Eros und Logos. Группа авторов
von Magdeburg, Das fließende Licht der Gottheit, 2. neubearb. Übersetzung mit Einführung und Kommentar von Margot Schmidt, frommann-holzboog, Stuttgart/Bad Cannstatt, 1995.
Wolfgang Mohr, „Darbietungsformen der Mystik bei Mechthild von Magdeburg“, in: Hugo Kuhn/Kurt Schier (Hrsg.), Märchen, Mythos, Dichtung. Festschrift für Friedrich von der Leyen, C.H. Beck, München 1963, S. 375–399.
Gall Morel, „Vorrede und Einleitung“, in: ders. (Hrsg.), Offenbarungen der Schwester Mechthild von Magdeburg oder das fliessende Licht der Gottheit, Georg Joseph Manz, Regensburg, 1869, S. III–XXII.
Hans Neumann, „Beiträge zur Textgeschichte des ‚Fliessenden Lichts der Gottheit‘ und zur Lebensgeschichte Mechthilds von Magdeburg“, in: Kurt Ruh (Hrsg.), Altdeutsche und Altniederländische Mystik, Wissenschaftliche Buchhandlung, Darmstadt, 1964, S. 175–239.
Hans Neumann, „Mechthild von Magdeburg“, in: Kurt Ruh (Hrsg.), Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 6: ‚Marienberger Osterspiel‘ – Oberdeutsche Bibeldrucke, Walter de Gruyter, Berlin/New York, 2010, S. 260–270.
Ursula Peters, Religiöse Erfahrung als literarisches Faktum: Zur Vorgeschichte und Genese frauenmystischer Texte des 13. und 14. Jahrhunderts, Walter de Gruyter, Berlin/New York, 1988.
Kurt Ruh, Geschichte der abendländischen Mystik, Bd. 2: Frauenmystik und franziskanische Mystik der Frühzeit, C.H. Beck, München, 1993.
Gisela Vollmann-Profe, „Mechthild von Magdeburg“, in: Literaturlexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache, hrsg. von Walther Killy, 15 Bände, Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh-München, 1988–1993, Bd. 8, S. 40–43.
Erotik und Sexualität im Märe des Spätmittelalters
Sprachwitz, Intelligenz, Spiel und sexuelle Erfüllung
Albrecht Classen (Tucson, Arizona)
I
Was wäre die Weltliteratur ohne das große und unerschöpfliche Thema von Erotik und Sexualität? Das menschliche Leben ist bis heute stets noch von dem Verlangen nach erotischer oder sexueller Erfüllung bestimmt, wenngleich sich die sozialen, ökonomischen, politischen und religiösen Rahmenbedingungen im Laufe der Zeit erheblich gewandelt haben. Liebe gehört zum A und O der menschlichen Existenz, wie uns bereits das Hohelied im Alten Testament deutlich zu erkennen gegeben hat. Zugleich handelt es sich um eines der schwierigsten Probleme in unserem Dasein, das uns quält, beglückt, zufrieden oder unzufrieden stellt, leicht zu Hass und Streit führt und unablässig Unruhe, ja sogar Konflikte auslöst, immer wieder unendliche Freude bereitet und die Erfüllung all unserer Wünsche repräsentiert.1
Ob wir an Ovid in der römischen Antike oder an Shakespeare im 17. Jahrhundert denken, die Spannungen zwischen Liebenden oder Ehepartnern treten immer wieder auf, denn nicht nur gibt es gravierende Unterschiede zwischen den Geschlechtern, sondern die Intensität und Art der Gefühle variieren ununterbrochen. Das ganze menschliche Leben findet sich vielfach gebrochen und reflektiert vor allem im literarischen Diskurs über die Liebe, die als ‚Grundton der Weltmusik‘ stets gleich bleibt, die aber im Laufe der Zeit in ihrer gesellschaftlichen Ausprägung beträchtlichen Abwandlungen unterworfen ist. Hinsichtlich des Liebesdiskurses können wir sogar einen gemeinsamen Nenner auf den verschiedenen Kontinenten über alle Zeiten hinweg feststellen, womit wir über soziale und kulturelle Barrieren hinweg ein gleichartiges Interesse im menschlichen Leben wahrzunehmen vermögen. So findet sich das Genre des Tageliedes auf der ganzen Welt verbreitet und hat noch jede Generation von Dichtern zu neuen Schöpfungen angeregt.2 Wir dürfen trotzdem grob einschätzend postulieren, dass das spezifische Wesen von Liebesbeziehungen als Charakteristikum von kulturellen Epochen angesehen werden kann, was ja die bisherige Forschung im großen Umfang und in korrespondierender Intensität sehr deutlich vor Augen geführt hat. Literaturwissenschaft ist oftmals mit nichts anderem als mit dem Erotik-Diskurs beschäftigt, d.h. mit der zentralen Thematik des Lebens. Schließlich ergänzt ja das Streben nach Liebe den grundsätzlichen Überlebenstrieb, wobei die materielle Dimension mittels der Liebeserfahrung ihre faszinierende Überhöhung/Sublimierung erfährt.
