Perfect Imperfections. Cardeno C.
Er verschränkte seine Arme und fragte: »Wie lange arbeiten wir schon zusammen?«
»Äh.« Zahlen waren nie Jeremys Stärke gewesen. »Ich weiß es nicht. Seit Roger in den Ruhestand gegangen ist und du seine Mandanten übernommen hast. Wann war das?«
»Vor acht Jahren«, antwortete Bill hilfsbereit. »Also acht Jahre schon. Und in all der Zeit, hast du da jemals meine Frau kennengelernt?«
Jeremys Blick schoss zu seinem nackten Ringfinger und er fragte: »Du bist verheiratet?«
»Nein.«
»Oh.«
»Aber wenn ich je heirate, dann wird es ein Mann sein.«
»Du bist schwul?«
»Ja, ich bin schwul.«
»Wieso wusste ich das nicht?«, erwiderte Jeremy.
»Ich fahre auch gerne Ski und in meiner Freizeit, die sehr begrenzt ist, weil ich sieben Tage die Woche für dich arbeite, bin ich ein ziemlich guter Koch. Du wusstest diese Dinge nicht, weil sie, genau wie die Sache, mit wem ich zusammen bin, nichts mit unserer Arbeit zu tun haben.«
Er fühlte sich schuldig, weil er sich nicht mehr für eine Person interessiert hatte, die er so lange kannte und die so viel für ihn tat. Er öffnete den Mund, um sich zu entschuldigen, aber Bill hielt die Hand hoch und hielt ihn auf.
»Ich bin ein verdammt guter Manager, Jeremy. Ich verstehe, dass du mit familiären Verbindungen und einer großen Portion Talent geboren wurdest, aber du bist nicht die einzige Person, die das hat. Da hinzukommen, wo du bist, geschah nicht von allein, auch wenn man sich vielleicht nicht immer daran erinnert.«
»Das weiß ich. Es gibt immer eine Crew um mich herum, die mir sagt, wie ich mein Leben leben soll. Glaubst du, ich weiß das nicht?« Nun, das war das Gegenteil einer Entschuldigung. Mist. Jeremy atmete tief durch. »Tut mir leid. Ich wollte nicht … «
»Doch, wolltest du, und es ist in Ordnung. Es ist nicht das erste Mal, dass du mich angeschnauzt hast, und es wird nicht das letzte Mal sein. Wenn wir hier fertig sind, verschwinde aus meinem Büro, damit ich herausfinden kann, wie ich das ganze Jeremy-Jameson-ist-schwul-Ding so drehen kann, dass ich es später zu Ende bringen kann, ohne Leute auf beiden Seiten des Zauns zu beleidigen.«
»Was meinst du?«
Bill verlor seine Geduld, seine steife Haltung und verkniffener Gesichtsausdruck machten das deutlich. »Es bedeutet, dass die Homophoben sauer sein werden, dass du schwul bist, und diejenigen von uns, die tatsächlich schwul sind und sich mit allem beschäftigt haben, werden sauer sein, wenn du deine Einstellung darüber änderst, als ob deine sexuelle Orientierung eine Jacke sei, die du aus- und anziehen kannst, wann immer du willst.«
»Das ist nicht das, was ich tue. Ich will kein Statement abgeben. Ich will nur …« Jemanden haben, mit dem er jede Nacht in verschiedenen Städten schlafen konnte, jemanden, der ihm Gesellschaft leistete und ihn zum Lachen brachte, jemanden, der ihn daran erinnerte, dass das, was er tat, Spaß machte, und keine lästige Pflicht war. »Ich will Reg bei mir auf dieser Tour haben.« Jeremy stand auf, fuhr sich durch die Haare und sagte: »Die Presse kann das Label verwenden, das sie will, aber ich ändere meine Meinung nicht. Ende der Geschichte. Sorg dafür, dass es funktioniert.«
Er hatte einen Fuß aus der Tür, als Bill sagte: »Vergiss nicht, dass du deiner Mutter davon erzählen musst, okay? Wir können sie hysterisch nicht gebrauchen, wenn sie von einem anderen vor der Kamera von deinem Freund erfährt.«
Verdammt. Er hasste es, wenn Bill mit etwas recht hatte, was er nicht tun wollte. Und über all das zu reden, vor allem über sein Privatleben mit einer Frau, die ihr Leben mit Wodka und Valium verbrachte, fiel definitiv in diese Kategorie. »Alles klar.« Jeremy ließ die Schultern hängen angesichts des Besuchs, den er hinter sich bringen musste. »Ich kümmere mich darum, Paula Radcliffe Bescheid zu sagen. Du beschäftigst dich mit dem Rest der Welt.«
»Ich habe den leichten Teil bekommen«, neckte Bill ihn. »Ich weiß.«
***
Jeremy stand außerhalb der steilen, geschwungenen Stufen, die zum spanischen Kolonialhaus in Hanglage führten, wo seine Mutter wohnte, und kämpfte damit, sich zur Haustür zu bewegen. Seine Anspannung stieg mit jeder Minute, die er draußen stand, und er starrte auf die akribisch getrimmten Sträucher. Er nahm seinen Hemdkragen in den Mund und dachte darüber nach, wieder in sein Auto zu steigen und das mit einem Telefonanruf zu erledigen oder, besser noch, Bill zu sagen, jemand anderes zu schicken, um mit seiner Mutter zu reden. Als sein Handy klingelte, atmete er erleichtert auf und ging schnell ran.
