Perfect Imperfections. Cardeno C.
Rest des Wegs über die roten Steine bis zur Haustür.
Nachdem er geklingelt hatte, wartete Jeremy, während das Glockenspiel ertönte, und hörte dann das gewohnte Klacken von Schuhen auf Saltillo-Fliesen, bevor die schwere Holztür aufschwang.
»Jeremy, hi. Paula sagte, du würdest vielleicht auf einen Besuch vorbeikommen.«
Jeremy starrte auf den gut gepflegten und etwas vertrauten Mann, der in der Tür seiner Mutter stand, und versuchte, ihn einzuordnen.
»Ich bin Harold West.« Er streckte eine Hand aus.
Jeremy schüttelte ihm die Hand. Der Name war ihm vage bekannt, genau wie sein Gesicht. »Helfen Sie mir bitte auf die Sprünge, woher wir uns kennen«, bat Jeremy, als er ins Haus trat und Harold beiseiteschob, als er die Schwelle überschritt.
»Oh.« Harold klang überrascht. »Ich bin mir nicht sicher, ob wir einander jemals offiziell vorgestellt wurden, aber Sie kennen mich wahrscheinlich von meiner Arbeit.«
Als er über die Schulter blickte und Harold noch an der Tür stehen sah, verengte Jeremy die Augen, runzelte die Stirn und sagte dann: »Nein. Keine Ahnung. Welche Arbeit?«
»Jeremy!« Seine Mutter kam in den Raum wie eine bunte Welle aus Stoff, Make-up und Parfüm. »Natürlich erinnerst du dich an Harold. Ein Film, an dem er arbeitete, wurde vor zwei Jahren beim Sundance Film Festival gezeigt.« Sie breitete die Arme aus und wartete darauf, dass Jeremy näher kam, aber nicht so nahe, dass er ihre Seidenbluse und ihren Pashmina zerknitterte. Sobald er an sie herangetreten war, lehnte sie sich nach vorn und gab ihm nur einen Beinahekuss, denn ein echter hätte ihr Make-up ohne Zweifel verschmiert. »Und er hat diese wunderbare Miniserie gedreht, die sie im Kabelfernsehen gezeigt haben.«
»Oh.« Das war alles an Aufregung, die er wegen des Fremden im Haus seiner Mutter aufbringen konnte. »Wie geht’s dir?«
»Großartig«, sagte sie, dehnte das Wort und warf auf eine Weise lächelnd ihr Haar zurück, die eine Kamera lieben würde, aber gegenüber realen Menschen aufgesetzt und peinlich aussah.
»Paula wird mit mir an einem neuen Film arbeiten«, sagte Harold. »Er wird mit einem großen Studio gedreht. Großes Budget.«
Er warf dem Mann einen weiteren Blick zu. Dieses Mal konzentrierte sich Jeremy ein wenig länger auf ihn. Er war älter, aber nicht viel; wahrscheinlich nahe an der Vierzig. Und er sah auf eine Art gut aus, mit der er nicht aus einer Menge herausstach und mit der man ihm nicht nachschaute, aber wenn er auftauchte und einen zum Essen einlud, dann konnte man schon mitgehen. Man musste ja essen, oder? Nun, da er ihm nähere Aufmerksamkeit schenkte, erkannte Jeremy, warum Harold vertraut aussah: Es waren seine Augen. Sie hatten einen Ausdruck von Hoffnung, vermischt mit Verzweiflung und Entschlossenheit, etwas, das Jeremy in vielen der Starlets gesehen hatte, wenn sie ihm vorgestellt worden waren. Zehn Dollar darauf, dass das der neue Typ war, der das Bett seiner Mutter wärmte, jetzt, wo sein jüngster Stiefvater weg war.
»Stimmt das?«, fragte Jeremy und widmete seine Aufmerksamkeit wieder seiner Mutter. »Harold wird deinen nächsten Film drehen?« Auf keinen Fall würde seine Mutter bei einem Projekt mitmachen, das von einem Unbekannten geleitet wurde. Die Menschen mussten eine ganze Reihe von erfolgreichen Filmen und respektablen Auszeichnungen vorweisen können, bevor Paula Radcliffe sie ihrer Stärke und ihrem Talent für würdig hielt.
»Also, Schatz, sag mir, was ich getan habe, um diesen wunderbaren Besuch zu verdienen.« Seine Mutter hakte sich bei ihm ein und führte ihn durch den weiß getäfelten Eingang, den Flur hinunter, der mit Fotos von ihr während ihrer Karriere überladen war, und in den Wintergarten. Jeremy war sich nie ganz sicher, warum sie ihn so nannte, wenn man bedachte, dass sie die Seidenvorhänge immer geschlossen hielt. »Setz dich doch.« Sie wies anmutig mit dem Arm zu den weißen Sesseln, die in einer Sitzgruppe in der Mitte des Raumes angeordnet waren, und ließ sich dann langsam auf einen der Sessel sinken, wobei sie die Haltung wahrte und ihre Beine an den Knöcheln kreuzte.
