Moderationsmethode und Zukunftswerkstatt. Ulrich Dauscher
in die Frage einzudenken und setzt sich intensiv damit auseinander, noch bevor man sich mit anderen darüber verständigt. Daraus entsteht für die Teilnehmer ein anderes Erlebnis als beim gemeinsamen Erarbeiten eines Themas. Auch wird jeder Einzelne aktiviert, während sich bei einer Mind-Map die Teilnehmer in unterschiedlichem Ausmaß beteiligen.
Anwendungsbeispiele
Die Anwendungsbereiche der drei Methoden sollen an einem Beispiel erläutert werden. Wenn Dozenten einer Hochschule Probleme im Verhältnis zu den Studenten zusammentragen wollen, dann bietet sich dafür die anonyme Kartenabfrage an. Selbstkritik wird möglich – ohne sich vor den anderen bloßzustellen, können Schwierigkeiten angesprochen werden. Geht es dagegen um die Suche nach neuen Wegen im Umgang miteinander, empfiehlt sich eine Zuruffrage als Brainstorming, um ausgetretene Pfade zu verlassen und originelle Möglichkeiten zu finden. Wird dabei u. a. gefordert, dass die Studenten ihre Ressourcen stärker einbringen können sollten, so kann über eine Mind-Map nach Einsatzmöglichkeiten der Moderationsmethode im Hochschulalltag gesucht werden. Die Dozenten wären mit dieser Frage als einzelne Teilnehmer möglicherweise überfordert, im Plenum können sie aber gegenseitig ihre Vorschläge aufgreifen, weiterentwickeln und ergänzen. Durch die übersichtliche Gestaltung der Mind-Map wird wahrscheinlich eine sehr umfassende und zugleich detaillierte Aufstellung entwickelt.
Mind-Map in Diskussionen
Im Rahmen der Moderationsmethode kann die Mind-Map auch dazu benutzt werden, mündliche Diskussionsabschnitte vorzustrukturieren und mitzuschreiben. Dazu werden zunächst die Themenbereiche, die besprochen werden sollen, als Hauptäste aufgezeichnet, evtl. ergänzt durch einen „Ergebnis“-Ast. Sie können mit Zeitvorgaben versehen und in ihrer Reihenfolge nummeriert werden. in der folgenden Diskussion ist allein durch diese optische Vorgabe schon ein roter Faden sichtbar, der eine strukturierte Auseinandersetzung fördert.
Jeweils nachdem ein Aspekt diskutiert wurde, lassen die Moderatoren die Teilnehmer die Inhalte für die Mind-Map zusammenfassen und schreiben sie mit. im Unterschied zur vorher beschriebenen Variante sind hier mehrere Gliederungsebenen möglich, da konzentriert ein bestimmter Aspekt bearbeitet wird. Außerdem können durch einfache Zeichnungen oder farbiges Unterlegen wichtige Punkte oder Schlüsselstellen hervorgehoben werden, um die Übersichtlichkeit noch weiter zu steigern.
Die Mind-Map ist eine sehr vielseitige Methode, die auch außerhalb der Moderation eingesetzt werden kann, etwa für Präsentationen oder um eigene Gedanken schnell und strukturiert zusammenzutragen.
5.4 Einpunktfragen
Ziele
Mit dieser Frageform können bei geringem Zeitaufwand (5 bis 15 Minuten) Meinungen, Stimmungen oder Erwartungen sichtbar gemacht werden. Die Vielfalt der Gruppenmeinung wird transparent, während bei mündlichen Nachfragen oftmals die Meinungsführer dominieren. So kann eine Bestandsaufnahme des gegenwärtigen Zustands erreicht und Orientierung für das weitere Vorgehen gewonnen werden.
Durchführung
Die Moderatoren stellen auf einem Plakat eine klar formulierte Frage und erklären die Absicht, die sie mit diesem Moderationsschritt verfolgen. Jeder Teilnehmer bekommt einen Klebepunkt, mit dem er seine Antwort geben kann. Die Moderatoren erläutern das Vorgehen und lassen die Gruppenmitglieder ihre Punkte platzieren.
Interpretation
Die Deutung des entstehenden Bildes ist der entscheidende Schritt dieser Methode. Ohne die Interpretation besitzt die Punktverteilung keine besondere Aussagekraft; es bleibt verborgen, aus welchen Gründen die Antworten gegeben wurden. Andererseits bietet die Punktverteilung die Vorbedingung für Offenheit. So können etwa Gründe für Unzufriedenheit leichter ausgesprochen werden, wenn man vorher sieht, dass andere ähnlich empfinden.