»Hallo.«
»Hey, Superstar, wie läuft das Leben? Hast du deine Meinung schon geändert?«
Sein Lächeln kam sofort als Reaktion auf Regs tiefe, fröhliche Stimme. »Ich ändere meine Meinung nicht. Wenn du früher herkommen könntest, wäre das großartig.«
»Wie viel früher?«
Jeremy rieb sich über sein Gesicht und blickte wieder zum Haus. »Jetzt?« Er hustete. »Ich scherze. Ich wünschte nur, du könntest hier sein, um mit meiner Mutter zu reden, anstatt mit mir zu reden, oder wenigstens um das Leid zu teilen, damit wir uns gemeinsam erholen können.«
»So schlimm kann es nicht sein. Deine Mutter scheint sehr nett zu sein.«
»Wegen der Interviews?« Er schnaubte. »Meine Mutter ist eine sehr, sehr gute Schauspielerin. Jedes Mal, wenn du sie im Fernsehen gesehen hast, kannst du darauf zählen, dass sie eine Rolle gespielt hat, auch wenn es die Rolle von Paula Radcliffe war. Im wirklichen Leben hat sie einen Nervenzusammenbruch, wenn sie denkt, dass ihre Angestellten reduzierte Diät-Cola anstelle von Vollpreis-Diät-Cola gekauft haben, weil sie sicher ist, dass sie verschieden schmecken.«
»Mann, ihr Reichen seid seltsam.«
»Nicht ich, sondern sie«, sagte Jeremy abwehrend. »Ich bin vollkommen nor…«
»Alter, sie ist deine Mom. Zieh deine Big-Boy-Hose an, betreib Smalltalk und zieh dann ab. Mach aus einer Mücke keinen Elefanten und dreh nicht durch.«
Jeremy verzog frustriert die Lippen über Regs mangelndes Mitgefühl und dennoch völlig vernünftige Einschätzung der Situation und tat den ersten Schritt. »Gut. Aber du musst mich in genau fünfzehn Minuten anrufen, damit ich so tun kann, als gebe es einen Notfall, damit ich fliehen kann.«
»Wann hast du das letzte Mal mit deiner Mom rumgehangen?«
»Rumgehangen?« Er schnaubte. »Leute hängen nicht mit Paula Radcliffe herum.«
»Hör auf, ein eingebildetes Miststück zu sein, und beantworte meine Frage.«
Niemand hatte jemals so mit Jeremy gesprochen. Reg behandelte ihn wie einen Kumpel, einen Gleichgestellten, einen normalen Kerl. Er liebte es. »Ich weiß es nicht.« Er zuckte mit den Schultern, obwohl Reg ihn nicht sehen konnte. »Vor ein paar Monaten wahrscheinlich. Woher soll ich das wissen?«
»Ihr lebt beide in L.A. und habt euch seit Monaten nicht gesehen?« Reg klang entsetzt. »Nicht cool.«
»Du verstehst das nicht.«
»Ich habe auch eine Mutter, Superstar, und ich sehe sie mindestens ein paarmal pro Woche. Kneif die Arschbacken zusammen und benimm dich wie ein anständiger Sohn.«
»Gut.« Mit zusammengepressten Lippen stapfte Jeremy die Treppe hinauf. »Aber du rufst mich in fünfzehn Minuten an, oder?«
»Du hast deine Mutter seit Monaten nicht gesehen. Du hast Glück, wenn ich in einer Stunde anrufe. Hör auf, zu meckern, und mach hinne.«
»Aber …«
»Bis später.« Er legte auf.
Jeremy knurrte. »Verdammt.« Obwohl er sich umdrehen wollte, hatte sein Manager recht: Er musste mit seiner Mutter reden und die Schadensbegrenzung hinter der Kamera betreiben, damit sie ihr charmantes Selbst vor der