»Danke.« Jeremy nahm ihr gegenüber auf einem Sessel Platz und streckte seine Beine von sich.
Harold folgte ihnen, also war er der Letzte, der den Raum betrat.
»Oh, wie unhöflich von mir«, sagte Paula und ihre Augen weiteten sich. »Ich habe vergessen, dir einen Drink anzubieten.«
»Ich brauche keinen …«
»Harold, würdest du mir den Gefallen tun und Jeremy etwas zu trinken bringen? Ich bin mir sicher, er ist ausgetrocknet.« Sie winkte ab. »Es ist wärmer als für die Jahreszeit üblich, nicht wahr, mein Lieber?«
Nach einem Moment des Zögerns, nicht ohne Frustration, da war sich Jeremy sicher, sagte Harold »Klar« und verließ den Raum.
»Ich brauche keinen Drink«, sagte Jeremy. »Ich hatte einen Eiskaffee auf dem Weg hierher.«
»Harold hat nichts dagegen. Außerdem haben wir so Zeit, allein zu reden.« Sie lehnte sich nach vorn, ihr Ausdruck wechselte von ruhig und entspannt zu misstrauisch und wachsam. »Ich glaube nicht, dass du mich je angerufen und gebeten hast, vorbeikommen zu dürfen. Was ist los? Ich weiß, dass du kein Geld brauchst.«
Was stimmte, weil Jeremy einen Treuhandfonds von seinem Großvater besaß, das ganze Anwesen seines Vaters, das immer noch mehr einbrachte, als jeder Mensch im Leben nutzen könnte, und sein eigenes Einkommen, das, wie sein Manager sagte, bald das seines Vaters übertreffen würde. Geld war nichts, was er jemals von seiner Mutter bräuchte. Offenbar war das bei ihren Besuchen eine einzigartige Qualität. Untypische Schuld traf ihn. Reg hatte recht; Jeremy musste sie öfter besuchen. »Nein, ich brauche kein Geld.« Er nahm einen tiefen Atemzug. »Ich möchte dich wissen lassen, dass ich jemanden date.«
»Oh!« Das Gesicht seiner Mutter leuchtete auf. »Das ist wunderbar. Kenne ich sie? Oder fängt sie gerade erst an?«
»Eigentlich ist er nicht im Geschäft.«
Die Aussage hing in der Luft, keiner von ihnen bewegt sich oder sprach.
»Ich habe dir eine Rum-Cola mitgebracht.« Harold betrat den Raum und hielt ihm ein Glas hin. »Ich hoffe, das ist okay.«
Jeremy bewegte seinen Blick nach oben, um dem Mann ins Gesicht zu sehen, schüttelte den Kopf, und sagte: »Ich brauche nichts.« Dann wandte er sich wieder seiner Mutter zu. Er musste ihre Reaktion beurteilen, damit er einschätzen konnte, welche Maßnahmen er ergreifen musste, um damit umzugehen.
Sich scheinbar nicht bewusst, dass eine fast erstickende Spannung in der Luft lag, zuckte Harold mit den Schultern, hob das Glas an die Lippen, neigte es und schluckte die Flüssigkeit herunter. Sobald das Glas leer war, schlurfte er zu einem der Sessel und setzte sich hin. »So.« Er blickte zwischen Jeremy und seiner Mutter hin und her. »Was habe ich verpasst?«
Mit erhobenen Augenbrauen wartete Jeremy darauf, dass seine Mutter reagierte. Er war sich fast sicher, dass sie einen Anfall kriegen und schreien würde, aus welchem Grund auch immer, aber dann überraschte sie ihn, indem sie zufrieden aussah und sagte: »Jeremy fing gerade an, mir von seinem neuen Freund zu erzählen.«
»Jeremy Jameson ist schwul?«, fragte Harold kalt erwischt.
Ohne eine Pause entstehen zu lassen, wandte sich Jeremys Mutter zu ihm und sagte: »Liebling, was ist deine bevorzugte Bezeichnung? Wir wollen sicherstellen, dass wir es richtig ausdrücken, wenn die Presse fragt.« Sie hielt inne und schaute scharf zu Harold. »Nicht wahr, Harold?«
»Äh, ja.« Er nickte. »Richtig.«
»Und, bitte, verrate uns den Namen deines Freundes.«
Erleichtert darüber, dass er die Unterstützung seiner Mutter hatte, so ungewöhnlich das auch war, entspannte sich Jeremy langsam und begann, von Reg zu erzählen. Er war überrascht, immer noch Details mitzuteilen, als Reg eine Stunde später, wie versprochen, anrief. Anscheinend hatte er in der kurzen Zeit, die sie zusammen verbracht hatten, viel mehr über den lässigen Mann erfahren, als er gedacht hatte.
Kapitel 4
»Hey, kleiner