Tödliche Tour. Greg Moody

Tödliche Tour - Greg Moody


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mit sanfter Stimme, »was Deeds heute mit dir gemacht hat, war fies. Auf der Karte steht eine Telefonnummer. Ich bin die meiste Zeit zu erreichen. Ruf mich an, wenn du Schwierigkeiten hast, ich schicke dir jemanden. Entweder komme ich selbst oder Tomas kommt raus.«

      »Tomas – welcher Tomas?«

      »Delgado. Er hat’s mir schon erzählt. Alte Kameraden, stimmt’s?«

      Das war wenigstens etwas. Jetzt hatte er zumindest einen in der Mannschaft, mit dem er reden konnte. Während seiner gesamten Karriere war, wenn nicht er Delgado, Delgado ihm zu jedem Team im Profi-Zirkus gefolgt. Bei mindestens vier Mannschaften waren sie zusammen gewesen. Es hatte sich einfach so ergeben, das Geschäft hatte ihre Geschicke gelenkt, aber es hatte beiden das Leben erleichtert. Sie hatten eine Bindung aneinander aufgebaut, der weder Zeit und Entfernung noch das Ende einer mediokren Laufbahn etwas hatten anhaben können.

      Hoffte Will jedenfalls.

      »Wir sehen uns ... «

      Sie lächelte. »Wenn du zurückkommst, wirst du kaum die Kraft haben, noch irgendwas zu sehen.«

      Sie hatte Recht.

      Will schwang sein Bein über das weiße Colnago und stieß sich vom Randstein ab. Er kannte einen Großteil der 175-Kilometer-Runde aus seiner Amateurzeit vor ... wie viel waren es, 12 Jahren? Er stopfte die Karte in eine Tasche seiner Jacke und fiel in einen schweren langsamen Tritt, um auf Fahrtgeschwindigkeit zu kommen. Ohne Gruppe und ohne Hinterrad, das ihn vor dem Wind schützen könnte, würde es ein langer Tag werden.

      Er schaute über die Schulter und beobachtete Cheryl, wie sie in der Entfernung verschwand. Ein weiblicher Physiotherapeut mit einem frechen Mundwerk. Das würde zumindest das Leben interessant machen. Außerdem war sie hübsch anzuschauen. Dann dachte er an Deeds, die Mechaniker und die Mannschaft, die 20 bis 30 Minuten vor ihm mit knapp 40 Sachen über die Landstraße fegten.

      Er trat ein weniger kräftiger in die Pedale.

      Cheryl sah Will hinter der ersten Biegung verschwinden.

      »Was für eine Posse ... was zum Teufel haben sie sich dabei nur gedacht?«

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      Zu jedem Sport gehört eine Liebe, die an Besessenheit grenzt. Hingabe bis zum Fanatismus. Eine Konzentration, die alle Sinne in Anspruch nimmt. Ein Feuer, das tief und heiß und lange brennt. Du weißt um dein Talent, um deine Fähigkeiten, um den Preis, der 200 Meter weiter hinter der Linie auf dich wartet und du überwindest den Schmerz, die Hitze, den Mangel an Leidenschaft, die Langeweile und die Sinnlosigkeit und du überwindest Zeit und Raum und setzt dich vor die Meute – genau zu dem Zeitpunkt, zu dem du vor der Meute sein musst.

      Faszinierend, diese Männer, die in ihre Maschinen verliebt sind und für sie so viel Schmerz erdulden. Männer, die Fahrräder lieben.

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      »Inspektor«.

      Inspektor Luc Godot von der Pariser Polizei zog den Kragen seines zerlumpten und verwitterten Trenchcoats dicht um seinen Hals. In der Wohnung wehte eine bitterkalte Brise, zumal sie keine nennenswerten Wände mehr hatte.

      »Passen Sie auf, wo Sie hintreten, Inspektor. Teile des Bodens sind brüchig oder fehlen ganz. Außerdem ist dies ein noch nicht gesicherter Tatort.«

      Godot schaute den jungen Spurensicherungsfachmann durch seine schweren, rot umrandeten Augen an. Jedes Jahr, dachte er. Sie werden jedes Jahr schlechter. Und jünger. Dieses Kind kann höchstens zehn sein und er ist der älteste von den Dreien. Wo war Claude? Claude sollte der Mann für einen Fall dieser Größenordnung sein und nicht irgendein blasierter, altkluger Junger Pionier.

      Godot schlurfte durch die Trümmer, die einst die Wohnung von Jean-Pierre Colgan gewesen waren. Drei Techniker waren an einer Außenwand damit beschäftigt, sorgfältig eine Gasleitung zu untersuchen, die aus ihrer Verankerung gerissen und zu einem Knoten verdreht worden war. Rundherum waren Schmauchspuren an der Wand.

