Handbuch Medizinrecht. Thomas Vollmöller
der Gesundheitspolitik, der Einsatzprofile bestimmter Arzneimittel o.Ä. „beraten“ werden soll. Der Arzt erhält in derartigen Fällen eine Vergütung für Leistungen, die für das Herstellerunternehmen wertlos sind. Es fehlt daher ein Äquivalent für die mittelbare oder unmittelbare Zuwendung an den Arzt.
§ 31 MBO: „Ärztinnen und Ärzten ist es nicht gestattet, für die Zuweisung von Patientinnen und Patienten oder Untersuchungsmaterial ein Entgelt oder andere Vorteile sich versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren.“
§ 33 Abs. 1 MBO: „Soweit Ärztinnen und Ärzte Leistungen für die Hersteller von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln oder Medizinprodukten erbringen (z.B. bei der Entwicklung, Erprobung und Begutachtung), muss die hierfür bestimmte Vergütung der erbrachten Leistung entsprechen.“
6. Begegnet es berufsrechtlichen Bedenken, wenn Krankenkassen Zahlungen an Vertragsärzte dafür leisten, dass diese Leistungen durch bestimmte Leistungserbringer veranlassen?
Zur Förderung des ambulanten Operierens durch niedergelassene Vertragsärzte haben Kranken- bzw. Ersatzkassen mit einer Kassenärztlichen Vereinigung vereinbart, dass der Vertragsarzt eine Motivationspauschale von der Ersatzkasse erhält, wenn er veranlasst, dass eine ambulante Operation durch einen anderen Vertragsarzt und nicht durch ein Krankenhaus erbracht wird. § 31 MBO verbietet eine Zuweisung gegen Entgelt. In der genannten Fallkonstellation wird die Zuweisung zwar nicht zwischen zwei Ärzten vereinbart. Der Tatbestand des § 31 MBO setzt aber nicht voraus, dass der Zuweisungsempfänger die Zuweisung veranlasst hat und sie unmittelbar vergütet. Vielmehr soll § 31 MBO verhindern, dass sich der überweisende Arzt von einem damit für ihn verbundenen finanziellen Vorteil zu einer gezielten Zuweisung verleiten lässt. Das könnte dazu führen, dass entweder eine aus medizinischen Gründen nicht erforderliche Leistung veranlasst wird oder dass durch die Zuweisung das durch § 7 Abs. 2 S. 1 MBO geschützte Patientenrecht auf freie Arztwahl missachtet wird. Danach würde die Durchführung der vorstehend beschriebenen Vereinbarung einen Verstoß gegen die §§ 31 und 7 Abs. 2 S. 1 MBO bedeuten, weil ein Anreiz geboten wird, die Arztwahlfreiheit des Patienten auf eine bestimmte Gruppe von Leistungserbringern zu beschränken. Die Rechtsprechung hat es demgegenüber als zulässig angesehen, wenn ein niedergelassener Arzt seine Patienten über Empfehlungen ihrer Krankenkasse betreffend geeignete, nach bestimmten Kriterien ausgewählte Krankenhäuser lediglich berät und für diese Beratung eine Vergütung seiner Kassenärztlichen Vereinigung erhält. Dem ist insoweit zuzustimmen, als durch die Beteiligung von Kassenärztlicher Vereinigung und Krankenkasse sichergestellt werden kann und muss, dass die Wahlmöglichkeiten des Patienten nicht zu sehr auf bestimmte Krankenhäuser verengt werden und damit sein durch § 7 Abs. 2 S. 1 MBO geschütztes Recht auf freie Arztwahl verletzt wird. Ferner müssen die Auswahlkriterien transparent gemacht werden, und eine abweichende Überweisung im einzelnen Behandlungsfall muss möglich bleiben.
7. Inwieweit sind Kooperationen zwischen Laborärzten und anderen niedergelassenen Ärzten in Bezug auf die Untersuchung eingesandter Proben und Anreize zum Übersenden von Proben mit dem Verbot der Zuweisung gegen Entgelt zu vereinbaren?
