TEXT + KRITIK Sonderband - Digitale Literatur II. Hannes Bajohr

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nicht geändert haben. Schutz aufheben? Abbrechen?«18 Damit wird der Text jenseits der Frage, ob er als gedrucktes Buch oder als E-Book gelesen wird, als digital markiert. Zudem verweist die Möglichkeit der Änderung wie die Zeitangabe im ersten Motto auf den Modus der Aktualisierung, der das Aktuelle permanent der Gefahr aussetzt, durch die nächste Version ersetzt zu werden.

      4 Gegenwart der Vergangenheit: Berit Glanz’ »Pixeltänzer« (2019)

      Die Offenheit des Romans für das Digitale und seine Inszenierung als Teil eines Textnetzwerkes entsteht nicht nur aus dieser Verknüpfung, sondern auch durch die Rahmung einzelner Textabschnitte. Einigen Kapiteln sind kurze Sequenzen Pseudoprogrammiercodes vorangestellt. Die folgende eröffnet den Roman:

      // S-Bahn-Beobachtungs-Statement

       if (IsSBahnAccelerating) {

       currentSpeed++;

       } else {

       System.out.println(»Die Frau steht am

       Fenster.«);

      Durch die Aufnahme von Elementen wie der S-Bahn und der am Fenster stehenden Frau, die im folgenden Kapitel eine Rolle spielen, wird der unmittelbare Zusammenhang des Pseudocodes und des folgenden Kapitels impliziert. Die Kapitel werden auf diese Weise als momenthafter Output des Codes inszeniert. Neben diesen Pseudocodeschnipseln gibt es weitere Kategorien von kurzen Texten, die die Kapitel einleiten: Erklärungen von Testverfahren und von IT-Projektmanagement-Techniken sowie Namen von W-LAN-Netzwerken.

      5 Ruinen des Utopischen: Juan S. Guses »Miami Punk« (2019)

      Im Zentrum von Juan S. Guses Roman »Miami Punk« steht Miami als drowning city unter umgekehrten Vorzeichen: Das Meer zieht sich zurück und hinterlässt eine wüstenähnliche Landschaft, noch die mehrere hundert Kilometer vor der Küste von Miami liegenden Bahamas-Inseln ragen als Gebirge aus einer Wüste. »Miami Punk« inszeniert eine dystopische und dabei kontrafaktische Vorwegnahme der Zukunft, die sich allerdings nur – und das ganz buchstäblich – auf ein Element bezieht. Verhandelt werden im Roman Zukunftserwartungen als Folge gegenwärtigen Handelns unter der Voraussetzung, dass diese Zukunftserwartungen nicht in Form individueller Entscheidungen und Lebensläufe ausgehandelt werden können, sondern immer schon in kollektive, mithin gesellschaftliche Prozesse eingebettet und verstrickt sind. Diese Zusammenhänge werden nicht nur in der Anlage des Romans, sondern auch in einer ganzen Reihe von Motiven diskutiert, die insbesondere den Komplex Dystopie-Utopie-Vergemeinschaftung betreffen. Dieser Komplex wird von Beginn an mit dem Digitalen assoziiert, wenn auf den Vorsatzseiten eine Karte der beschriebenen Welt aus ASCII-Zeichen gezeigt wird.


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