Moderationsmethode und Zukunftswerkstatt. Ulrich Dauscher
Beiträge zu äußern. Diese Hemmungen können in Verbindung mit dem Thema stehen, können aber auch in der Zusammensetzung der Gruppe begründet sein, etwa wenn Hierarchien bestehen.
Das laute Äußern der Beiträge führt ferner dazu, dass sich die Teilnehmer gegenseitig beeinflussen bzw. anregen. So wird einerseits die Bandbreite der Antworten gegenüber der Einzelarbeit in der Kartenabfrage eingeschränkt, andererseits können Gedanken anderer aufgegriffen und weiterentwickelt werden.
– Wenig Zeit zum Nachdenken
Der zweite wichtige Unterschied besteht darin, dass die Zuruffrage dem Einzelnen kaum Zeit zum Nachdenken gewährt. Während in der Kartenabfrage in Ruhe überlegt werden kann, stören in der Zuruffrage die Beiträge der anderen Teilnehmer. Sie kann also vor allem dann eingesetzt werden, wenn das Nachdenken unnötig oder auch unerwünscht ist.
Anwendung
Aus diesen Unterschieden können zwei Anwendungsschwerpunkte für die Zuruffrage abgeleitet werden.
– Bekanntes
Sie kann einerseits verwendet werden zum schnellen Zusammentragen von Aspekten, die für die Teilnehmer schon weit gehend klar sind. Vor allem wenn die Gruppe auch außerhalb der Moderation zusammenarbeitet, können auf diese Weise Themen für die Veranstaltung („Was sollte heute besprochen werden?“) oder schon ausdiskutierte Gesichtspunkte zusammengetragen werden. Die geringe Zeit zum Nachdenken fällt dann nicht ins Gewicht, Mehrfachnennungen werden vermieden, insgesamt wird gegenüber der Kartenabfrage Zeit gespart.
In diesem Einsatzbereich wird die Zuruffrage meist mit einem vorbereiteten Plakat durchgeführt (s. Bild). Die durchnummerierten Felder schaffen ein wenig Ordnung und ermöglichen so einen besseren Überblick als beim Mitschreiben auf einem ungegliederten Plakat. Sie erleichtern außerdem ein späteres Sortieren der Antworten, die Teilnehmer können den Moderatoren die Nummern der zusammengehörenden Punkte zurufen.
Die Felder lassen sich sehr schnell erstellen, indem man ein leeres Plakat viermal hintereinander in der Mitte faltet. So entstehen 16 Zeilen, die bei Bedarf durch einen Strich geteilt werden können.
Sollen Themen gesammelt werden, können sie direkt in einen Themenspeicher (Bilder S. 63, 96) geschrieben werden.
– Neues
Der andere Anwendungsschwerpunkt ist merkwürdigerweise dem Zusammentragen von Bekanntem genau entgegengesetzt: das kreative Entwickeln von Ideen. Wird die Zuruffrage in der Art eines Brainstormings (s. S. 85) durchgeführt, so ist die Anregung der Teilnehmer durch die Beiträge der anderen und die geringe Zeit zum Nachdenken erwünscht. Im ersten Einsatzbereich ist es nicht nötig, die eigenen Antworten zu überdenken, im Brainstorming soll die „Schere im Kopf“ ausgeschaltet werden, die originelle Gedanken möglicherweise zensiert.
Zu einem Brainstorming sollte das Plakat nicht vorstrukturiert werden. Durch die Einteilung in Felder haben die Teilnehmer ständig eine Ordnung vor Augen, also etwas, das sie in ihrem Denken gerade vermeiden sollen.
Die Zuruffrage kann natürlich nicht nur in diesen beiden Bereichen eingesetzt werden. Sie stellen nur besondere Schwerpunkte dar. Weitere Anwendungsmöglichkeiten können je nach Situation anhand der herausgearbeiteten Charakteristika überprüft werden.
5.3 Mind-Maps
Kurzbeschreibung
Die Mind-Map ist keine typische Methode der Moderation. Sie wurde ursprünglich von Tony Buzan entwickelt, um Gedanken aufschreiben zu können, ohne sich dabei an eine bestimmte Reihenfolge halten zu müssen. In der Gestaltung ähnelt sie sehr stark dem Netz (S. 32). Durchgeführt wird sie als eine Art Zuruffrage. Die Teilnehmer rufen den Moderatoren Stichpunkte zu, die diese in bereits klar gegliederter Darstellung aufschreiben.
