Moderationsmethode und Zukunftswerkstatt. Ulrich Dauscher

Moderationsmethode und Zukunftswerkstatt - Ulrich Dauscher


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bei dieser Regel besteht darin, zu bestimmen, was eine Störung ist und wann der Moderator eingreifen muss. Wenn jedes noch so kleine Knirschen ans Licht gezerrt und behandelt wird, dann ist das überzogen und stört seinerseits die Zusammenarbeit. Daher eine Konkretisierung: Eine Störung in einer Moderation ist dann (akut) behandlungsbedürftig, wenn sie die inhaltliche Zusammenarbeit klar stärker belastet, als es ihre Thematisierung als Störung tun würde.

       Situativ handeln

      Die mechanische Anwendung der aufgeführten (und anderer) Verhaltensregeln für den Moderator führt wahrscheinlich bestenfalls zu einer mittelmäßigen Moderation. Flexibilität beinhaltet die Beherrschung und vor allem das Verstehen der „Technik“, auf deren Basis dann die „Kür“ aufgebaut werden kann. Man muss, je nach Situation, auch einmal alle Regeln über Bord werfen können, vielleicht auch eine Zeit lang die Moderation aufgeben, um z. B. Streitgespräche führen zu lassen.

       5. Frage- und Antworttechniken

      Die Frage- und Antworttechniken sind gewissermaßen standardisierte Verfahren, den Austausch der Gruppe mithilfe der Visualisierung zu ermöglichen. Vorgestellt werden Karten- und Zuruffragen, Mind-Map, Punktabfragen sowie Möglichkeiten der Kleingruppenarbeit.

       Kurzbeschreibung

      Bei einer Kartenabfrage wird an einer Pinnwand eine visualisierte Frage gestellt. Die Teilnehmer erhalten oder holen sich Kärtchen (Rechtecke) und schreiben ihre Antworten darauf. Diese werden eingesammelt, sortiert und mit Oberbegriffen versehen, die den Inhalt der entstandenen Rubriken grob kennzeichnen.

       Ziele

      Diese Form der Abtrage hat aut der Sachebene zum Ziel, informationen (Probleme, Erwartungen, Ideen …) zu erfragen und zu ordnen. Gruppendynamisch gesehen aktiviert sie die Teilnehmer und stellt Transparenz her. Die Gruppenmitglieder sehen, was andere denken, und erfahren möglicherweise, dass es diesen genauso geht wie ihnen selbst. Dadurch kann Vertrauen und gutes Klima für die Zusammenarbeit entstehen.

       Anonyme Kartenabfrage

      Die Kartenabfrage gibt es in mehreren Varianten. Die vielleicht typischste und am weitesten verbreitete Form ist die anonyme Kartenabfrage. Bei ihrer Durchführung wird darauf geachtet, dass die Schreiber der Kärtchen anonym bleiben. Dies ermöglicht einerseits der Gruppe, Hierarchien zu umgehen, andererseits dem Einzelnen, auch einmal einen Versuchsballon zu starten, ohne Gefahr zu laufen, sich zu blamieren.

       1. Ziel klären

      Als Erstes erklären die Moderatoren das konkrete Ziel des Moderationsschrittes. Normalerweise wird eine Kartenabfrage durchgeführt, um eine große Menge von Informationen zusammenzutragen, sie zu strukturieren und so eine Grundlage für die weitere Arbeit zu erhalten. Den Teilnehmern muss dieses Ziel bekannt sein und sie müssen ungefähr wissen, wie danach weitergearbeitet wird. Unklarheiten können im späteren Sortieren zu Zeitverlusten führen (s. u.).

       2. Frage stellen

      Als Zweites wird auf einer Pinnwand eine visualisierte Frage gestellt und erläutert. Die Teilnehmer sollen sie auf Kärtchen beantworten. Falls sie mit der Vorgehensweise noch nicht vertraut sind, geben die Moderatoren drei Regeln vor:

      Drei Zeilen passen gerade auf ein Kärtchen (s. S. 25), sieben Worte sind erfahrungsgemäß noch gut lesbar. Pro Kärtchen darf nur ein Gedanke aufgeschrieben werden, da das Sortieren sonst nicht möglich ist. Halbsätze werden verwendet, da sie im Vergleich zu bloßen Stichworten das Verständnis erleichtern; wenn nur „Halbsätze“ auf dem Kärtchen stünde, wäre nicht klar, was damit gemeint ist.

