Cap Arcona 1927-1945. Stefan Ineichen

Cap Arcona 1927-1945 - Stefan Ineichen


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      Stefan Ineichen, geboren 1958 in Luzern, lebt als Ökologe und Schriftsteller in Zürich. Seit 1997 Dozent an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Buchveröffentlichungen u. a. «Die wilden Tiere in der Stadt. Zur Naturgeschichte der Stadt», Herausgeber der «Sagen und Legenden der Schweiz» von Meinrad Lienert. Im Limmat Verlag sind lieferbar: «Endstation Eismeer. Schweiz – Titanic – Amerika», «Zürich 1933–1945. 152 Schauplätze» sowie «Himmel und Erde. 101 Sagengeschichten aus der Schweiz und von ennet den Grenzen».

      Stefan Ineichen

      Cap Arcona 1927–1945. Märchenschiff und Massengrab

      Limmat Verlag

      Zürich

       Cap Arcona und Graf Zeppelin

      Schön, schnell und deutsch

      Als die Cap Arcona der Hamburg-Südamerikanischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft 1927 zum ersten Mal den Atlantik überquerte, wurde sie in Rio de Janeiro von einer brasilianischen Militärkapelle begrüßt und in Buenos Aires vom argentinischen Staatspräsidenten besichtigt. Entstanden in der kurzen Zeitspanne zwischen Nachkriegsmisere und Weltwirtschaftskrise, als auch in Deutschland die zwanziger Jahre golden angehaucht waren, galt das Hamburger Märchenschiff als Symbol eines Landes, das seinen Platz in der globalen Staatenwelt wiederzugewinnen schien, und wurde zum völkerverbindenden Repräsentanten deutscher Industrie und Weltoffenheit – ähnlich dem Luftschiff Graf Zeppelin, dem die Cap Arcona auf der Südamerikaroute immer wieder begegnete.

       Reich wie ein Argentinier

      Bubikopf und Seidenstrümpfe

      Die «Königin des Südatlantik» wurde schnell zum Lieblingsschiff superreicher südamerikanischer Familien, die den europäischen Sommer in Paris zu verbringen pflegten. Während die Passagiere der I. Klasse sich in den vornehm ausgestatteten Gesellschaftsräumen, die den gesamten Aufbau im Mittelteil des Schiffes einnahmen, vergnügten, auf dem Sportdeck tagsüber Tennis spielten und nachts bei tropischen Sommerfesten Tango tanzten, brachte der 206 Meter lange Schnelldampfer im Schiffsbauch Saisonarbeiter aus Südeuropa auf die Plantagen südamerikanischer Großgrundbesitzer.

       Krise

      Himmlers Freunde

      Nach dem Einbruch der Passagier- und Handelsschifffahrt in der Folge des Börsen- und Bankencrashs vom Oktober 1929 und den dramatischen politischen Umwälzungen in Deutschland, Brasilien und Argentinien während der frühen dreißiger Jahre gelang es der Cap Arcona, auch unter der Hakenkreuzflagge wieder an die Erfolge ihrer frühen Jahre anzuknüpfen – nicht zuletzt dank Vergnügungsreisen, die begüterte Touristen über Silvester nach Madeira und Nordafrika führten oder den Kurs über den Südatlantik als Kreuzfahrt anboten. Im Anschluss an die Neuordnung der Schifffahrt in nationalsozialistischen Deutschland gelangte die Hamburg-Süd zunehmend unter den Einfluss der Nährmittelfirma Dr. August Oetker, deren Leiter Mitglied des exklusiven «Freundeskreises Reichsführer SS» war.

       Der Schiffsbuchhändler

      Flucht und Vergnügen

      Im Frühjahr 1939 führte der aus einer Verlegerfamilie stammende Hanns Klasing während dreier Südamerikafahrten die bordeigene Buchhandlung, zu deren Kundschaft Vergnügungsreisende wie Gustaf Gründgens oder Hans Leip zählten. In den Monaten vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs dominierten unter den Fahrgästen zeitweise jüdische Flüchtlinge. Einige von ihnen mussten, vermeintlich der Verfolgung entkommen, nach der Überquerung des Meeres die Rückreise antreten, da ihre korrekt erlangten Visa aufgrund veränderter politischer Konstellationen in den Zielländern nicht mehr anerkannt wurden.

