Tödliche Gier in Bansin. Elke Pupke
der ihm egal, er mochte den Mann nicht besonders, aber es freut ihn, dass er in Bertas Ermittlungen einbezogen wird. Endlich ist mal wieder etwas los. Sonst ist es im Sommer immer ziemlich langweilig in seiner Stammkneipe. Da dreht sich alles nur um die Urlauber, die er auch nicht mag.
Vorsichtig nippt er an seinem Bierglas. Eigentlich sollte er nichts mehr trinken. Seinen normalen Pegel hat er erreicht und er will ja noch mitbekommen, was Berta sagt. Endlich sind die letzten Gäste gegangen, Thomas Haas hat abgerechnet und verabschiedet sich. Er lehnt Bertas halbherzige Einladung, sich noch einen Moment zu ihnen zu setzen ab, er habe Kopfschmerzen und brauche frische Luft. »Ich mache lieber noch einen kleinen Strandspaziergang. Bis morgen dann.«
Die vier Zurückgebliebenen machen es sich am Stammtisch gemütlich. Sophie hat Brunos Bier gegen eine Tasse Kaffee getauscht und sich selbst eine Rotweinschorle gemischt. Berta findet, es sei kühl geworden, sie hat sich einen Grog gemacht. Ihr Kater kommt aus irgendeinem Versteck und setzt sich neben sie auf die Bank. Anne trinkt Whisky-Cola.
»Du wirst so langsam dekadent«, vermutet Bruno. »Hast du so viel Trinkgeld gekriegt, dass du dir das leisten kannst?«
»Sie hat die Flasche Whisky selbst mitgebracht«, petzt Sophie.
»Also, dass Ruben Fux ermordet wurde, ist uns wohl allen klar«, kommt Berta zum Thema.
»Ach ja?« Sophie versucht es, gibt aber nach einem strengen Blick ihrer Tante die Revolte auf.
»Kann natürlich sein, dass die Polizei das in ein paar Tagen auch weiß«, fährt die fort, »und vielleicht sogar den Mörder findet. Nämlich dann, wenn sich dieser besonders blöd angestellt hat. Aber ich glaube, es ist besser, wenn wir uns darum kümmern.«
»Natürlich«, stimmt Anne mit den altbewährten Argumenten zu. »Wir kannten Fux ja viel besser und wissen, mit wem er Umgang hatte und was er so getrieben hat.«
»Ach ja?«, zweifelt jetzt Bruno. »Also ich weiß das nicht. Es hat mich aber auch nicht besonders interessiert«, schränkt er ein und fügt der Vollständigkeit halber hinzu: »Ich konnte ihn nicht leiden.«
»Na, wen kannst du schon leiden?« Er beantwortet Annes etwas verächtliche Bemerkung gar nicht und Berta nur in Gedanken mit ›Dich, zum Beispiel‹.
»So richtig viel wissen wir wahrscheinlich alle nicht«, überlegt sie. »Nur, was er so erzählt hat.«
»Und davon war das meiste vermutlich gelogen«, wirft Bruno ein.
»Ich glaube auch, dass er einige Geschäfte am Laufen hatte, über die er nicht gesprochen hat«, vermutet Sophie. »Da wird das Mordmotiv zu finden sein.«
»Anne«, Berta sieht zu ihrer Tischnachbarin hoch, »du kanntest ihn am besten. Jedenfalls was seine Geschäfte betrifft.«
»Alles, was ich weiß, bewegt sich im legalen Rahmen. Er hat Ferienwohnungen für deren Besitzer vermietet und er hat für Busunternehmen Hotelreservierungen vorgenommen und Ausflüge organisiert.«
»Die du dann durchgeführt hast.«
»Ja. Ich und noch andere Reiseleiter von der Insel. Wir haben die Rundfahrten gemacht und die Führungen und dafür 80% von dem bekommen, was die Gäste bezahlt haben. Manchmal hat er uns auch beschissen, glaub ich. Aber egal, ich hab dabei ganz gut verdient.«
»Was machst du denn jetzt?«, fällt Sophie ein. »Wer vermittelt dir die Aufträge?«
»Ich hab heute Nachmittag schon alle Busunternehmen angemailt, von denen ich die Adressen rausgefunden habe. Ich arbeite jetzt direkt für die, da muss ich mit niemandem teilen. Das ist sogar viel besser.«
»So. Dann bist du ja schon die Erste, die von seinem Tod profitiert. Die erste Verdächtige, sozusagen.« Sophie grinst.
