TEXT + KRITIK Sonderband - Digitale Literatur II. Hannes Bajohr

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A Story« (1987) und William Gibsons elektronisches Gedicht »Agrippa« (1992). Kirschenbaum rekonstruiert die Quellen und Textgeschichte der Werke anhand ihrer digitalen historischen Materialität des digitalforensischen Befundes, einschließlich der Geschichte der illegalen Vorabveröffentlichung von »Agrippa« durch Hacker auf USENET.40 Kirschenbaum überträgt digitalforensische Beweissicherungs- und Analysemethoden von Datenträgern (»forensic imaging«) in den Bereich der Philologie.41 Das Modell ist übertragbar auf digitale Literatur der Gegenwart und aktuelle Technologie: Aus der digitalen Forensik bekannte Methoden werden auch bei der Archivierung digitaler Kunstwerke angewandt, um wichtige Spuren der Bearbeitung, Prozessierung, digitalen Umgebung und deren historische digitale Materialität zu bewahren und analysierbar zu machen.42

      Statt eines Schlusses

      Digitale Literatur stellt eine Herausforderung für die Literaturwissenschaft dar, für grundlegende Kategorien wie den Text- und Literaturbegriff, für die Praxis der Analyse und Interpretation, für die Literaturgeschichte wie auch für die Archivwissenschaft. Die Integration des Gegenstandes in das Forschungsfeld der Literaturwissenschaft erfordert einen multimodalen Ansatz, der Lektüremodelle für die multiplen Analyseebenen digitaler Kunstwerke (Performanz, Code und Modell, Prozess und Funktion, ästhetisches Programm) und die ihnen eingeschriebenen historischen Dimensionen (Text- und Implementierungsgeschichte und digitalforensische historische Materialität, Archiv; Kontexte der Literatur- und Mediengeschichte, Geschichte der digitalen Literatur, Technologiegeschichte) untereinander wie auch für die germanistische Literaturwissenschaft anschlussfähig zusammenführt. Der vorliegende Beitrag hat anhand ausgewählter Forschungsliteratur Ansätze zu Lektüre-, Analyse- und Kontextualisierungsmodellen skizziert, welche in einem multimodalen Forschungsprogramm zu integrieren wären, das mediengeschichtliche und digitalforensische Ansätze sowie Critical Code Studies vereint.


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