Bei genauerer Betrachtung wird man sicherlich zur Erkenntnis gelangen, dass Dichter oder Autoren über alle Zeiten hinweg meistens nur ganz wenige zentrale Anliegen angesprochen haben, sei es die Gottessuche, Tod, Selbstfindung, Welterfahrung oder eben Liebe in ihren vielen Ausprägungen. Zugestandenermaßen lässt sich z.B. der höfische Roman nicht ohne weiteres mit einem Roman des 19. oder 21. Jahrhunderts vergleichen, und sicherlich differieren die politischen oder ideologischen Anliegen von Verfassern von Heldenepen beträchtlich von denjenigen von Dramatikern oder Lyrikern der modernen Epoche. Das zentrale Wesen des Menschen verändert sich aber nicht, insoweit als jeder schon immer nach Liebe und Glück, ausgedrückt durch das Grundmuster der Erotik, gesucht hat, was in literarischen Werken unablässig und in zahllosen Manifestationen zum Ausdruck kommt.3 Die äußeren politischen, religiösen oder ökonomischen Bedingungen wandeln sich natürlich ständig, aber nicht das Streben nach persönlicher Liebeserfahrung.
Die vorliegende Forschung zum Cluster Erotik und Sexualität ist natürlich dementsprechend mittlerweile so umfangreich angewachsen, dass es absurd erscheint, auch nur den Versuch zu wagen, eine konzise Zusammenfassung der einschlägigen Literatur zu diesem Thema zu bieten. Sowohl im gesamten Mittelalter als auch in der Barockzeit, sowohl in der Romantik als auch im Realismus begegnen wir fortlaufend Bemühungen von Dichtern unter anderen, den Fragen, Anliegen, Hoffnungen oder der Sehnsucht nach erotisch-sexuellen Erfüllungen poetischen Ausdruck zu verleihen. Im vorliegenden Aufsatz soll es aber darum gehen, in dem Rahmen einer besonderen Gattung mehr Aufmerksamkeit zu widmen, weil wir hier ein wichtiges Übergangsphänomen identifizieren können, das recht gut die Transformation vom Mittelalter zur Renaissance bzw. Reformationszeit auf der Ebene des Privatlebens, d.h. innerhalb des Diskurses über Erotik, Ehelehren und Sexualität zu erklären vermag.4
Die Rede ist hier von den spätmittelalterlichen mæren, deren Ausgangspunkt bereits im Werk Des Strickers (erste Hälfte des 13. Jahrhunderts) zu finden ist, die im Laufe der Zeit immer größere Beliebtheit genossen und letztlich die Grundlage für die Entstehung des prosaischen Schwanks darboten, der in großer Zahl die öffentliche Unterhaltung seit dem 16. Jahrhundert bestritt, oftmals geprägt von Witz und Erotik, Satire und derbem Spott.5 Die meisten Werke wurden von uns fast ganz unbekannten Dichtern geschaffen, auch wenn wir öfters ihre Namen kennen. Wie populär sie wirklich gewesen sein mögen, können wir heute auch nicht mehr präzise einschätzen, denn der sehr wahrscheinliche Verlust von handschriftlichen Kopien hat dieser Kalkulation einen Riegel vorgeschoben. Aber die Überlieferung von einschlägigen Texten erweist sich insgesamt als sehr beeindruckend, und so manche der mæren lassen sich durchaus als Meisterwerke ihrer eigenen Art beweisen.6
Viele dieser Verserzählungen sind bisher schon das Objekt kritischer Analysen gewesen, während es mir hier nicht so sehr um die spezifischen Gattungsfragen oder inhaltlichen Aussagen geht, sondern darum, wie hier Erotik und Liebe gespiegelt werden und wie dieser Themenkomplex insgesamt dazu führte, dass intelligente Prozesse in die Wege geleitet werden können, die sich auf die individuelle Lebensbewältigung und das Arrangement mit der sozialen Struktur bzw. der Gesellschaft beziehen. Weiterhin soll dargestellt werden, wie stark einzelne Autoren der mæren darauf zielten, mittels ihrer ‚Liebesgeschichten‘ erkenntnisvermittelnd zu wirken, indem sie vor Augen führten, auf welche Weise das Medium Sprache dazu dienen konnte, um Verständnis davon zu entwickeln, wie religiöse, philosophische, ethische und moralische Aspekte im Leben zu bewältigen wären. Anstatt wie andere Forscher darauf zu insistieren, dass hier in dieser Gattung Elemente des Bösen, des Chaos und der Dekonstruktion stark zutage treten, was gelegentlich wohl der Fall sein mag,7 soll der Nachweis erbracht werden, dass über diese mæren ein fundamentaler Diskurs gepflegt wurde, wie die Erotik zum Einsatz gebracht werden konnte, um grundsätzliche Probleme in der Liebe, der Ehe und der Sexualität anzugehen und neuartig zu lösen bzw. zumindest kritisch zu umschreiben, um somit zur pragmatischen und glückserfüllten Lebensbewältigung beizutragen.
Die Vielfalt an diesen