Handbuch Medizinrecht. Thomas Vollmöller
für vertraglich geschuldete Sachleistungen grundsätzlich zulässig. Etwas anderes könne man aber dann annehmen, wenn der Arzt durch die Struktur der umsatzabhängigen Entgelte verleitet oder gar gedrängt würde, überhöhte Honorarforderungen zu stellen. Entscheidend war im vorliegenden Fall, dass die Praxis – in das Hotel-Sanatorium integriert – wie der Gewerbebetrieb selbst in der Absicht möglichst hoher Gewinnerzielung geführt werden sollte. Dadurch werde die Gefahr heraufbeschworen, dass der Arzt fachliche und ethische Erfordernisse, die ihm die Berufsordnung auferlegt, geschäftlichen Interessen, nämlich der Gewinnerzielungsabsicht des Hotels, unterordne. Diese Entscheidung belegt in eindrucksvoller Weise, dass die ärztliche Berufsordnung eben nicht nur hehre Grundsätze, sondern echte Verbotsnormen enthält, die im gesamten wirtschaftlichen Betätigungsfeld des Arztes, soweit es mit seiner Berufstätigkeit zusammenhängt, Geltung beanspruchen können. Wesensmerkmal der Niederlassung ist die eigenverantwortliche Ausübung der ärztlichen Tätigkeit. Wesentlich ist hierfür, den ärztlichen Auftrag nach eigenem freiem Ermessen gestalten zu können. Die Inanspruchnahme fremder Geräte und fremden Personals steht dem ebenso wenig entgegen wie die Rücksichtnahme auf Darlehensgeber im Rahmen von Praxisinvestitionen. Eine stille Beteiligung an der Praxis eines Arztes wird aber überwiegend für unzulässig gehalten.[130] Dies gilt auch für andere Formen der direkten oder indirekten Beteiligung an einer Arztpraxis.[131] Ähnliche Beschränkungen gibt es für unzulässige Beteiligungen an einem MVZ.[132]
aa) Vorteilsgewährung und Zuweisung gegen Entgelt, wirtschaftliche Einflussnahme
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Die Unabhängigkeit[133] ärztlicher Entscheidungen von merkantilen Gesichtspunkten ist ein zentraler Bestandteil jeder ärztlichen Berufsordnung. Zum Teil werden ganz unterschiedliche Normbereiche angesprochen (§ 3 Abs. 2 MBO Verkaufstätigkeit, § 17 MBO freiberufliche Tätigkeit, § 31 MBO Verbot der Vorteilsgewährung und -annahme für die Zuweisung von Patienten und/oder Untersuchungsmaterial). Gerade die letztgenannte Vorschrift kann rechtlich erhebliche Auswirkungen entfalten und schweren wirtschaftlichen Schaden verursachen. Nicht gerechtfertigte merkantile Gesichtspunkte können nämlich Verbotsgesetzcharakter gemäß § 134 BGB haben.[134] Das bedeutet, dass dagegen verstoßende Verträge nichtig sind.[135] Jenseits berufsrechtlicher Sanktionen, die selten genug sind, gibt es einschneidende zivilrechtliche Konsequenzen. Ergänzend sind die §§ 32, 33 MBO zu beachten, deren praktische Bedeutung aus rein berufsrechtlicher Sicht – jedenfalls bis heute – eher gering ist. Werden einem Gesellschafter Gewinne verursachungsgerecht nach der Zahl der von ihm veranlassten Untersuchungen zugeteilt, verstößt dies gegen diese Vorschrift. Insoweit sind alle entsprechenden Bestimmungen in Gesellschaftsverträgen berufsrechtswidrig mit der weiteren Konsequenz der zivilrechtlichen Nichtigkeit gem. § 134 BGB.[136] Klärungsbedürftig sind dagegen Konstruktionen, die eine Beteiligung der Gesellschafter am Gewinn nach der Höhe ihrer Einlage nach Abzug aller Kosten für die leistungserbringenden Gesellschafter inkl. angemessener Arzthonorare für diese vorsehen. Es besteht zwar ein Zusammenhang zwischen der veranlassten Untersuchung und dem wirtschaftlichen Erfolg. Dieser ist jedoch ein Erfolg der Gesellschaft und kommt allen weiteren Erfolgsberechtigten zugute. Man stößt z.B. bei Betreiber-Modellen oder auch Großgerätekooperationen auf diese Problematik. Eine ausschließlich oder überwiegend nach Überweisungsfrequenzen vereinbarte Gewinnverteilung ist allerdings auch in derartigen Gesellschaften rechtswidrig. Entsprechende Gesellschaftsbeschlüsse können von benachteiligten Gesellschaftern gerichtlich angegriffen werden und im worst case die ganze Konstruktion zum Einsturz bringen. Z.T. von anwaltlicher Seite empfohlene „Umgehungsstrategien“ halten in der Regel einer näheren Überprüfung nicht stand. Es muss aber zulässig sein, die Grundidee der Apparategemeinschaft auch bei derartigen Gesellschaften zu berücksichtigen. Damit ist gemeint, dass auch in einer Apparategemeinschaft der Einzelne durch die bessere Auslastung der Geräte profitiert (niedrigere Stück- und Gemeinkosten). Solange eine Gewinnverteilung die bessere Geräteauslastung den Gesellschaftern ähnlich wie in einer Apparategemeinschaft zufließen lässt, sind verschiedene Lösungsansätze denkbar. Bevor man entsprechende Investitionen tätigt, kann es sich empfehlen, das vollständige Konzept[137] mit der zuständigen Landesärztekammer abzusprechen, um später „den Rücken frei zu haben“. Steuerrechtlich muss darauf geachtet werden, dass solche Gesellschaften nach Möglichkeit umsatzsteuer- und gewerbesteuerprivilegiert konstruiert werden. Dies ist auch dann denkbar, wenn nicht alle Gesellschafter gleichberechtigt an der Leistungserbringung teilnehmen. Vielfach reicht als gemeinsamer Zweck im Sinne des Steuerrechts aus, dass der Gesellschafter Arzt ist, eine Möglichkeit der Leistungsbeteiligung unter Einschluss der Fachgebietszugehörigkeit und Qualität gegeben ist, Leistungen überhauptdurchgeführt werden oder sich die Zusammenarbeit wenigstens auf Konsile, Demonstrationen oder einen sonstigen fachlichen Austausch beschränken. Eine eingehende steuerrechtliche Abklärung ist bei diesen Modellen unabdingbar.
