Moderationsmethode und Zukunftswerkstatt. Ulrich Dauscher

Moderationsmethode und Zukunftswerkstatt - Ulrich Dauscher


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      Zweitens sind viele Menschen eher an ein ableitendes, analytisches Denken gewohnt, an ein Zerlegen von Themen. Hier aber wird induktiv vorgegangen: Kategorien werden nach und nach zusammengesetzt. Es gibt keinen logisch richtigen Weg (s. o.); man muss nach dem Motto „Mal sehen, was herauskommt“ verfahren.

      Drittens kann das Sortieren als eine Art Ventil für vorher auferlegte Zurückhaltung dienen. Wenn man normalerweise diskutiert, seine Meinung offensiv vertritt, dann ist das mosaikartige Zusammentragen von Informationen in der Kartenabfrage ungewohnt. Zumindest im Strukturieren kann man sich dann einbringen, kann versuchen, über Zuordnungen zu diskutieren. Das darf keineswegs als Profilierungsbedürfnis abgewertet werden, es ist eine gewohnte Verhaltensweise.

      – Beschleunigungsmöglichkeiten

      Die Moderatoren können einigen Schwierigkeiten vorbeugen, indem sie darauf achten, dass sie die Ziele der Methode in der konkreten Situation möglichst genau erklären: Es geht um eine grobe Ordnung, die eine Gliederung und erste Inhalte für die Weiterarbeit liefert. Außerdem können sie ankündigen, dass in einem zweiten Durchgang wichtige Korrekturen vorgenommen werden können. Schließlich können sie die Anzahl der Karten, die jeder Teilnehmer abgibt, je nach Gruppengröße auf zwei bis vier begrenzen. Wichtige Beiträge können später noch nachgereicht werden.

      Um Zuordnungsdiskussionen möglichst knapp zu halten, hat sich ein dreistufiges Vorgehen bewährt. Als Erstes lassen die Moderatoren die Zuordnenden kurz erklären, warum sie den Stichpunkt an diesem oder jenem Ort sehen. Oft klärt das ausreichend. Als zweite Stufe machen sie nochmals darauf aufmerksam, dass das Sortieren keine weltbewegende Festlegung ist, um die relativ untergeordnete Bedeutung des Schrittes zu betonen. Die dritte Möglichkeit ist, dass ein Stichpunkt verdoppelt und mehreren Gruppen zugeordnet wird. Das sollte nicht zu oft geschehen.

      Verzögerungen beim Sortieren können allerdings von geübten Moderatoren auch bewusst zugelassen werden. Wenn sie sich klar davon distanzieren, die Verantwortung für ein straffes Vorgehen zu übernehmen, erleben sich die Teilnehmer als selbst für ihre Arbeit und ihren Umgang miteinander verantwortlich. Über die Schwierigkeiten beim langsamen Sortieren kann eine bessere Zusammenarbeit gelernt werden, die die weitere Moderation umso effizienter werden lässt.

       Variationen – Zwei Teilfragen

      Die „Grundform“ der anonymen Kartenabfrage kann auf verschiedene Arten variiert werden. Beispielsweise können zwei Teilfragen auf einmal gestellt und mit verschiedenen Farben beantwortet werden:

      – Zwei Durchgänge

      Eine weitere Möglichkeit ist, nach dem Sortieren einen zweiten Schreib- und Sammelvorgang durchzuführen. Das erste Ergebnis dient als Anregung für neue Ideen.

      – Sortieren von der Pinnwand

      Zum Strukturieren der Karten können die Moderatoren auch erst einmal alle Antworten durcheinander auf eine leere Pinnwand stecken. So können sich die Teilnehmer die Beiträge in Ruhe ansehen und erst dann, wenn sie sich einen Überblick verschafft haben, mit dem Sortieren beginnen.

       – Vorgegebene Oberbegriffe

      Schließlich können manchmal Oberbegriffe vor Beginn der Abfrage vorgegeben werden. Damit wird das Strukturieren beschleunigt. Dennoch ist diese Variante nur selten zu empfehlen. Vorgegebene Kategorien wirken einengend und beeinflussen die Antworten ziemlich stark. Die entstandenen Gruppierungen können außerdem für die Weiterarbeit unhandlich sein, da zu viel in eine – vorgegebene – Rubrik gepresst wird. Auf jeden Fall müsste hier eine Kategorie „Sonstiges“ aufgeführt sein, um Antworten aufnehmen zu können, die nicht in das Raster passen.