»Richtig.« Berta nickt ernsthaft. »Aber ich denke, wir finden noch einige.«
»Ist es nicht seltsam«, überlegt Bruno, »dass Ruben Fux und seine Mutter fast gleichzeitig gestorben sind? Ob es da einen Zusammenhang gibt?«
»Richtig«, wundert sich Berta. »So hab ich das noch gar nicht gesehen. Ich hab nur gedacht, es ist gut, dass die alte Frau vom Tod ihres Sohnes nichts mehr mitgekriegt hat.« Sie rührt in ihrem Glas und denkt nach. »Also, dass er sich darüber so aufgeregt hat, dass er tot umgefallen ist, erscheint mir eher unwahrscheinlich. Hat er geerbt? Hatte die alte Frau Geld? Und wenn – wer erbt es jetzt? Seine Frau?«
»Geld ist immer ein Motiv«, stimmt Bruno zu. »Aber wer weiß darüber Bescheid? Die Familie? Hatte er Geschwister?«
»Warte mal! Da war doch was …« Berta rutscht aufgeregt auf der Bank hin und her. Der Kater, der sich angeschmiegt hatte, miaut empört.
»Er hatte noch einen Bruder. Wie hieß der noch? Ach, ist egal. Der ist vor Jahren tödlich verunglückt. Ist der nicht ertrunken? Bruno, du musst das doch wissen, denk mal nach. Die waren doch beide Bansiner, Ruben und sein Bruder. Die müssen doch hier zur Schule gegangen sein.«
»Ja, kann sein. Ich erinnere mich dunkel. Ich glaube, ich habe den einen mal in Mathe unterrichtet. Aber die waren ziemlich unauffällig. Und das ist wirklich ewig her.«
»Ich muss Paul mal fragen. Wenn der in der Ostsee ertrunken ist, weiß er das vielleicht. Und du, Anne kümmerst dich um die Familie.«
Die Gästeführerin verschluckt sich beinahe an ihrem Getränk, das Sophie ihr gerade hingestellt hat. »Bisschen wenig Whisky«, beschwert sie sich zunächst. »Zu viel Cola, du weißt, dass die ungesund ist.«
»Und wie soll ich das machen?«, fährt sie dann empört fort. »Ulrike kriegt man kaum zu sehen und wenn, dann ist sie voll. Und Jule? Ja, die tut mir wirklich leid.«
Eine Weile schweigen sie alle. Sie denken an das Mädchen, das innerhalb weniger Tage ihre geliebte Oma und ihren Vater verloren hat.
»Also, um die muss sich sowieso jemand kümmern. Nicht, um sie auszufragen«, fährt sie schnell fort, als ihre Nichte sie empört ansieht. »Ich denke wirklich, sie braucht jemanden zum Reden und Trösten. Hat sie überhaupt noch jemanden außer ihrer Mutter? Eine Freundin vielleicht?«
Anne zuckt mit den Schultern. »Ich sehe sie immer nur allein.« Dann sieht sie Berta erschrocken an. »Aber wenn es wirklich um Geld geht, um das Erbe von ihrer Oma, dann ist sie doch auch in Gefahr, oder? Und ihre Mutter natürlich.«
»Ja, siehst du. Sprich das Mädchen einfach mal an. Ich mache mir wirklich Sorgen um sie, nicht nur wegen des Mörders. Sie sollte nicht so allein sein.«
»Na gut. Wahrscheinlich hast du recht und sie braucht wirklich Hilfe.« Sie überlegt. »Ich werde sie einfach mal fragen, wer ihr jetzt etwas zu essen macht. Ich glaube, Ruben hat oft für die Familie gekocht. Schon, weil Ulrike dazu gar nicht in der Lage war. Und deren Zustand hat sich mit Rubens Tod vermutlich nicht gebessert.«
»Aber das ist doch furchtbar!« Sophie ist empört. »Wenn die weiter trinkt, geht alles den Bach runter. Das Mädchen kann doch nicht den Haushalt führen, Miete zahlen und das alles. Und sich auch noch um die Beerdigungen kümmern. Wie soll das gehen? Wenn sie tatsächlich niemanden hat, Tante Berta, solltest du da schleunigst eingreifen.«
»Ja, du hast recht. Vielleicht gehe ich da einfach mal hin und frage, ob sie Hilfe brauchen. Aber besser ist es natürlich, wenn Anne das Mädchen anspricht. Die kennt sie, da hat sie eher Vertrauen, denke ich. Übrigens, Miete brauchen sie nicht zahlen, das Haus hat der alten Frau Fux gehört. Wahrscheinlich hat Ruben es geerbt und jetzt – jetzt gehört es natürlich Jule und Ulrike«, fährt sie dann nachdenklich fort.
»Denkst du, das Haus könnte ein Mordmotiv sein?«, liest Sophie ihre Gedanken. »Es ist bestimmt einiges wert in der Lage. Und der Zustand scheint auch gut zu sein, jedenfalls sieht es von außen so aus.«
Anne nickt. »Ist es auch. Es wurde erst vor ein paar Jahren restauriert. Nachdem die alte Frau Fux ausgezogen ist. Da wurden neue Fenster eingesetzt, eine andere Heizung eingebaut, die Fußböden wurden erneuert, glaube ich und alles gestrichen, innen und außen. War bestimmt nicht billig, das