Prinz der Wölfe. Dave Gross

Prinz der Wölfe - Dave  Gross


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ich um die Ecke gebogen war, schaute ich mir an, was Malena mir gegeben hatte.

      Ein Kupferstück, und nicht einmal ein glänzendes neues. Der Kopf des uralten Fürsten darauf hob sich spangrün von dem schwarzen Dreck der Jahrzehnte, vielleicht Jahrhunderte, ab. Vielleicht sogar mehr. Er war ein hübscher Kerl, aber mit einem sauertöpfischen Ausdruck auf dem Gesicht, als hätte er gerade etwas gekostet, von dem er erwartet hatte, dass es ihm schmecken würde, was er stattdessen aber hatte ausspucken müssen.

      „Du und ich, wir beide“, sagte ich zu ihm.

      Kapitel drei

      Die Lepidstadtnarbe

      Als ich meine Hand ausstreckte, um der Herrin Tara in die Kutsche zu helfen, ging ihr Begleiter so abrupt dazwischen, dass ich mich genötigt sah, einen Schritt zurückzutreten, um nicht seine Schulter in meine Brust gerammt zu bekommen. Meine Bekanntschaft mit Kasomir Galdana war weniger als eine Stunde alt, doch ich bereute bereits mein Versprechen, ihn heimzubegleiten.

      Durch jemandem aus ihrem weitreichenden Netzwerk von Bewunderern, Rivalen und Speichelleckern hatte Carmilla von Deinem Vorhaben erfahren, das Anwesen Graf Lucinean Galdanas zu besuchen in der Hoffnung, Zutritt zu seiner Familienbibliothek zu erhalten. Ich hatte zunächst Bedenken, dass ein Herrscher von Ustalav seine privaten Besitztümer einem Kundschafter gegenüber öffnet, doch hätte ich nicht überrascht sein dürfen zu erfahren, dass Deine Überredungskünste der Eloquenz Deiner schriftlichen Berichte gleichkommen. Carmilla hörte außerdem, Du hättest Galdana genügend beeindruckt, sodass Du im vergangenen Frühling mehrere Tage auf seinem Anwesen bei Weidenweh verbringen konntest. Und es ist in der Tat wahr, dass die Abneigung gegenüber unserer Gesellschaft nicht notwendigerweise von allen Adligen in Ustalav geteilt wird.

      Den derzeitigen Grafen Galdana habe ich nie kennengelernt, doch bei seinem Vorgänger erinnere ich mich an ein fröhliches Gemüt und eine Neigung zu deftigem Humor und Prahlereien über jüngste Jagdausflüge. Die Gerüchte, die ich seit meiner Ankunft zusammentragen konnte, sprachen von dem jetzigen Grafen von Amaans als einem begeisterten Jägersmann, der so häufig im Feld war, dass die Adligen von Caliphas es mehr gewohnt waren, einen seiner näheren Verwandten zu empfangen – dieses Mal Kasomir, den Sohn seiner Schwester. Als Gegenleistung für ihre Informationen bat Carmilla mich lediglich darum, Kasomir und seine Base, Tara, nach Weidenweh zu begleiten.

      Es entging meiner Aufmerksamkeit nicht, dass Carmillas Bitte sich perfekt mit meinen eigenen Plänen deckte. Noch bin ich taub gegenüber dem Gemunkel über ihr Verlangen, die Stellung des Hauses Ordranto zu unterlaufen. Sicherlich hätte Kasomir eigene Wachen und eine eigene Kutsche anheuern können, doch Carmilla bestand darauf, dass wir die Vorzüge meines Gefährts teilen sollten. Dies würde einen vorteilhaften Eindruck machen, der mir sehr dabei helfen könnte, Zugang zur Familienbibliothek der Galdanas zu erhalten. Unter anderen Umständen hätte ich gezögert, bevor ich es zugelassen hätte, mich auf derartige Weise manipulieren zu lassen, doch als ich die Wahrscheinlichkeit, dass Carmilla meinen Besuch ausnutzte um einen Verdacht auf Graf Galdana fallen zu lassen, gegen die Aussicht abwog, Dich zu finden, war es meines Erachtens nach diesen Preis wert.

      Kasomir Galdana war das Sinnbild eines ustalavischen Adligen. Von schlankem Körperbau und hageren Wangen, zeigte sich bereits nach der Mittagsstunde der Schatten eines dunklen Bartes, obwohl sein Haupthaar bleich wie Stroh im Winter war. Ich sah das Rapier an seiner Hüfte und, unter seinem linken Auge, eine Narbe, deren Form mir bekannt vorkam. Da sein Onkel, der Graf, keine Nachkommen hatte, hatte er ihn adoptiert, eine Geste, die unter ustalavischen Adligen nicht ungewöhnlich war, insbesondere zwischen Onkeln und Neffen. Als Gegenleistung für diese Ehre nahm sich Kasomir jener Pflichten an, die der Graf nicht persönlich wahrzunehmen wünschte, wie zum Beispiel die Base aus Caliphas abzuholen.

      Kasomirs Base Tara war kürzlich aus Vudra zurückgekehrt, wo ihr Vater bis zu seinem Ruhestand vor einem Jahrzehnt als ustalavischer Botschafter gedient hatte. Während er seine verbleibenden Tage in dem milden Klima des Heimatlandes seiner Frau zu verbringen gedachte, wünschte er, dass seine Tochter, wenn sie volljährig würde, die Kultur seiner Heimat kennenlernte. Ich vermutete zudem, er hoffte, ihr Aufenthalt in der Gesellschaft von Ustalav könne zu einer zufälligen Heirat führen.