       Titanic in Gotenhafen

      U-Boot-Soldaten und Marinehelferinnen

      Nach Kriegsausbruch fuhr die Cap Arcona durch den Nordostseekanal nach Gdynia, das nach der Eroberung Polens durch die Wehrmacht in Gotenhafen umbenannt wurde. Im bedeutendsten deutschen Kriegshafen der Ostsee diente der Dreischornsteindampfer der Kriegsmarine als Wohnschiff. In den Gesellschaftsräumen des ehemaligen Luxusdampfers fanden Truppenbetreuungsabende und Ausbildungseinheiten für Soldaten statt, ab 1943 auch für Marinehelferinnen. Während der Dreharbeiten des Spielfilms Titanic auf der Cap Arcona traf im Sommer 1942 die Welt der Kinoprominenz auf die Helden der – noch – erfolgreichen U-Boot-Waffe. Im Oktober des folgenden Jahrs versammelten sich anlässlich einer Rüstungstagung Funktionäre und Industrieführer um Rüstungsminister Speer und Großadmiral Dönitz auf der Cap Arcona.

       Westwärts

      Johannes Gerdts und Heinrich Bertram

      Anfang Februar 1945 führte Kapitän Johannes Gerdts auf einer ersten Evakuierungsfahrt über zehntausend Personen von Gotenhafen nach Neustadt in Holstein. Nach dem Besuch eines Inspektions-Ingenieurs auf dem reparaturbedürftigen Schiff erschoss sich Gerdts in seiner Kabine. Am 1. März übernahm der erfahrene Kapitän Heinrich Bertram das Kommando und brachte nach der Instandstellung der Cap Arcona in einer zweiten Evakuierungsfahrt rund neuntausend Verwundete und zweitausend Flüchtlinge von der Halbinsel Hela nach Kopenhagen. Am 14. April wurde die wiederum überholungsbedürftige Cap Arcona erneut in die Neustädter Bucht verlegt.

       Ende

      «Alles Wasser! Alles Feuer! Alles kaputt!»

      Als vor der Übergabe der Stadt an die Westalliierten im April 1945 das Hamburger Konzentrationslager Neuengamme geräumt wurde, wurden – gegen den Willen des Kapitäns – Tausende von Häftlingen in die Cap Arcona gepfercht, die fahruntüchtig vor Neustadt auf Reede lag. Am 3. Mai, wenige Stunden bevor britische Truppen Neustadt erreichten, setzten Raketenbomben der Royal Air Force das vermeintliche Truppentransportschiff in Brand. Rund 4500 der Häftlinge kamen im brennenden Schiff und in der kalten Ostsee ums Leben – verbrannt, ertrunken oder erschossen von englischen und deutschen Maschinengewehrsalven. Das Schiff sank und wurde 1950 verschrottet.

Quellen und Anmerkungen

      Cap Arcona: Decks in ursprünglicher Bezeichnung, Gesellschaftsräume I. Klasse im Aufbau mittschiffs. Die Räume der II. Klasse befanden sich hauptsächlich im hintern Teil des Dampfers, diejenigen der III. Klasse im Vorschiff. In den 1930er-Jahren erfolgte eine Umbenennung der Decks: Das bisherige C- wurde nun zum A-Deck, das D- zum B-Deck usf.

      Cap Arcona und Graf Zeppelin

      Schön, schnell und deutsch

      «Cap Arcona ist immer noch das schönste, wenn auch nicht das größte Schiff auf allen Meeren. Kein Wunder, dass es bei den Südamerikanern bald sozusagen zum guten Ton gehörte, mit ihm zu fahren», schreibt Ernst Rolin, seit der Jungfernfahrt der Cap Arcona im November 1927 Kapitän des Flaggschiffs der Hamburg-Südamerikanischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft, in seinen 1934 veröffentlichten Lebenserinnerungen.

      «Es war wohl auf der siebenten Ausreise des beliebten Dampfers», fährt Rolin fort, «dass wir einen scharfen Nordwest mit uns hatten, als wir eben in die Nordsee hinausgekommen


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