       3. Fragen beantworten

      Die Teilnehmer schreiben, jeder für sich, ihre Antworten auf. Dazu benötigen sie ca. 10 bis 15 Minuten. Inzwischen stellen die Moderatoren eine weitere Pinnwand auf und hängen auf beide Tafeln durchnummerierte Ovale, unter die später die Antworten gepinnt werden.

       4. Sortieren

      Wenn die Teilnehmer fertig sind, sammeln die Moderatoren die Karten ein und mischen sie, sodass nicht mehr festzustellen ist, wer welche Stichpunkte geschrieben hat. Die erste Karte wird gezeigt, vorgelesen und unter das erste Oval geheftet. Bei der zweiten wird gefragt, ob sie inhaltlich zur ersten gehöre, bei den folgenden rufen die Teilnehmer den Moderatoren jeweils die Nummer der Kategorie zu, der der Stichpunkt zugeordnet werden soll. Während des Sortierens lernen die Teilnehmer so die Beiträge der anderen kennen.

      Die Moderatoren mischen sich nicht in das Strukturieren ein, sondern überlassen es völlig der Gruppe. Sie ordnen nicht unbedingt auf den schnellsten Zuruf zu, sondern lassen den Teilnehmern Zeit, achten auf andere Ansichten und nonverbale Unmutsäußerungen. Zugleich versuchen sie aber, das Sortieren so flüssig wie möglich zu halten.

      Ist der Inhalt eines Kärtchens unklar, wird die Frage „Was könnte das bedeuten?“ an alle gestellt. Der Autor muss anonym bleiben können.

      Das Kriterium, nach dem sortiert wird, kann je nach Bedarf unterschiedlich gewählt werden. „Inhaltliche Zusammengehörigkeit“ ist unspezifisch. Genauer wäre etwa, welche Punkte gemeinsam behandelt werden könnten, den gleichen Problemhintergrund hätten o.Ä.

       5. Oberbegriffe bilden

      Schließlich werden Oberbegriffe für die entstandenen Cluster gesucht. Sie werden in Zweiergruppen (Sitznachbarn) formuliert und vom Plenum kurz überprüft. Dafür müssen, je nach der Menge der Kategorien, etwa zehn Minuten eingerechnet werden. Plenumsarbeit wäre zur Begriffsbildung wesentlich langsamer: Die Bezeichnungen müssten nacheinander statt parallel erarbeitet werden und die Großgruppe neigt viel zu sehr zu unnötigen Diskussionen um exakte Formulierungen.

      Das Benennen von Oberbegriffen ist meistens unverzichtbar. Da im Sortieren ausgehend von Einzelaspekten (Kärtchen) etwas Übergreifendes (Cluster) entsteht, sind die Kategorien selten vollständig, d. h. sie enthalten wahrscheinlich nicht alle wesentlichen Einzelaspekte. Um die Ergebnisse zu vervollständigen, müsste der Vorgang umgekehrt werden: Nachdem im ersten Schritt aus Einzelheiten ein Ganzes entwickelt wird (induktives Vorgehen), müssten im zweiten Schritt vom Ganzen ausgehend die Einzelheiten ergänzt werden (deduktives Vorgehen). Das muss nicht unbedingt methodisch vollzogen werden, also etwa mit einer zweiten Kartenabfrage zur Ergänzung der Cluster. Die Kategorienbezeichnung muss aber klar sein, sodass die Basis der Weiterarbeit nicht nur aus irgendwie zusammengefügten Stichpunkten besteht. Wenn die Oberbegriffe präsent sind, können die Teilnehmer bei Bedarf jederzeit Ergänzungen vornehmen.

      – Schwierigkeiten beim Sortieren

      Das Sortieren der Beiträge kann bei dieser Form der Kartenabfrage Zeit raubend sein.

      In geübten Gruppen ist es meist problemlos. Man kann pro Kärtchen etwa 20 bis 30 Sekunden für das Ordnen kalkulieren. Nachdem diese Zeit ja nicht nur für das Rubrizieren „verloren geht“, sondern die Teilnehmer zugleich die Beiträge der anderen kennen lernen, ist der Aufwand durchaus akzeptabel.

      Anders verhält es sich bei Teilnehmern, die diese Methode das erste Mal erleben. Hier kann das Sortieren sehr zäh werden und das Verfahren wird leicht als ineffizient erlebt. Dafür gibt es mindestens drei Ursachen.

      Erstens können sich die Teilnehmer wahrscheinlich nicht genau vorstellen, wie das Verfahren funktioniert und was genau dabei herauskommen soll. Daher versuchen sie, die Beiträge möglichst exakt zu ordnen, um keine Fehler zu machen. Da aber viele


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