      Tara besitzt die Art von Schönheit, wie sie jenen einer gemischten Herkunft zu Eigen ist, wenn Du mir eine solch eigennützige Ansicht verzeihst. Ihre Hautfarbe ist die von zerstoßenem Zimt, und ihre Augen sind so schwarz, dass man genau hinsehen muss, um festzustellen, dass sie keine Belladonna zu sich genommen hat, die ihre Pupillen weitet. Dennoch fügt sich zu dieser vudranischen Erscheinung eine Adlernase hinzu, wie sie unter den Varisiern von Ustalav verbreitet ist, und ihr Haar spiegelt eher den Glanz gesponnenen Kupfers wider als den irdenen Ton von Henna.

      Leider hat die junge Frau seit unserem Kennenlernen weniger als zwei Dutzend Wörter gesprochen, allesamt eingeübte Höflichkeitsfloskeln. Ich nehme an, dass das Herbstwetter ihrer Konstitution nicht zusagt, oder vielleicht hat sie sich noch nicht an die hiesige Küche gewöhnt. Möglicherweise hatte sie zu sehr vom Wein des Prinzen gekostet und ertrug nun dieselben Nachwirkungen, unter denen auch ich derzeit litt. Was auch immer der Grund sein mochte, so erregte ihre zarte Konstitution zumindest keinen Anstoß, im Gegensatz zu Kasomirs übertriebener Schutzhaltung gegenüber seiner Base.

      Kasomir hätte meine Anwesenheit mehr zu schätzen wissen sollen, denn ohne sie hätte er vermutlich unter mehr als nur einer Schulter in seiner Brust gelitten. Als ein zweiter Blick auf Radovan ihm die durch die Hölle geprägte Herkunft meines Leibwächters bestätigte, kamen Kasomirs ungehobelte Fragen über dessen Abstammung einer Beleidigung gleich. Radovan verstand mehr Varisisch, als ich vermutete, doch zum Glück waren seine Antworten höflich, wenn auch nicht unterwürfig genug um Kasomirs Übellaunigkeit zu beschwichtigen. Ich wünschte, Radovan würde seine Bemühungen verdoppeln, die hiesige Sprache zu lernen, da weniger Einwohner Ustalavs Taldani verstehen werden, je weiter wir uns von Caliphas entfernen.

      Es kam noch zu einem erwähnenswerten unglücklichen Ereignis bevor wir die Stadt verließen. Nicola hatte sich zuvor für die Verzögerung bei der Beschaffung der Vorräte entschuldigt, doch dies blieb ohne Konsequenzen, da ich unsere Abreise um einen Tag verschoben hatte, um Kasomir und Tara Gelegenheit zu geben, ihre hiesigen Pflichten zu erledigen. Dennoch irrlichterte Nicola umher, und ganz unverkennbar lächelte Radovan belustigt, als er die Gemütserregung meines Dieners bemerkte. Als ich beobachtete, wie Nicola ständig nach der neuen Geldbörse griff, verstand ich, was vorgefallen sein musste.

      Ich rief Radovan unter dem Vorwand zu mir, die sechs Wachleute in Augenschein zu nehmen, die er ausgesucht hatte. Es war ein rauer Haufen, doch ausgehend von den Amputierten und Trunkenbolden, die am Mietstand herumgelungert hatten, hatte Radovan die fähigsten ausgewählt. Nur zwei zeigten militärische Disziplin, und einer trug einen hohen Kragen, der nicht ganz eine üble Narbe verbarg, die der Strick zurückgelassen hatte.

      „Wie viele Sträflinge?“, fragte ich Radovan.

      Sein Kinn sprang in jenem halbseitigen Lächeln hervor, das mir sagt, dass er meine erste Frage vorausgesehen hatte. „Nur einer“, gab er zurück. „Die Frage ist, welcher?“

      Dass er diese Frage stellte, bedeutete, dass die Antwort nicht offensichtlich war, es sei denn, er versuchte, mich zu täuschen. Radovan genießt solche Irreführungen, eine Eigenschaft, die ich wesentlich mehr schätze, wenn sie zu meinem Vorteil anstatt auf meine Kosten eingesetzt wird. Diese List hätte mich irritieren sollen, doch es fällt mir schwer, einem Rätsel, selbst einem einfachen, zu widerstehen.

      Daher ließ ich den Gehängten außer Acht, dessen Name, wie Radovan mir sagte, Kostin war. Die beiden, in denen ich die ehemaligen Soldaten erkannt hatte, hießen Anton und Dimitru. Sie saßen auf einer niedrigen Mauer nahe der Ställe, blickten uns zwar nicht direkt an, doch offensichtlich lauschten sie unserer Konversation und waren jederzeit bereit, sich auf einen Befehl hin in Bewegung zu setzen. Luka, ein schlanker Bursche mit einer Verbrennungsnarbe auf dem Rücken einer seiner Hände, inspizierte die Reitpferde, bevor er schließlich für sich eine graue Stute sattelte. Kostin stand mit einem Fuß gegen die Wand gelehnt und beugte sich zu dem einäugigen Emil vor. Sie teilten sich eine Pfeife, die so geschnitzt war, dass sie einem schlafenden Bären ähnelte, doch ihrer angestrengten


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