Vor allem für ungeübte Teilnehmer erscheint die Punktverteilung oft entweder als offensichtlich oder als nichts sagend. Die Moderatoren müssen daher – schon bevor sie die Frage stellen – deutlich erklären, was genau sie damit erreichen wollen, sodass eine klare Orientierung für die Gruppe gegeben ist: „Uns geht es darum, eine Rückmeldung von Ihnen über den Nachmittag zu erhalten. Für uns ist wichtig zu erfahren, was gut bzw. schlecht lief, damit wir uns im weiteren Verlauf darauf einstellen können.“
Für die Interpretation selbst wird das Bild meistens in Bereiche zerlegt. Hier könnte also z. B. gefragt werden, welche Ursachen es dafür geben könnte, wenn die Stimmung deutlich gefallen ist, welche Meinungen hinter den Punkten im Mittelbereich stehen könnten und was der Hintergrund für die gestiegene Stimmung sein könnte. Dabei geht es nicht darum, Meinungen auszudiskutieren oder auch nur vollständig zu sammeln; es soll lediglich ein grober Überblick hergestellt werden.
Im Allgemeinen fangen die Moderatoren mit dem Nachfragen bei „Ausreißerpunkten“ an, also bei Markierungen, die deutlich vom Gros der Gruppe abweichen. Damit soll vermieden werden, dass unter Gruppendruck abweichende Meinungen zurückgehalten werden. Im Beispielplakat beginnen sie allerdings bei der stärksten Kritik, die hier auch den Schwerpunkt bildet. Hier scheint ein massiver „Leidensdruck“ der Teilnehmer zu bestehen; angesichts des Ergebnisses würde es wohl befremdlich wirken, wenn mit eher positiven Aspekten angefangen würde.
Besonders zu berücksichtigen sind „unsinnig“ platzierte Punkte, also diejenigen, die nicht in das vorgegebene Schema zu passen scheinen. Sie dürfen nicht einfach vernachlässigt werden, sondern werden, wie alle anderen Äußerungen auch, von der Gruppe interpretiert (im Beispielplakat rechts oben).
Auch bei der Einpunktfrage wird darauf geachtet, dass Anonymität weit gehend gewahrt wird. Fragen der Moderatoren lauten also z. B. „Wie könnte man das interpretieren?“, und nicht „Wer hat denn diesen Punkt geklebt? Was bedeutet er?“.
Varianten
Einpunktfragen gibt es in verschiedenen Formen. Am häufigsten werden Skalen und Koordinatenfelder verwendet. Oft werden Skalen auch gerastert, also nicht stufenlos, sondern z. B. in den Kategorien „sehr groß“, „groß“, „mittel“, „klein“, „sehr klein“ angeboten. Das kann vor allem dann sinnvoll sein, wenn das Punkten anonym geschehen soll (z. B. bei der Frage „Wie offen können wir hier miteinander reden?“). Jedes Gruppenmitglied kann so auf ein Kärtchen schreiben, in welchem Feld es seinen Punkt haben möchte. Die Moderatoren sammeln diese Angaben ein und kleben dann stellvertretend für die Teilnehmer.
5.5 Mehrpunktfragen
Die Mehrpunktfrage gibt es einerseits in Verbindung mit Polaritäten und Skalen, also gewissermaßen als vervielfachte Einpunktfrage, andererseits kann sie zur Festlegung von Prioritäten verwendet werden.
Mehrere Einpunktfragen
Ziele
In diesem Beispiel sind mehrere Einpunktfragen auf einem Plakat zusammengefasst. Dadurch ergibt sich einerseits, wie in der Einpunktfrage, ein Meinungsbild der Gruppe, andererseits auch schon eine Gegenüberstellung einzelner Interessen. Das Problemfeld der Gruppe wird transparent.
Durchführung
Für diese Art der Mehrpunktfrage sind etwa zehn bis fünfzehn Minuten, abhängig von der Anzahl der Kriterien, zu rechnen. Es sollten nicht zu viele Zeilen verwendet werden, da sonst leicht der Überblick verloren geht.
Die Teilnehmer erhalten einen Punkt pro Zeile. Die Zeilensumme wird errechnet, indem die Spaltenziffern mit der Anzahl der geklebten Punkte multipliziert und die Produkte zusammengezählt werden. Damit die Ablehnung eines Kriteriums gezeigt werden kann, beginnt die Nummerierung der Spalten mit Null.
„Eigentliche“ Mehrpunktfrage Ziel