Cap Arcona 1927-1945. Stefan Ineichen

Cap Arcona 1927-1945 - Stefan Ineichen


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zum Segen des deutschen Volkes wie der gesamten Menschheit.»

      Hugo Eckener wurde in Amerika und Deutschland stürmisch gefeiert. Nachdem die Alliierten das Bauverbot für motorgetriebene Luftfahrzeuge 1925 aufgehoben hatten, machte sich die Friedrichshafener Firma an den Bau des Graf Zeppelin, der zu mehr als der Hälfte durch eine landesweite Geldsammlung, die Zeppelin-Eckener-Spende, finanziert wurde, während der Rest der Baukosten durch das Deutsche Reich und die Luftschiffbau-Firma getragen wurde. Graf Zeppelin festigte Eckeners Weltruhm: Im Spätsommer 1929 umrundete das neue Luftschiff als erstes Flugobjekt den Globus, Hugo Eckeners Porträt gelangte auf die Titelseite des Time Magazine. Eckener wurde – laut Eintrag in der Deutschen Biographie – «zur Persönlichkeit von universellem Format. Musisch gebildet, außerordentlich belesen und nachhaltig der freien Rede mächtig, wirkte er überall im Ausland als vornehmer Repräsentant Deutschlands. Abseits jeder politischen Diplomatie mehrte er nach verlorenem Kriege auch den neuen politischen Kredit und trug besonders zu einer amerikanisch-deutschen Entspannung bei.»

      Die Cap Arcona umrundete nicht die Welt, und Ernst Rolin schaffte es nicht auf das Cover des Time Magazine, doch das Luxusschiff stand wie das Luftschiff für ein neues Deutschland, das in der Phase zwischen Währungsreform und Wirtschaftskrise, als die zwanziger Jahre auch in Deutschland zumindest golden angehaucht waren, für eine Nation, die ihren Stolz zurückerlangte. Das Verhältnis zwischen den Kriegsgegnern begann sich zu normalisieren. Aus den Reichstagswahlen 1928 ging mit fast dreißig Prozent Stimmenanteil einmal mehr die Sozialdemokratische Partei als Siegerin hervor und war anschließend in einer großen Koalition mit bürgerlichen Mitteparteien an der Regierung beteiligt – die Nationalistische Deutsche Arbeiterpartei NSDAP musste dagegen Stimmenverluste hinnehmen und blieb mit 2,6 Prozent der Stimmen eine Splitterpartei. Die deutsche Industrieproduktion überflügelte die englische, die Arbeitslosenquote war tiefer als in Großbritannien, mit rund zehn Prozent allerdings deutlich höher als in Frankreich und den USA. Die Cap Arcona war das größte Schiff, das in Deutschland seit dem Krieg gebaut wurde, erreichte zwar nicht die Ausmaße der drei gigantischen Dampfer, die als größte Schiffe der Welt kurz vor dem Ersten Weltkrieg in Hamburg vom Stapel gelaufen waren, verzichtete aber auch auf die Großspurigkeit, die bei den drei Vorkriegsdampfern schon in ihren martialischen Namen Imperator, Vaterland und Bismarck zum Ausdruck kam. Die Cap Arcona, benannt nach dem Kap Arkona, einer ins Meer ragenden Steilküste im Norden der Insel Rügen, jedoch weicher und international eingängiger zweifach mit C statt mit K geschrieben, strahlte dagegen in ihrer wohlproportionierten Silhouette und mit den lebendig roten Topps eine Leichtigkeit aus, die den Vorkriegsmonstern abging, verfügte über modern ausgestattete, luftige Gesellschaftsräume, vermochte höchste Ansprüche einer reichen Kundschaft zu erfüllen, fuhr pannenfrei, hielt ihren Fahrplan ein und war vorerst das schnellste Schiff auf der Südamerikaroute – ein Musterbeispiel «dessen, was der deutsche Reeder an technischer Zuverlässigkeit und an organisatorischer Gewissenhaftigkeit leisten konnte», wie es im Geleitwort zu Rolins Lebenserinnerungen heißt. «Diese Welt des deutschen Schiffes war kein äußerer Schein, sondern die solide Summe aller guten deutschen Eigenschaften. Wenn es hinausfuhr in fremde Häfen, an ferne Küsten, dann blieb es immer ein wertvolles Stück der Heimat, aber ausgestattet mit allen guten Fähigkeiten, sich in die Wünsche und Bedürfnisse der fremden Völker einzufühlen, denen es ebenso dienen musste wie den eigenen.»

      Und der Reisejournalist Albert Köhler meint mit einem Seitenhieb auf den Parlamentarismus der Weimarer Republik: «Ein einziger Dampfer wie Cap Arcona, der für deutsche Technik und Leistung eine klare Sprache spricht und der die Völker aller Zungen friedlich zu einer großen Familie in seine fabelhaft eleganten Räume schließt, hebt Deutschlands Weltgeltung und auch seine Börsenaktien mehr als tausend Reichstags-‹Reden›.»