       Kartenabfrage ohne Anonymität – Einzelarbeit

      Kartenabfragen müssen nicht unbedingt anonym durchgeführt werden. Wenn auf die Anonymität verzichtet wird, können die Autoren selbst den Moderatoren zurufen, welchem Cluster ihre Karte zugeordnet werden soll. Die Gruppe unterstützt sie dabei. Dadurch wird beim Zuordnen Zeit gespart, allerdings müssen sich die Moderatoren genau überlegen, ob durch den Verzicht auf Anonymität nicht Beiträge verloren gehen. Etwas ungewöhnliche Antworten kommen eher vor, wenn sich die Verfasser bedeckt halten können. Nicht selten unterdrückt die Angst vor Blamage gute Ansätze.

      – Kleingruppenarbeit

      Eine zweite Möglichkeit besteht darin, die Karten in Zweier- oder Dreiergruppen schreiben zu lassen (ca. 10 bis 15 Minuten). Die Mitglieder der Kleingruppen können anschließend ihre Beiträge selbst vorstellen und zuordnen. Auf diese Art wird eine Teilanonymität gewahrt, die manchmal ausreichend ist. Man muss nicht als Einzelner zu den Antworten stehen, sondern sie sind in einer Gruppe formuliert worden.

      Ein Vorteil dieser Variante ist, dass die Mitglieder der Kleingruppe über ihre Beiträge diskutieren. Dadurch wird einerseits die Kommunikation unter den Teilnehmern gefördert, andererseits können auf diese Art auch schwierigere Fragen beantwortet werden, die einen Einzelnen vielleicht überfordern würden. Diese Diskussionen haben aber auch einen Nachteil: Die Antworten sind evtl. nicht so breit gestreut wie in der Einzelarbeit. In der Auseinandersetzung mit anderen wird eine Vorauslese getroffen. Ungewöhnliche Ideen, die vielleicht sehr interessant wären, können dadurch unterdrückt werden.

       Weiterbearbeitung

      Die Kartenabfrage wird meistens weiterbearbeitet. Dazu werden normalerweise zunächst Schwerpunkte gebildet, indem die Cluster gewichtet werden (s. S. 63). Ein anderer vertiefender Zwischenschritt besteht darin, Aussage- oder Fragesätze zu formulieren und diese in eine Liste zu übertragen (s. S. 63). Der Sinn dieser Umformulierung liegt darin, dass eine präzise Aussage bzw. Frage für größere Klarheit im Denken sorgt und jederzeit einen schnellen Überblick ermöglicht. Die Bandbreite der vorherigen Sammlung wird dabei nicht übermäßig eingeschränkt, da die Kärtchen ja erhalten bleiben, nur räumlich von der zusammenfassenden Liste getrennt sind.

       Kurzbeschreibung

      Die Zuruffrage ähnelt der Kartenabfrage. Im Unterschied zu dieser werden jedoch die Antworten auf die visualisierte Frage nicht auf Kärtchen notiert, sondern laut den Moderatoren zugerufen, die sie mitschreiben. Dieses Verfahren dauert etwa zehn bis zwanzig Minuten.

       Ziele

      Das Ziel der Zuruffrage deckt sich weit gehend, jedoch nicht ganz mit dem der Kartenabfrage. Sie dient ebenfalls auf der Inhaltsebene dazu, Informationen zu erfassen, insbesondere Themen und Ideen. Gruppendynamisch gesehen werden die Teilnehmer aktiviert, jedoch evtl. nicht so umfassend wie bei der Kartenabfrage, bei der jeder etwas schreibt. Durch die fehlende Anonymität kann die Zuruffrage nicht immer dafür verwendet werden, Transparenz herzustellen.

       Zuruf- und Kartenabfrage

      Es gibt, abgesehen vom Zeitverbrauch und den Strukturierungsmöglichkeiten, zwei grundlegende Unterschiede zwischen der Zuruf- und der Kartenabfrage.

      – Offene Plenums- statt anonymer Einzelarbeit

      Erstens wird die Zuruffrage im Plenum durchgeführt, während bei der Beantwortung der Kartenabfrage jeder für sich allein arbeitet. Dadurch werden u. U. in der Zuruffrage zurückhaltende Teilnehmer in geringerem Maße in den Austausch einbezogen.

      Da die Beiträge nicht anonym sind, ergibt sich daraus auch eine thematische Einschränkung der Zuruffrage. Sie ist z. B. weniger geeignet für die Suche nach Fehlern oder deren Ursachen. Möglicherweise wird bei der Zuruffrage Kritik zurückgehalten, um andere nicht zu verletzen und sich selbst nicht bloßzustellen; umgekehrt kann laut geäußerte Kritik verletzender formuliert werden als Stichpunkte


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