Nachdem in § 18 Abs. 1 MBO die Möglichkeit eröffnet worden ist, Berufsausübungsgemeinschaften auch beschränkt auf einzelne Leistungen zu bilden, haben sich insbesondere Laborärzte und andere Fachärzte, die regelmäßig Laborproben veranlassen, zu angeblichen (Teil-)Berufsausübungsgemeinschaften zusammen geschlossen. Ein derartiger Vertrag lässt weitgehend offen, worin das gemeinsame Ausüben des Arztberufs bestehen soll. Er enthält aber Gewinnverteilungsregelungen, nach denen der Gewinn abhängig von der jeweils veranlassten und erbrachten Laborleistung verteilt werden soll. Dem Veranlasser soll jeweils ein Gewinnanteil zufließen, der die abrechenbare Vergütung der von ihm selbst erbrachten Leistungen übersteigt. Zwar sind die Partner einer (Teil-)Berufsausübungsgemeinschaft grundsätzlich frei in ihren Vereinbarungen darüber, wie sie ihre Zusammenarbeit gestalten und wie sie die Ergebnisse der gemeinsamen Berufsausübung untereinander verteilen wollen. Zudem kann sich die Form der Zusammenarbeit in einer auf einzelne Leistungen beschränkten Berufsausübungsgemeinschaft, zumal in einer überörtlichen (Teil-)Berufsausübungsgemeinschaft, von der Form der Zusammenarbeit in einer klassischen Gemeinschaftspraxis unter einem Dach unterscheiden. An die Stelle der Zusammenarbeit in einer klassischen Gemeinschaftspraxis, die sich z.B. beim Einrichten der Praxisräume oder beim Anstellen von Personal nicht ausschließlich auf das Heilkundeausüben im engeren Sinne beziehen muss, müssen jedoch vergleichbare Merkmale einer Zusammenarbeit treten, die sich nicht auf das Erbringen von (medizinisch-technischen) Leistungen durch einzelne Mitglieder der Gemeinschaft und das Veranlassen dieser Leistungen durch die übrigen Mitglieder beschränken dürfen. Fehlt es an Anhaltspunkten für eine gemeinsame Berufsausübung und kommt hinzu, dass der Gewinn in der beschriebenen Weise verteilt wird, handelt es sich nicht um eine Berufsausübungsgemeinschaft im Sinne des § 18 Abs. 1 MBO. Die Zahlungen über die mithin bestehende Scheingesellschaft stellen sich dann als durch § 31 MBO verbotenes Zuweisungsentgelt dar, soweit sie die Vergütung übersteigen, die der Laborleistungen oder sonstige Leistungen veranlassende Arzt für die von ihm selbst erbrachten Leistungen in Rechnung stellen könnte. Die Rechtsprechung hat im Übrigen klargestellt, dass ein Wettbewerbsverstoß vorliegt, wenn zwar kein Entgelt je Zuweisung vereinbart bzw. gezahlt und daher nicht gegen § 31 MBO verstoßen wird, sondern ein anderer finanzieller Anreiz für eine Zuweisung geboten wird. In dem entschiedenen Fall waren Basislaborleistungen unter Selbstkosten angeboten worden, sodass der veranlassende Arzt die Leistungen zu einem höheren Preis als eigene Leistungen abrechnen konnte.
aa) Einführung in das Thema
185
§§ 27 und 28 MBO (a.F.) bildeten auch nach den vom 103. Deutschen Ärztetag beschlossenen Änderungen – gemeinsam mit den Regelungen in Kap. D Nr. 1–5 – eines der Kernstücke der ärztlichen Berufsordnung. Historisch betrachtet zählte das ärztliche Werbeverbot bzw. das Verbot öffentlicher Anpreisung zu den ärztlichen Grundpflichten schlechthin.[173] Dies ist die Rückschau. Im Lichte der Wandlungen, die die Norm im Verlauf der Jahre bis hin zu den Änderungsbeschlüssen des 105. Deutschen Ärztetages 2002 in Rostock genommen hat und die neuere Rechtsprechung des BVerfG[174] muss alles das, was früher zum ärztlichen Werbeverbot geschrieben worden ist, einer kritischen Prüfung unterzogen werden. Dies gilt für Literatur wie Urteile gleichermaßen. Bei älteren Entscheidungen wird man daher immer überlegen müssen, ob sie im Lichte der neuen Rechtslage in gleicher Weise gefällt worden wären. Die Vorschriften in Kapitel D I Nr. 1 bis 5 wurden ersatzlos gestrichen. Das Verbot des anpreisenden Verhaltens bleibt. Insofern hat sich an der Zielsetzung der Vorschrift nichts geändert. Schließlich wurde § 28 MBO, der die Voraussetzungen zur Eintragung in Verzeichnisse regelte, durch den 114. Deutschen Ärztetag 2011 in Kiel ersatzlos gestrichen. Zum einen sah man den Regelungszweck durch § 27 MBO ausreichend gesichert; zum anderen trug man der gegenüber § 28 MBO (a.F.) zum Teil kritischen Rechtsprechung Rechnung.[175] Im Übrigen sollte man sich aber auch vor Überinterpretationen in Acht nehmen. Diejenigen, die bereits „vom Ende des Werbeverbots“ sprechen, übersehen, dass das BVerfG nie Zweifel befördert hat, verkammerte Berufe dürften derartigen Beschränkungen nicht unterliegen.[176] Entscheidend ist, und dies kommt in der neueren Rechtsprechung des BVerfG noch deutlicher als früher zum Vorschein, dass jedwede Einschränkung an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen ist und daher nur Bestand haben kann, wenn wichtige Gemeinwohlbelange geschützt werden sollen. Bloße berufsständische Zielvorstellungen, wie das Bild des Berufsangehörigen aussehen solle, rechtfertigen derartige Einschränkungen regelmäßig nicht.[177]
186
Neben der arztzentrierten Sicht erfährt die Problematik durch die stärkere Gewichtung des Informationsanspruchs des (potentiellen) Patienten eine gegenüber früher offenere Wertung. Die Auswahl der „richtigen“ Praxis/des „richtigen“ Krankenhauses soll für den Patienten transparenter als früher sein. Mit anderen Worten ist die Frage der Werbefreiheit für Ärzte nicht nur eine Frage verbesserter Darstellungsmöglichkeiten im Wettbewerb, sondern auch eine Frage des Verbraucherschutzes im weiteren Sinne.
187