      Die Probefahrt der Cap Arcona wurde Ende Oktober 1927 in Hamburg und entlang der Elbe von Abertausenden von begeisterten Zuschauern bejubelt, und als das neue Schiff auf seiner Jungfernfahrt Anfang Dezember des gleichen Jahres im Hafen von Buenos Aires lag, kamen innerhalb eines Tages über fünfzehntausend Besucher an Bord, um das neue Wunderschiff zu besichtigen. Der argentinische Staatspräsident Marcelo Torcuato de Alvear, der es sich am folgenden Morgen, kurz vor Beginn der Rückfahrt, nicht nehmen ließ, den Schnelldampfer ebenfalls zu besichtigen, beglückwünschte die Hamburg-Süd in einem Telegramm für die «hervorragende Leistung, welche Ihr Dampfer Cap Arcona darstellt», und schließt: «Ich betrachte dieses Schiff als einen würdigen Vertreter des gewaltigen Fortschritts der deutschen Schifffahrt und Industrie und hoffe, dass es ein weiteres Bindeglied für die Annäherung und Förderung der guten Beziehungen sein wird, welche unsere Völker verbinden. Alvear, Präsident der argentinischen Nation.» Nach Ablauf seiner Präsidentschaft (1928) überquerte Alvear den Atlantik mehrmals auf der Cap Arcona.

      Ernst Rolin brauchte keinen Dolmetscher, als er den Staatspräsidenten durch die Cap Arcona führte. Der Commodore sprach fließend Spanisch. Rolin, geboren 1863 in Gowarzewo in der damals preußischen Provinz Posen – heute polnisch –, war als fünfzehnjähriger Schiffsjunge auf einem Segler nach fünfundsechzigtägiger Fahrt zum ersten Mal von Hamburg nach Südamerika gelangt. Bereits im Besitz des Kapitänspatentes, trat er 1890 bei der Hamburg-Südamerikanischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft in Dienst, die 1871 gegründet worden war, im gleichen Jahr wie das Deutsche Reich. Für die Hamburg-Süd fuhr Ernst Rolin jahrelang der südamerikanischen Küste entlang, zuerst nach Patagonien und Feuerland, später in den Norden Brasiliens, führte dann komfortable Passagierdampfer über den Südatlantik und war auch bei Kriegsausbruch Ende Juli 1914 auf dem Weg von Hamburg nach Pernambuco.

      Unter den Passagieren befanden sich auf dieser Fahrt, berichtet Rolin in seinen Lebenserinnerungen, «Vertreter der verschiedensten Nationen. Als die Kriegserklärungen bekannt wurden, herrschte an Bord begreiflicherweise erhebliche Aufregung.» Mit einer kurzen Ansprache, die er auf Deutsch, Spanisch und Englisch hielt, gelang es dem Kapitän, die zerstrittenen Passagiere zu beruhigen: «Wir haben im vollen Frieden die europäischen Häfen verlassen und sind von der Kriegserklärung überrumpelt worden. Der Krieg wird an Land ausgetragen. Daher bitte ich jeden Einzelnen unter Ihnen, seine persönliche Einstellung und Stimmung zurückzustellen und, jeder an seinem Teil, die schöne Harmonie mit hochzuhalten, die bis jetzt an Bord geherrscht hat. Mir persönlich liegt es völlig fern, hier an Bord zwischen den einzelnen Nationen irgendwelchen Unterschied zu machen. Ich stehe jedem von Ihnen mit derselben Bereitwilligkeit zur Verfügung.»

      Bald wurde der Krieg nicht mehr nur an Land ausgetragen. Brasilien zählte zu Beginn des Kriegs zu den neutralen Staaten. Mit einem Dutzend anderer deutscher Dampfer lag Rolins Cap Vilano – schon damals benannte die Hamburg-Süd ihre beliebten Passagierschiffe nach Kaps, schon damals gab es auch eine erste Cap Arcona – untätig im Hafen von Pernambuco, vorerst auch aus deutscher Sicht gut informiert über das Kriegsgeschehen durch eine später von englischer Seite gekappte Kabelverbindung, die von Deutschland über Spanien durch das Meer nach Brasilien führte. Als deutsche Torpedoboote brasilianische Dampfer torpedierten, die Kriegsmaterial nach Frankreich lieferten, wurden im Sommer 1917 die Cap Vilano und die übrigen deutschen Schiffe beschlagnahmt, Brasilien erklärte Deutschland bald darauf den Krieg.

      Ernst Rolin verließ Brasilien und begab sich nach Argentinien, erlangte dort sowohl das Bürgerrecht als auch das argentinische Kapitänspatent und übernahm einen Küstendampfer. Nach dem Krieg mussten die deutschen Reedereien sämtliche größeren Schiffe und einen Teil der kleineren an die Alliierten abgeben, womit die im Krieg erlittenen Verluste der Siegerstaaten zwar nicht ansatzweise ausgeglichen werden konnten, was aber auch die Hamburg-Süd praktisch ihrer gesamten Flotte beraubte. Die ersten Nachkriegsfahrten unternahm die Hamburg-Südamerikanische Dampfschifffahrts-Gesellschaft mit drei Schonern, die mit Salzlieferungen nach Südamerika segelten. Doch wie andere deutsche Reedereien erholte sich die kapitalkräftige Gesellschaft rasch, nach Aussage des Schifffahrtshistorikers Hartmut Rübner nicht zuletzt dank staatlicher Anschubfinanzierung, Deviseneinnahmen sowie der Tatsache, dass deutsche Firmen aufgrund der schwachen Währung und der tiefen Löhne auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig blieben. 1921 gelang es der Reederei, mehrere der konfiszierten Dampfer zurückzukaufen, darunter die Cap Polonio, einen fast zweihundert Meter langen Dreischornsteindampfer, der 1914 vom Stapel gelaufen war. Nachdem die Cap Polonio bei Blohm & Voss in Hamburg revidiert und mit Ölfeuerung ausgestattet worden war, übernahm Rolin 1922 das Kommando des Ozeanriesen, dessen


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