Handbuch Medizinrecht. Thomas Vollmöller
verbunden sind.[147] Folgendes sollte stets die Aufmerksamkeit schärfen:
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Manche Anbieter gehen dazu über, für heikle Bestellvorgänge nachweisbar eine Vorteilsgewährung auszuschließen, um diese über die Hintertür via anderen Preisnachlässen im Sortiment oder der Aktienbewertung doch fließen zu lassen. Derartiges findet man z.B. bei einer großzügigen Rabattierung von Gerätelieferungen, wenn diese für die nachfolgende Materialapplikation notwendig sind (z.B. Kontrastmittel). Vorsicht ist immer dann geboten, wenn nur Ärzte einer bestimmten Fachrichtung Anteilsscheine erwerben dürfen; honi soit qui mal y pense. Was auf Seiten dieser Unternehmen ebenso wie vieler Vertragsärzte viel zu wenig gesehen und gewürdigt wird, ist der Umstand, dass seitens der Sozialgerichte schon lange von Vertragsärzten gefordert wird, dass diese – bei bestehender Möglichkeit – den „Bestpreis“ realisieren;[148] dass es einen Bestpreis tatsächlich gibt, lässt sich den Bewerbungen vieler Firmen insoweit entnehmen, als diese selbst davon ausgehen, dass vereinbarte Pauschalvergütungen erheblich unter den gegenwärtigen Verkaufspreisen liegen. Hergeleitet wird diese Verpflichtung von der Rechtsprechung daraus, dass der Vertragsarzt bei der Verordnung in einem besonderen Treueverhältnis zur Krankenkasse steht, was den BGH dazu veranlasst hat, bei der Verletzung von Treuepflichten und der (vorsätzlichen) Veranlassung von Nachteilen für eine Krankenkasse (im entschiedenen Fall Verordnung von Arzneimitteln) den Untreuetatbestand (§ 266 StGB) als erfüllt anzusehen.
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Nicht erst seit der Neuregelung der integrierten Versorgung zum 1.1.2004 gemäß § 140a SGB V a.F. (heute abgelöst durch die besondere Versorgung gemäß § 140a SGB V n.F.) gab es vielfältige Bestrebungen, stationäre und ambulante Versorgung besser zu vernetzen. Rationalisierungs- aber auch Qualitätsverbesserungsziele stehen dabei im Vordergrund. Hiervon sind sog. „Ein- oder Zuweiserprämien“ zu unterscheiden, die Krankenhäuser unter dem Deckmantel der integrierten Versorgung an einweisende Ärzte bezahlen, um sie an das Haus zu binden.[149] Die Grenzen des guten Geschmacks waren hier teilweise längst überschritten (siehe hierzu Kap. 22 mit weiteren Beispielen). Ein weiterer Aspekt finanzieller Anreizinstrumente im Rahmen der GKV findet sich in den Rabattvereinbarungen in § 130a Abs. 8 SGB V. Was hier teilweise euphemistisch mit der Erschließung von Wirtschaftlichkeitsreserven umschrieben und vom Gesetzgeber letztlich sozialversicherungsrechtlich „geadelt“ worden ist, wirkt in der Praxis teilweise wie die ansonsten unerwünschte Beeinflussung ärztlicher Entscheidung unter Hintanstellung der für den Patienten vorteilhafteren Alternative. Zwar scheint der Gesetzgeber die Zeichen der Zeit langsam zu erkennen,[150] ob der psychologische Flurschaden, den „Pseudo-IV-Modelle“ in den Köpfen vieler Beteiligter angerichtet haben, so schnell zu beseitigen sein wird, dürfte fraglich sein.[151] Die Bundesärztekammer sah sich deshalb im April 2007 veranlasst, einige Klarstellungen zu veröffentlichen.[152] Bezeichnender Weise nimmt § 32 Abs. 1 S. 2 MBO die sozialversicherungsrechtliche Vorteilsgewährung von dem generellen Verdikt der Vorteilsgewährung aus. Dies führt teilweise zu absurden Ergebnissen. Im EBM wird seit dem 1.9.2019 die erfolgreiche „Vermittlung“ eines dringenden Facharzttermins durch Empfehlung von Haus- und Kinderärzten mit einer extrabudgetären Gebühr i.H. von 10,00 € finanziell „belohnt“. Geschieht dasselbe außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung, verstößt dies gegen § 31 MBO und ist nach den §§ 299a ff. StGB strafbar.
cc) Kooperationsverträge zwischen Krankenhäusern und Vertragsärzten – Schnittstellenoptimierung oder Zuweisungsprovision?