Ziele
Die Ziele der Mind-Map ähneln denen der Karten- und Zuruffrage. Inhaltlich dient sie zum schnellen und strukturierten Zusammentragen von Informationen, gruppendynamisch gesehen werden die Teilnehmer aktiviert. In den Anwendungsmöglichkeiten und Wirkungen steht sie zwischen Karten- und Zuruffrage. Darüber hinaus kann sie aber auch zum Mitskizzieren mündlicher Diskussionen verwendet werden.
Mind-Map auf Zuruf
Die Mind-Map beginnt in der Mitte des Plakats. Die Frage oder das Thema wird groß ins Zentrum geschrieben und eingerahmt. Die Moderatoren erklären das Vorgehen und lassen sich zunächst zwei oder drei Hauptaspekte zurufen, die sie auf dicke Äste schreiben, die von der Mitte ausgehen. Anschließend nennen die Teilnehmer in beliebiger Reihenfolge weitere Hauptaspekte und Einzelpunkte; bei den Einzelpunkten sagen sie jeweils dazu, welchem Ast (Hauptaspekt) der Zweig hinzugefügt werden soll. Bei ihren Antworten verwenden sie Stichworte; im Gegensatz zur Kartenabfrage sind diese hier gut interpretierbar, da sie in ihren Zusammenhängen sichtbar werden.
Während des Sammelns sorgen die Moderatoren dafür, dass die Gedanken möglichst ungehindert und schnell fließen können. Sie achten weder auf Klarheit der zugerufenen Begriffe noch auf Konsens bei der Zuordnung von Gedanken, sondern sie schreiben sofort mit. Dabei lassen sie nur zwei Zuordnungsebenen zu, Äste und Zweige. Weitere Verzweigungen sind bei dieser Form der Mind-Map problematisch, da dadurch zu viel Aufmerksamkeit auf die Struktur gelenkt würde. Verästelungen führen hier entweder zu Unübersichtlichkeit und Durcheinander oder sie drosseln das Tempo, da immer wieder darauf geachtet werden müsste, wo Beiträge genau zugeordnet werden müssten.
Sind an einem Ast keine Zweige mehr unterzubringen, wird ein zweiter mit der gleichen Bezeichnung an einer anderen Stelle des Plakats eingefügt.
Wenn die Zurufe der Teilnehmer nachlassen, fragen die Moderatoren nach, ob weitere Hauptaspekte übersehen wurden, was durch die gegenseitige Beeinflussung der Teilnehmer leicht passieren kann. Auch die aufgeschriebenen Begriffe werden überprüft: sind sie auch nach einigen Tagen noch klar und eindeutig verständlich? Anschließend können Zusammenhänge zwischen einzelnen Punkten durch Pfeile oder Linien verdeutlicht werden. Die Weiterbearbeitung kann, wie in der Kartenabfrage, über Bewertungen oder Ausformulierungen eingeleitet werden.
Mind-Map und Zuruffrage
Die Mind-Map nutzt die gegenseitige Anregung der Teilnehmer aus, ist aber zugleich übersichtlicher und klarer strukturiert als eine Zuruffrage. Diese Übersichtlichkeit ermöglicht eine gewisse Distanzierung vom Vorhandenen: Es beeinflusst zwar die eigenen Gedanken, man kann aber auch gezielt nach fehlenden Beiträgen suchen. Insofern kann mit einer Mind-Map ein Thema bei Weitem umfassender abgedeckt werden als mit einer Zuruffrage. Zugleich sind aber ungewöhnliche, aus dem Rahmen fallende Ideen unwahrscheinlicher. Die klare Gliederung unterstützt logisches Denken und gibt durchaus auch Anhaltspunkte für das Entwickeln neuer Ideen, strukturiert aber die Gedankengänge zu stark, um „verrückte“ Einfälle zu fördern.
Mind-Map und Kartenabfrage
Im Vergleich zur Kartenabfrage ist eine Mind-Map mit einem Zeitbedarf von ca. 15 bis 25 Minuten wesentlich schneller. Da die Beiträge sofort sichtbar und zugleich klar strukturiert sind, kann das Thema gründlicher bearbeitet werden. Die Vollständigkeit einer Mind-Map erreicht eine Kartenabfrage auch mit zwei Schreib- und Ordnungsphasen wahrscheinlich nicht. Andererseits fehlt der Mind-Map die Möglichkeit der Anonymität, sodass die gleichen Einschränkungen wie bei der Zuruffrage gelten (s. S. 52).
Ein weiterer Unterschied