Moderationsmethode und Zukunftswerkstatt. Ulrich Dauscher

Moderationsmethode und Zukunftswerkstatt - Ulrich Dauscher


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verwendet wird, hat mit der Einpunktfrage kaum mehr etwas zu tun. Sie dient meistens zur Schwerpunktbildung nach einer sortierten Kartenabfrage (s. S. 45) oder in einem „Speicher“, einem Plakat, in dem Themen, Fragen oder Ideen aufgelistet sind, die z. B. aus einer Kartenabfrage entstehen. Sie dauert ca. fünf bis zehn Minuten.

       Durchführung

      Der Ideenspeicher im Beispiel ist in vier Spalten aufgeteilt, sodass Felder für die Ideen, die Punkte, die Punktsumme und die Rangfolge vorhanden sind.

      Jedes Gruppenmitglied erhält eine bestimmte Menge von Punkten, die es frei verteilen kann, d. h. dass auch alle Punkte hinter eine einzige Idee geklebt werden können. Die Anzahl der Punkte, die ein Teilnehmer erhält, richtet sich nach der Menge der zu gewichtenden Kriterien und nach der Gruppengröße. Als Faustregel kann benutzt werden:

      Anzahl der Punkte ≤ Anzahl der Themen / 2, d. h. dass im Beispiel bei sechs Ideen drei Punkte pro Teilnehmer ausgegeben werden. Dadurch soll eine annähernde Normalverteilung erhalten werden. Werden zu viele bzw. zu wenige Punkte ausgegeben, so kann das Ergebnis nichts sagend werden.

      Die Menge wird bei vielen Themen und / oder vielen Teilnehmern reduziert.

       Auswertung

      Die Auswertung des Ergebnisses wird, wie immer, von der Gruppe übernommen. Die Moderatoren achten darauf, dass die Mehrpunktfrage nicht als Abstimmungsverfahren missbraucht wird: Sie soll ein Bild der Gruppenmeinung liefern, auf dessen Basis die Gruppe dann weiterarbeiten kann.

      Um das Konsensprinzip zu achten, stellen die Moderatoren, wenn Entscheidungen über das weitere Vorgehen getroffen werden, die Frage, ob damit wichtige Interessen eines Einzelnen vernachlässigt würden.

       Frageformulierung beachten

      Das Beispiel zeigt auch sehr schön die Wichtigkeit der Frageformulierung. Die Frage „Welche Ideen sind am besten zur Lösung des Problems geeignet?“ führt nicht zu einem Ergebnis, aus dem abgelesen werden kann, auf welche Maßnahmen die Gruppe im Augenblick Wert legt. Bei der Frage „Welche Ideen wollen wir durchsetzen?“ hätte z. B. die Abmarkierung der Kreuzungen, die verhältnismäßig leicht zu erreichen ist, vielleicht eine ganz andere Bewertung bekommen.

       Ziele

      Da die Kommunikation in der Großgruppe „Plenum“ eher schwerfällig ist, ist es sinnvoll, die vertiefte Be- und Erarbeitung von Problemen, Ideen und Lösungsansätzen Kleingruppen zu überlassen. Dabei können unterschiedliche Bereiche vertieft werden, es können aber auch mehrere Kleingruppen am selben Thema arbeiten, sodass es unter unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet wird.

       Aufteilung

      Die Aufteilung findet oft nach der Sammlung und Bewertung von Stichpunkten im Plenum statt (z. B. nach einer Karten- und Mehrpunktfrage). Die Gesamtgruppe bildet mehrere Untergruppen zu drei bis fünf, in Ausnahmefällen bis zu neun Personen, die nach Zufall, Themeninteresse, Sympathie oder den Funktionen der Teilnehmer zusammengesetzt sein können. Dabei sollte in einer längeren Moderation darauf geachtet werden, dass nicht immer die gleichen Menschen miteinander arbeiten, sodass neue Anregungen möglich werden.

      Die optimale Gruppengröße richtet sich nach der Bereitschaft der Teilnehmer, dem Thema und dem Ziel, das mit der Kleingruppenarbeit erreicht werden soll. Einerseits ist in einer Gruppe umso mehr Kompetenz versammelt, je größer sie ist. Andererseits sinkt zugleich die Beteiligung der Mitglieder und Einzelne beginnen zu dominieren, sodass mehr Leute meist nicht mehr, sondern weniger Leistung bieten. Als Anhaltspunkt kann von einer Gruppengröße von vier bis fünf Teilnehmern ausgegangen werden. Bei Kreativitätsproblemen kann manchmal die Zahl erhöht, bei relativ klarer Sachlage, die vor allem der logischen Weiterentwicklung und Ausarbeitung bedarf, gesenkt werden (s. auch S. 85, 88).

