Handbuch Medizinrecht. Thomas Vollmöller
des Embryonenschutzgesetzes, MedR 2007, 279; Padé Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bei Lebensgefahr und tödlich verlaufenden Krankheiten, NZS 2007, 352; Papier Staatsrechtliche Vorgaben für das Sozialrecht, FS 50 Jahre BSG, 23; Pestalozza Kompetentielle Fragen des Entwurfs eines Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes, GesR 2006, 387; Pitschas Neue Versorgungs- und Vergütungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung im Wirkfeld der Gesundheitsverfassung, VSSR 1998, 253; ders. Änderung der Versorgungsstrukturen durch Verflechtung von Leistungssektoren, ambulante Krankenhausbehandlung nach § 116b SGB V, MedR 2008, 473 ff.; ders. Die Gesundheitsreform 2007 – Verfassungskonformer Einstieg in den Systemwechsel der GKV, GesR 2008, 64 ff.; Plagemann Der Gemeinsame Bundesausschuss – Auswirkungen auf den Leistungsanspruch der Patienten, dargestellt an ausgewählten Einzelfällen, MedR 2005, 401; Prütting/Winter Verfassungsmäßigkeit des § 16 S. 3 Berufsordnung Ärzte vor dem Hintergrund der Nichtigkeit von § 217 StGB, GesR 2020, 273 ff.; Quaas Qualitätsindikatoren des G-BA als Teil der Krankenhausplanung – eine verfassungsrechtliche Gratwanderung, GesR 2018, 626; Ratzel Auswirkungen des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes unter Berücksichtigung berufsrechtlicher Aspekte, VSSR 2007, 207 ff.; Regeling Föderalismusreform und Gesetzgebungstendenzen, DVBl. 2006, 1537; Riedel Das Teilhabegrundrecht auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung, NZS 2009, 260 ff.; Rixen Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht, 2005; ders. In guter Verfassung? Das VÄndG auf dem Prüfstand des GG, VSSR 2007, 213 ff.; Schimmelpfeng-Schütte Demokratische und rechtsstaatliche Defizite in der gesetzlichen Krankenversicherung?, MedR 2006, 519; dies. Die Entscheidungsbefugnis des Gemeinsamen Bundesausschusses, NZS 2006, 567; Schmidt GKV-WSG: Die Relativierung klassischer Sozialversicherungsmerkmale in der GKV durch veränderte Beitragsbemessung und Wahltarife, GesR 2007, 295; Schmidt-Recla „Spiel über Bande“: Das BVerfG fordert Arbeit statt Fixierung, GesR 2019, 137 ff.; Schroth Assistierter Suizid und das Recht auf selbstbestimmtes Sterben, GesR 2020, 477 ff.; Sendler Menschenwürde, PID und Schwangerschaftsabbruch, NJW 2001, 2148; Sodan Das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, NJW 2007, 1313; Sodan/Schüffner Staatsmedizin auf dem Prüfstand der Verfassung, 2006; Steiner Das Bundesverfassungsgericht und die Gesundheit(sreformen), A&R 2007, 147; ders. Verfassungsfragen des Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 4 SGB V, NZS 2011, 681 ff.; ders. Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Begründung von untergesetzlichen Rechtsnormen, GesR 2013, 193 ff.; Taupitz Der rechtliche Rahmen des Klonens zu therapeutischen Zwecken, NJW 2001, 3433; Thüsing Wahltarife nach § 53 Abs. 4–6 SGB n.F. im Lichte des Verfassungsrechts, NZS 2008, 449 ff.; Welti Gibt es ein Recht auf bestmögliche Gesundheit?, GesR 2015, 1 ff.; Wenner Neue Rollenanforderung an den Vertragsarzt – Freiberuflicher Unternehmer, Funktionsträger im Gesundheitskonzern oder Vollstrecker staatlicher Gesundheitspolitik?, GesR 2009, 505 ff.; Wieland Verfassungsrechtliche Grenzen der Beitragserhebung in der gesetzlichen Krankenversicherung, VSSR 2003, 259; Wölk Das Menschenrechtsabkommen des Europarats zur Biomedizin als taugliches Vorbild für Deutschland und Europa?, Zeitschrift für Medizinische Ethik (ZME) 2001, 387; ders. „Off-label-use“ in der ambulanten Versorgung der Gesetzlichen Krankenversicherung – Öffnung der GKV für individuelle Heilversuche, ZMGR 2006, 3.
