufgaben wahrgenommen werden, die unmittelbar mit dem Ehrenamt verbunden sind.[80]
c) Finanzierung
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Die Kammern erheben zur Erfüllung ihrer Aufgaben[81] Mitgliedsbeiträge, die einkommensbezogen oder nach Art der Berufsausübung (selbstständig, angestellt, ohne Berufsausübung) in einer Beitragssatzung festgesetzt werden und mit denen sie ihre Aufgabenerfüllung finanzieren. Nach Tettinger handelt es sich dabei um eine eigenständige Abgabenart, die dem Typus „Verbandslast“ zuzuordnen ist.[82] Franz spricht von einem „korporativen Beitrag“, der begrifflich eher dem Mitgliedsbeitrag denn dem öffentlich-rechtlichen Beitrag entspricht.[83] Bei der Beitragsbemessung sind sowohl der allgemeine Gleichheitssatz wie auch das Äquivalenzprinzip zu beachten.[84] Für die Durchsetzung fälliger Beiträge finden die allgemeinen Vorschriften über das Verwaltungszwangsverfahren bei Abgaben Anwendung.[85] Daneben erheben die Kammern für bestimmte Dienstleistungen Gebühren, z.B. für Prüfungen oder Bescheinigungen.
d) Berufsgerichtsbarkeit
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Kammern bieten der Allgemeinheit wie auch dem einzelnen Patienten die Gewähr für die Einhaltung der in den Heilberufekammer-Gesetzen und Berufsordnungen verfassten Berufspflichten. Wo diese verletzt werden, sanktioniert die Berufsvertretung den Verstoß mit einer Rüge (mit oder ohne Geldbuße) oder dem Antrag auf Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens.[86] In jedem Fall ist das betroffene Kammermitglied zuvor anzuhören. Während das Rügeverfahren (eingeschlossen das Widerspruchsverfahren) Sache der Selbstverwaltung ist, entscheiden in berufsgerichtlichen Verfahren staatliche Gerichte für besondere Sachgebiete, die mit einem Volljuristen und mit zwei Kammermitgliedern besetzt sind.[87] Die Berufsgerichte können einen Verweis aussprechen, Geldbußen verhängen oder den Verlust von Mitgliedschaftsrechten in Organen oder von Wahlrechten anordnen.
e) Ahndung von Wettbewerbsverstößen
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Kammern der Freien Berufe sind befugt, Wettbewerbsverstöße von Kammerangehörigen oder deren Wettbewerbern im Zivilrechtsweg zu verfolgen. Dabei ist abzuwägen, ob das Vorgehen im Zivilrechtsweg angemessen erscheint und nicht unverhältnismäßig in die Berufsausübungsfreiheit des betroffenen Kammerangehörigen eingreift.[88]
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Unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung[89] hat der Bundesgerichtshof die Klagebefugnis einer Kammer aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG abgeleitet, der ausdrücklich Verbände zur Förderung selbstständiger beruflicher Interessen benennt. Auch die begrenzte Kompetenz des Bundesgesetzgebers für das Recht der Heilberufe ändert daran nichts, soweit hierzu Regelungen im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb getroffen wurden. Zugleich wird klargestellt, dass die berufsrechtliche Überwachungsfunktion der Kammern damit nicht eingeschränkt, sondern nur ein weiterer „zivilrechtlicher“ Weg zur Durchsetzung der Berufspflichten eröffnet wird. Auch das Bundesverfassungsgericht bejaht die Klage von Berufskammern nach § 13 Abs. 2 UWG.[90]
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Der