      Die Kleingruppen halten sich, soweit dies möglich ist, im gleichen Raum, nur durch die Stellwände abgegrenzt, auf. Dadurch ist einerseits die Möglichkeit gegeben, dass kurzfristig Kontakt mit anderen Gruppen aufgenommen werden kann, andererseits bildet sich auf diese Weise ein gemeinsames Arbeitstempo heraus. Die zur Verfügung stehende Zeit beträgt etwa 20 bis 60 Minuten, je nach Erfahrung der Teilnehmer und Problemstellung.

      Die Kleingruppe stellt als Ergebnis ein Interaktionsszenario, eine Präsentation oder eine Mischung aus beiden her.

       Interaktionsszenario

      Ein Interaktionsszenario ist eine eigene kleine Moderation, die die Kleingruppe mit dem Ziel entwirft, das Plenum zu einer bestimmten Problemlösung zu befähigen. Es könnte etwa aus einer Einpunktfrage, einer Mind-Map mit nachfolgendem Gewichten und dem Erstellen eines Tätigkeitskataloges bestehen. Natürlich setzt ein Interaktionsszenario bei der Gruppe Fähigkeiten in der Moderation voraus.

       Präsentation

      Eine Präsentation stellt die Kleingruppenergebnisse für das Plenum dar. Das Ziel ist dabei nicht eine vollständige Abhandlung des Themas, sondern das Schaffen einer Grundlage, die vom Plenum weiterbearbeitet werden kann; evtl. diskutiert nach der Rücksprache mit dem Plenum die Kleingruppe noch weiter.

      Die Erstellung einer Präsentation hat zwei Funktionen:

      • Didaktisch gesehen wird ein Teilaspekt so aufbereitet, dass er der Gesamtgruppe unter einem bestimmten Gesichtspunkt vorgestellt werden kann. Es werden also z. B. Ursachen oder Folgen eines Problems im Zusammenhang gezeigt.

      • Heuristisch gesehen ermöglicht der Versuch, etwas optisch darzustellen, den Ausbruch aus festgefahrenen Denkstrukturen und erschließt neue Erkenntnisse für die Mitglieder der Kleingruppe und dadurch auch für das Plenum.

       Ergebnisvorstellung

      Die Ergebnisse werden jeweils von zwei Mitgliedern der Gruppe vorgestellt. Diese können sich vor dem Plenum gegenseitig unterstützen; es entsteht nicht der Eindruck, die Präsentation stelle die Ansicht eines einzigen Gruppenmitglieds dar. Unterdessen können die Plenumsteilnehmer ihre Gedanken auf Kärtchen (Ovale) schreiben, die nach dem Vortrag auf die Freifläche gepinnt werden, sodass sich Kleingruppe und Plenum gegenseitig anregen.

       Moderatoren

      Während der Gruppenarbeit halten sich die Moderatoren so weit wie möglich heraus. Sie helfen lediglich methodisch, wenn eine Gruppe in eine Sackgasse gerät.

      Ihre Rolle bei der Vorbereitung der Gruppenarbeit richtet sich nach der Erfahrung der Teilnehmer.

      Bei ungeübten Teilnehmern, hierarchisch gegliederten oder relativ großen Gruppen geben sie präzise, visualisierte Arbeitsanweisungen. Diese beziehen sich auf die Art der Ergebnisse und auf die Vorgehensweise, selbstverständlich nicht auf den Inhalt. Vorgegeben werden können Spielregeln, die Form, in der die Gruppe dem Plenum ihre Arbeit vorstellt (z. B. Netz oder Mehr-Felder-Tafel), oder die Perspektive, aus der sie das Problem betrachten soll, z. B. die „Kirchturmperspektive“ (ein Gesamtüberblick), die „Wandererperspektive“ (wichtige Gesichtspunkte im Zusammenhang) oder die „Lupenperspektive“ (detaillierte Darstellung, Vorschläge nach Schnelle-Cölln 1983, S. 55).

      Die Vorgaben engen zwar die Gruppe ein, geben ihr aber in gewisser Weise erst die Möglichkeit, das Thema umfassend zu behandeln. Diese Paradoxie wird verständlich, wenn man berücksichtigt, dass die Gruppenteilnehmer ja normalerweise an ein Diskussionsschema gewöhnt sind, das es Vielrednern erlaubt, den Gesprächsgegenstand zu bestimmen. Durch die Vorgabe von Regeln wird verhindert, dass sich die Diskussion an einzelnen Punkten festfährt.

      Je besser die Teilnehmer sich in der Moderationsmethode auskennen, desto weniger müssen die Moderatoren vorgeben. Vorschläge oder Anregungen können durchaus genügen.


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