bb) Vorteilsgewährung für sonstige Tätigkeiten
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§ 31 MBO untersagt sog. „Koppelgeschäfte“,[138] die die Höhe der Vergünstigung von der Anzahl der in Auftrag gegebenen Untersuchungen bzw. überwiesenen Patienten abhängig macht.[139] Ein derartiges Verhalten kann gleichzeitig einen Verstoß gegen das Werbeverbot und gegen §§ 3, 5 UWG darstellen. Im Übrigen kann in derartigen Absprachen ein schwerwiegender vertragsärztlicher Verstoß liegen, der von den jeweiligen KVen disziplinarrechtlich geahndet werden kann (§ 73 Abs. 7 SGB V). Ebenso unzulässig ist die Einräumung des Liquidationsrechts für den Einsender im Privatkassenbereich als Gegenleistung für die Zusendung von „Kassenpräparaten“.
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Eine weitere Form der unzulässigen Vorteilsgewährung besteht in der Beteiligung des überweisenden Arztes am Liquidationserlös des die Leistung erbringenden Arztes. Die möglichen Beteiligungsformen sind vielfältig, der Einfallsreichtum der Beteiligten nahezu unbegrenzt. Zum Teil wird dem Einsender ein bestimmter Honoraranteil unter Bezugnahme auf angebliche Beratungsleistungen rückvergütet. Demgegenüber gibt es von der Rechtsprechung akzeptierte Honorarbeteiligungsmodelle, die jedoch insoweit eines gemein haben, dass der sachliche Grund in der Versorgung des Patienten und/oder dem besonderen Versorgungsauftrag liegt.[140]
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Erhebliches Missbrauchspotential eröffnet die Teilgemeinschaftspraxis (TGP), weil manche glauben, unter ihrem Deckmantel die verbotene Zuweisung gegen Entgelt kaschieren zu können (s.o. Rn. 150).[141] Neben der TGP werden zunehmend weitere gesellschaftsrechtliche Modelle zur Umgehung des § 31 erprobt.[142]
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Die am Markt anzutreffenden Strukturen sind z.T. phantasiereich. Man stößt auf GmbH & Co. KGs, deren Kommanditisten i.d.R. Ärzte sind oder deren Gesellschaftsanteile von Treuhändern gehalten werden, um die Anonymität der „Share Holders“ zu wahren. Man findet Aktiengesellschaften, die an Ärzte Vorzugsaktien ausgeben oder auch Ärzte-Fonds,[143] die Gewinne aus Gesundheitseinrichtungen und -betrieben verwalten. All diesen Konstruktionen ist gemein, dass sie dann angreifbar sind, wenn die „Rendite“ personenbezogen umsatzabhängig ist; mit anderen Worten dann, wenn der Arzt als Zuweiser oder Verordner direkt und unmittelbar den Wert seines Kapitalanteils steuert und damit sein Kapitalertrag einen Provisionscharakter erhält.[144] Eine Indizwirkung für eine unzulässige Beteiligung ist eine unangemessene Kapitalrendite.[145] Ein Kriterium für die Beurteilung der „Unangemessenheit“ könnte der Fremdvergleich sein; d.h. es wird geprüft, welchen Gewinn ein nichtärztlicher Gesellschafter in einem vergleichbaren Unternehmen ohne die Steuerung über die eigene Verordnung erzielen könnte.[146]
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Ärzte sind aber auch im Beschaffungswesen tätig, sei es, dass sie Sprechstundenbedarf verordnen oder sonstige Dienstleistungen z.B. Koordinierung weiterer Heilberufsmaßnahmen vermitteln. Neben den altbekannten Formen eher „primitiver“ Belohnungssysteme gibt es hier mittlerweile ausgeklügelte gesellschaftsrechtliche Konstruktionen, die den insoweit überwiegend anonym