4. Kapitel Das Gesundheitswesen in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland › A. Gesetzgebungskompetenz des Bundes
A. Gesetzgebungskompetenz des Bundes
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Eine generelle Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Gesundheitswesen gibt es nicht.[1] Sie ist vielmehr auf die ausdrücklich in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11, 12, 19, 19a und 26 GG beschriebenen Regelungskomplexe beschränkt. Die Kompetenz zur Regelung des Apothekenwesens, AMG und MPG, der Heilmittel und Gifte sowie für Maßnahmen gegen gemeingefährliche übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren ist weithin eher unproblematisch (Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG). Von gewisser Brisanz ist die Bundeszuständigkeit für die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhausentgelte einerseits (Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG) mit den Regelungen der Länder zur Krankenhausfinanzierung (KHG der Länder)[2] und Krankenhausplanung andererseits. Unter den Kompetenztitel von Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG fällt das private Versicherungsrecht einschließlich der privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Ferner ist die Bundeskompetenz für die Reproduktionsmedizin, die Gentechnik und das Transplantationswesen zu nennen (Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 GG). Bei den Kompetenztiteln gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 11, Nr. 19a und Nr. 26 GG ist die Notwendigkeit einer bundesgesetzlichen Regelung besonders zu begründen (Art. 72 Abs. 2 GG). Damit bleibt es dabei, dass der Bund gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG nur die Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, nicht aber Regelungen zur (ärztlichen) Berufsausübung treffen kann, es sei denn, die Berufsausübung würde von einer Spezialmaterie, z.B. des Sozialversicherungsrechts, so überlagert, dass eine einheitliche sozialversicherungsrechtliche Regelung zwingend erforderlich ist, wie dies z.B. für den Bereich der Qualitätssicherung diskutiert und entschieden worden ist.[3] Im Lichte der Systematik des Grundgesetzes, das die Kompetenz der Länder an erster Stelle nennt (Art. 70 Abs. 1 GG), sollte von dieser „Annexkompetenz“ allerdings nur zurückhaltend Gebrauch gemacht werden.[4]
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Das Bundesverfassungsgericht hat den Begriff der Sozialversicherung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG als „verfassungsgerichtlichen Gattungsbegriff“ bezeichnet. Danach fällt alles unter diesen Begriff, was sich der Sache nach als Sozialversicherung darstellt.[5] Daraus ist zunächst zu schließen, dass auch das sog. Leistungserbringerrecht der Ärzte hierunter zu subsumieren ist. In der Praxis wird diese Problematik in zweierlei Hinsicht relevant, nämlich
– | dass das Sozialversicherungsrecht für die Leistungserbringung selbst Beschränkungen vorsieht, die das Berufsrecht nicht kennt, und |
– | neuerdings – das Leistungserbringungsrecht Erleichterungen vorsieht, die entweder berufsrechtlich nicht geregelt sind oder berufsrechtliche Verbote entgegenstehen. |
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In der medizinrechtlichen Literatur wird die Kompetenz für den Bereich des Vertragsarztes nicht als Annexkompetenz angesehen, sondern als eine Kompetenz kraft Sachzusammenhang.[6] Die bisher bedeutsamsten Entscheidungen diesbezüglich sind diejenigen, die für die Abrechnung einer Leistung qualitative Anforderungen im Bereich des Sozialversicherungsrechtes fordern, die das Berufsrecht nicht kennt;[7] oder auch das durch Nichtannahmebeschluss seitens des Bundesverfassungsgerichts bestätigte Gebot für den Facharzt für Innere Medizin, entweder ausschließlich an der hausärztlichen, oder ausschließlich an der fachärztlichen Versorgung teilzunehmen.[8] Aber auch die Diskussion um die mantelvertraglichen Vorschriften bezüglich der Zweigpraxen und der ausgelagerten Praxisräume, insbesondere für den Bereich der Dialyse, wo im vertragsärztlichen Bereich noch weitere Sonderregelungen[9] bestehen, gehört hierher[10] sowie die Einführung sog. medizinischer Versorgungszentren (MVZ) in die vertragsärztliche Versorgung (siehe § 95 SGB V), nachdem der Bundesgesetzgeber in seiner Begründung, trotz teilweise entgegenstehenden Berufsrechts, die Rechtsform der Kapitalgesellschaft (zumindest als juristische Person des Privatrechts) als statthaft erachtet hat (zum Verhältnis Berufsrecht/MVZ siehe auch Kap. 6 Rn. 147). Damit ist festzuhalten, dass unzweifelhaft das Sozialversicherungsrecht höhere Anforderungen an die Leistungserbringung und Abrechnung des niedergelassenen Arztes stellen kann, als das Berufsrecht. Noch nicht abschließend beschieden ist die Frage, inwieweit das Sozialversicherungsrecht – bezogen auf seine eigene Regelungsmaterie – berufsrechtliche Verbote letztlich aushebeln kann. Diese Diskussion gewann im Rahmen der VÄndG ganz erhebliche Bedeutung. Während das BMG die Bundeskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 i.V.m. Art. 72 Abs. 2 GG herleitet, vertrat der Bundesrat[11] sowie die überwiegende Auffassung in der Literatur[12] den Standpunkt,