Handbuch Medizinrecht. Thomas Vollmöller
und Europarecht, 109–112.
BVerfGE 17, 232.
Taupitz 333.
Quaas/Zuck/Clemens § 16 Rn. 15 ff., Prehn MdR 2015, 569.
BGH GSSt 2/11 – Beschl. v.29.3.2012, Rn. 33.
Das Bundesverfassungsgericht spricht ihnen dennoch eine Mitverantwortung für die Funktionsfähigkeit der kassenärztlichen Versorgung zu („Sachwalter der Kassenfinanzen“), BVerfGE 103, 172, 191 = NJW 2001, 1779; kritisch dazu Schmidt-Aßmann NJW 2004, 1689, 1692; ebenso Hufen NJW 2004, 14 ff. Eine Betreuungspflicht des Kassenarztes gegenüber dem Vermögen der Krankenkasse unter strafrechtlichen Gesichtspunkten hatte bereits der BGH Beschl. v. 25.11.2003 – 4 StR 239/03 erkannt; kritisch hierzu Sobotta GesR 9/2010, 471 ff., zur Problematik Bestechlichkeit BGH GSSt 2/11 – Beschl. v. 29.3.2012.
Ziegler MedR 645, 654.
Günter Hirsch Präsident des Bundesgerichtshofes, Zahnarzt – (noch) ein freier Beruf?, Festvortrag anlässlich des 42. Bayerischen Zahnärztetages 2001; Quaas MedR 2001, 37.
BVerfGE 70, 1, 30; 82, 209, 230.
BSG Urt. v. 9.12.2004 – B 6 KA 84/03 R; BSG Urt. v. 9.12.2004 – B 6 KA 40/03 R; BVerfGE 103, 172, 185 = SozR 3–5520 § 25 Nr. 4 S. 27.
Hörnemann Kassenarzt als Freier Beruf, 180.
6. Kapitel Berufsrecht der Gesundheitsberufe unter Einschluss der Darstellung des Rechts der Selbstverwaltung › C. Selbstverwaltung
C. Selbstverwaltung
6. Kapitel Berufsrecht der Gesundheitsberufe unter Einschluss der Darstellung des Rechts der Selbstverwaltung › C. Selbstverwaltung › I. Begriff der Selbstverwaltung
I. Begriff der Selbstverwaltung
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Begriff und Geschichte der Selbstverwaltung sind in Deutschland eng verknüpft mit dem Namen des Karl Reichsfreiherrn vom und zum Stein (1757–1831) und der konstitutionellen Bewegung im Vormärz des 19. Jahrhunderts. Als liberale Idee einer Modernisierung des Ständestaates hat der Selbstverwaltungsgedanke in der Verfassungsgesetzgebung der deutschen Staaten zwischen 1815 und 1845 Platz gegriffen.[1] Dabei wurde der Begriff erst in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts im Hinblick auf die Mitwirkung der Bürger in der öffentlichen Verwaltung gebräuchlich.[2] Nach der 48er Revolution findet er Eingang in die Kommunalverfassung. Art. 184 Reichsverfassung billigte den Gemeinden die selbstständige Verwaltung ihrer örtlichen Angelegenheiten zu. Mit Einrichtung von Handelskammern (zunächst 1843 in Bayern) war der Grundstein für die Selbstverwaltung der Wirtschaft gelegt worden.
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In diesem Zusammenhang entstand die Forderung, weiteren „Interessengruppen“ den Zugang zum Parlament zu öffnen. Lehrerkollegien, Advokaten, Ärzte und Gelehrte sollten sich zu Körperschaften zusammenschließen und dort als Berufsgruppe vertreten sein.[3] Grundzug solcher Überlegungen war zum einen die Ablehnung des Parteiwesens, zum anderen die Auffassung, dass eine berufsständische Ordnung wesentliche Beiträge zum Gemeinwohl leisten könne. So beschreibt Otto von Bismarck in seinen Memoiren das Ideal einer monarchischen Gewalt, „welche durch eine unabhängige, nach meiner Meinung ständische oder berufsgenossenschaftlichen Landesvertretung“ kontrolliert wird.[4] Letztlich ging es bei der Debatte über eine stärkere Einbeziehung der Berufsstände „um mehr Freiheit und Selbstbestimmung der Bürgerlichen Gesellschaft“.[5] So wurde der Begriff zur „Kampfparole“.[6] Während vom Stein die Sicherung der territorialen Selbstverwaltung gelang, blieb die heute als „funktional“ bezeichnete Form der Selbstverwaltung – bis auf rudimentäre Ansätze – von verfassungsrechtlichen Garantien ausgespart.[7]
6. Kapitel Berufsrecht der Gesundheitsberufe unter Einschluss der Darstellung des Rechts der Selbstverwaltung › C. Selbstverwaltung › II. Idee der Selbstverwaltung
II. Idee der Selbstverwaltung
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Ideengeschichtlich wird der Selbstverwaltungsgedanke der Korporationslehre zugeordnet.[8] Friedrich Hegel (1770–1831) spricht von „Korporationen . . . der Gemeinden und sonstiger Gewerbe und Stände“[9] als Quelle der Loyalität, Identifikationsbereitschaft und Solidarität gegenüber dem staatlichen Gemeinwesen. Der Gedanke beratender Berufsvertretungen findet sich auch in der katholischen Sozialphilosophie (Franz von Baader, Peter Reichensperger, Simonde de Sismondi).[10]
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Andere sehen im germanisch-mittelalterlichen Gedanken der Herrschaft des Rechts die Grundlage ständischer Verfassungen[11] und in der aufklärerischen Theorie des Gesellschaftsvertrags (Jean Jacques Rousseau – „du contrat social ou principes du droit politique“, 1762) eine Fortsetzung der Linie des ständischen Rechtsstaates.[12] Lorenz von Stein (1815–1890) entwickelte diesen durch bisweilen „artifizielle Begriffs- und Systembildung“[13] geprägten Gedanken weiter und forderte die Teilhabe des Volkes auch an der (monarchischen) Verwaltung als vollziehende Gewalt.[14] Dabei bezog sich vom Stein nicht allein auf die staatliche Verwaltung; sein Begriff der „freien Verwaltung“ bezieht Selbstverwaltung und Vereinswesen mit ein, soweit darin allgemeine Belange und nicht Einzelinteressen verfolgt werden.[15] Diese Selbstverwaltung repräsentiert die Interessen der von ihr Vertretenen personell durch „Räthe“, aber auch durch Sachverständigen-Gutachten und Anhörung von Experten und Betroffenen.
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Rudolf von Gneist (1816–1895) dachte aufgrund unterschiedlicher Verteilung des Besitzes nicht an Selbstregulierung zur Überwindung von Interessengegensätzen in der Gesellschaft, wohl aber – stark geprägt vom Gedanken des selfgovernments – an eine den politischen Rechten folgende öffentliche Pflicht zum „Mitthun in der Ausführung der Gesetze“.[16] Die Übernahme dieser Dienstpflicht gegenüber dem Staat[17] sollte auch der Charakterbildung dienen.[18] Die Auffassung von Gneists fand Kritik,