      Godot zündete sich eine Zigarre an. Kubanisch. Sie half ihm beim Denken.

      Der Techniker, der ihm schon beim Reinkommen einen Vortrag gehalten hatte, sprang auf und schrie Godot erregt an: »Hier wird nicht geraucht, Inspektor! Hier hat eine Gasexplosion stattgefunden und außerdem ist dies ein Tatort. Sie bringen uns alle in Gefahr und sie verfälschen die Beweise!«

      Godot starrte einfach nur ins Leere. Er holte tief Luft und stieß einen schweren Seufzer aus. Wie lange noch bis zur Pensionierung? Er ignorierte das schmächtige Wiesel mit seinem weißen Labormantel und wandte sich der anderen Seite der Wohnung zu, wo vermutlich die Küche gewesen war. Durch die Rauchschwaden seiner Zigarre genoss er den wunderbaren Blick über Paris, ein Blick, der bis vor wenigen Tagen von roten Ziegelsteinen verstellt gewesen war. Ich liebe Paris im Frühling, dachte er. Schade, dass es noch Winter ist.

      Die Techniker schnatterten auf der anderen Seite des Raumes die Gasleitung an. Godot hatte ihren ersten Bericht über die Explosion und den Tod von Jean-Pierre Colgan schon gelesen. Er war nicht schlüssig. Ihm jedenfalls nicht. Er überprüfte sanft den Boden, der wie eine harte Matratze leicht nachgab, und trat vorsichtig auf eine freigelegte Strebe neben der Wand von Colgans Küche. Vor zwei Tagen muss hier eine Arbeitsfläche gestanden haben, dachte er. Auf den Überresten des Bodens konnte er einen Umriss aus Holz- und Kachelresten erkennen.

      Dann sah er auf. Godot griff nach einem Stück Gips von der Decke, das an einem Draht direkt über seinem Kopf baumelte. Der hölzerne Messergriff war bis auf die zwei letzten Zentimeter in der Decke versenkt. Er nahm ihn vorsichtig in die Hand und zog. Der Gips löste sich zusammen mit dem Messer. Godot wischte den Staub und die Brösel vom Ärmel seines Mantels, dann klopfte er mit dem Messer gegen einen freigelegten Wandhaken, um die Klinge freizulegen. Sie war verdreht und verbrannt, die Spitze war ausgefranst. Er sah sich um. Senkrecht nach oben... dieses Buttermesser war senkrecht nach oben geflogen.

      Godot drehte sich auf der wackeligen Stelle, an der er stand, langsam um. Der Weg, den die Zerstörung sich durch die Wohnung gebahnt hatte, ging direkt von ihm aus, von der Stelle, an der er stand.

      Godot lächelte. Das war keine Gasexplosion.

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      Will hasste dieses Fahrrad. Er hasste es, da zu sein, wo er jetzt war, und er hasste es, das zu tun, was er gerade tat. Er würde jetzt gerne mit dem Schreiber ein Wörtchen wechseln, der sich in TOUR über die Poesie des Rennradfahrens ausgelassen hatte.

      »Heb erst einmal deinen fetten Arsch vom Sofa hoch und setz ihn für sechs Stunden auf den Sattel. Dann reden wir weiter.«

      Er hatte schon einen Plattfuß gehabt. Er hatte den Schlauch gewechselt und sich in einem Radgeschäft unterwegs Flickzeug und eine Trinkflasche geholt. Eine Notwendigkeit, die sich als Peinlichkeit entpuppt hatte.

      Ein älterer weißhaariger Mann stand hinter der Theke, dessen Körper verriet, dass er den Sport in seiner Jugend kennen gelernt, die Beziehung jedoch Jahre vor dem Zusammentreffen mit Will beendet hatte.

      »Ich sehe, Monsieur, dass Sie ein Haven-Trikot tragen. Die Mannschaft ist vor etwa 45 Minuten hier vorbeigekommen; Sie haben sie gerade verpasst.«

      »Die werde ich noch oft genug sehen. Ich brauche, lassen Sie mich meinen Geldbeutel befragen, einen Schlauch, Flickzeug und ein paar Haven Power Bars.«

      »Sie sollten sich besser auf ihre Ausfahrten vorbereiten.«

      »Ich musste etwas überstürzt losfahren. Sie sagten, das Team sei seit 45 Minuten durch?«

      »45 Minuten, vielleicht eine Stunde. Sie werden sie niemals einholen. Die haben richtig Gas gegeben.«

      Er trug seinen Einkauf raus und lud ihn auf. Er würde die Fahrt beenden. Außerhalb der Karenzzeit, aber er würde ankommen.

      »Tragen


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