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Die Begriffe „sektorübergreifende Versorgung“ oder „Schnittstellenoptimierung“ bzw. „Schnittstellenmanagement“ sind zu modernen Schlagwörtern im Gesundheitswesen geworden. Wer sie benutzt, signalisiert damit Lösungskompetenz. Vor dem Hintergrund eines harten Wettbewerbs zwischen den Krankenhäusern und einer zunehmenden Unterfinanzierung stationärer Einrichtungen nimmt es nicht wunder, dass nicht wenige Krankenhäuser versuchen, niedergelassene Ärzte als Zuweiser an sich zu binden.[153] Dafür scheint es schon lange nicht mehr auszureichen, einfach „gut“ zu sein und durch Service die Patientenzufriedenheit zu steigern. Da trifft es sich gut, dass man unter dem Deckmantel der integrierten Versorgung oder auch der „Schnittstellenoptimierung“ mit niedergelassenen Ärzten (nicht immer nur aus der näheren Umgebung) Kooperationsvereinbarungen schließt, durch die diese Ärzte dem Krankenhaus vorgeblich im prä- und poststationären Bereich Arbeit abnehmen und dafür vom Krankenhaus vergütet werden.[154] Zum Teil wird auch noch die Qualitätssicherung bemüht. In der Praxis wird allerdings nicht immer sauber zwischen einer poststationären Behandlung i.S.v. § 115a Abs. 1 Nr. 2 SGB V und einer poststationären Behandlung zur Abkürzung der Krankenhausverweildauer unterschieden, obwohl diese Unterscheidung erhebliche Konsequenzen hat[155]. Denn oft entlässt das Krankenhaus den Patienten, ohne dass ein Fall von § 115a Abs. 1 Nr. 2 SGB V vorliegt, in Absprache mit einem oder mehreren zuständigen Vertragsärzten etwas früher nach Hause („blutige Entlassung“), z.B. weil der Patient dies wünscht und dies bei entsprechender externer ärztlicher Abdeckung medizinisch vertretbar ist. Für den dadurch bei den Vertragsärzten entstehenden Betreuungsmehraufwand erhalten diese vom Krankenhaus einen bestimmten Anteil der DRG als Honorar. Bei nicht wenigen dieser Modelle handelt es sich aber um bloße „Einweiser- oder auch Fangprämien“, die das ganze Konstrukt als „Zuweiserkartell“ erscheinen lassen ohne dass in Wahrheit eine sektorübergreifende Kooperation vorliegt, z.B. weil dem Vertragsarzt Pflichten zugewiesen werden, die ihm ohnehin bereits originär obliegen.[156] Besondere Vorsicht ist oft schon dann geboten, wenn in der Präambel zu derartigen Verträgen das „Patientenwohl“ besonders hervorgehoben wird, zumal sich der Patient manchmal wundert, warum er plötzlich in ein ihm bislang völlig unbekanntes Krankenhaus, womöglich noch in der Nachbarstadt eingewiesen wird. Die Zuweiserprovision ist für das Krankenhaus wettbewerbswidrig (Störer i.S.d. UWG)[157] und für den Arzt berufsordnungswidrig. Derartige Verträge sind wegen Verstoßes gegen § 134 BGB unheilbar nichtig (vgl. § 21 Rn. 20).[158] Durch das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG)[159] v. 22.12.2011, das am 1.1.2012 in Kraft getreten ist, wurden in mindestens drei Versorgungsbereichen die Koordinaten zwischen Vertragsärzten und Krankenhäusern neu bestimmt. Es sind dies die vor- und nachstationäre Behandlung (§ 115a SGB V), das ambulante Operieren im Krankenhaus (§ 115b SGB V) und die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (§ 116b SGB V). Manche rechnen auch die Tätigkeit von Honorarärzten im Krankenhaus hierzu, was jedoch im Ergebnis unzutreffend ist. Diese Frage hat mit dem GKV-VStG nichts zu tun, wirft aber nicht zuletzt auch erhebliche sozialversicherungsrechtliche Fragen auf. und wird daher in anderem Zusammenhang zu behandeln sein.[160] Berufsrechtlich geht es im Hinblick auf § 31 weniger um die Sinnhaftigkeit derartiger Strukturänderungen, sondern vielmehr darum, ob unter dem Vorwand, diese Strukturen umzusetzen, Belohnungssysteme i.S.d. § 31 implementiert werden. Zurecht warnen einige, im Sog der Korruptionsdebatte derartige Kooperationsformen nicht unter Generalverdacht zu stellen, sondern einer Einzellfallprüfung zu unterziehen.[161] Ob nun freiberufliche Honorararztverträge oder Teilanstellungsverträge vorzuziehen sind, wurde viele Jahre ausgesprochen kontrovers diskutiert,[162] dürfte seit den Entscheidungen des BSG vom 12.7.2019 zugunsten der Teilanstellung des bis dato als Honorararzt tätigen Operateurs entschieden sein (siehe auch Kap. 18 Rn. 158 und Kap. 22).[163] Seine Stellung sollte als leitende Position ausgestattet sein (Teilzeit-Chefarzt). Dies kann u.U. zu Kompetenzstreitigkeiten mit anderen an einem Haus angestellten leitenden Ärzten führen, muss aber gelöst werden. Manche kritisieren bereits, wenn der Vertrag so gestaltet ist, dass der Teilzeit angestellte Arzt nur von ihm selbst eingewiesene Patienten operiert und hierfür ein Honorar erhält, das wesentlich über der Vergütung angestellter Oberärzte liegt. Zum ersten Teil der Fragestellung könnte man entgegnen, dass ja auch ein Belegarzt häufig nur die von ihm selbst eingewiesenen Patienten operiert, was in der Vergangenheit niemand beanstandet hat, wenn die Indikation stimmt und die Klinik für den geplanten Eingriff geeignet ist. Man wird also fragen müssen, ob er einen Patienten nur deshalb in ein bestimmtes Krankenhaus