Textlinguistik. Группа авторов
auch Kap. 7) ist ebenfalls ein aktuelles Problem für die Textlinguistik. Es geht nicht nur darum, dass die bekannten Klassifizierungsfragen (z.B. typologische und referenzielle Intertextualität) und die Frage ihrer analytischen Erhebbarkeit problematisch sind (Intertextualität als ein Phänomen des Textes oder der Rezeption?), sondern es zeigen sich auch neue Probleme. Neue Formen von Text-Text-Bezügen, die sich aus den elektronischen Möglichkeiten ergeben, stehen auf der Tagesordnung: Beispiel HypertextHypertext – ein holistischer Text, der als Verbund von digital gespeichertem Sprachtext mit Tonmaterial, mit Bildern, Filmen, Grafiken u.Ä., also mit Texten mehrerer Kodes, auftreten kann und dies in der Regel auch tut (vgl. Kap. 14). Hinzu kommen, durch die DiskursanalyseDiskursanalyse linguistischer Provenienz ins Blickfeld gerückt, kulturell geprägte Verbünde von Texten als TEXTSORTENNETZETextsortennetz (z.B. alle Texte um das Thema ‚Buch‘ – vom Klappentext über den Roman, das Motto, das Vor- oder Nachwort, die Rezension bis hin zu Buchwerbetexten, siehe 7.4.3) und SERIENSerie von Texten wie Fortsetzungstexte, Fassungen, Reihen, die sich nicht nur in der Literatur, sondern auch in der Presse und in der Werbung finden.
Zum Schluss ist auch noch der Ort der Präsentation eines Textexemplars zu nennen. Bisher hat die Textlinguistik dem Faktum, dass Texte als Exemplare einer Textsorte auch durch den Ort ihrer Veröffentlichung bestimmt werden, wenig Beachtung geschenkt. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass einige Textsorten wie z.B. Klappentext, Graffiti, Packungsbeilagen und Verkehrszeichen, sofern man letztere mit Beaugrande/Dressler (1981) als Text auffassen will, in ihrer Bedeutung und Funktion „ortsgebunden“ sind. Dem Phänomen wird sich die Textlinguistik noch zuwenden müssen.
In diesem Überblick wurde versucht, sowohl relativ gesichertes Wissen als auch neue Fragen und Perspektiven aufzuzeigen. Nur wenn man beides im Blick hat, wird man mit dem Problemkreis ‚Text‘ in der Vielfalt seiner Aspekte und Bezüge umgehen können.
Kommentierte Literaturtipps
Von den vorliegenden Handbüchern zur Textlinguistik sei vor allem Adamzik 2004 genannt. Darüber hinaus sind folgende Handbücher für folgende Zwecke verfügbar: für die Textgrammatik Gansel/Jürgens 22007, für die Textanalyse Brinker 62005 bzw. Brinker u.a. 82014, für die Text- und Stilanalyse Eroms 2007, Fix/Poethe/Yos 2001 und Sandig 22006, letzteres eine Arbeit, die über den Handbuch- und Einführungscharakter weit hinausgeht. Wer sich für GesprächeGespräch und die Klassifizierung von Gesprächen interessiert, findet Aufschluss in Brinker u.a. 2001. Genaueres zum Thema ‚Textnetze‘ und ‚Textverbünde‘ kann man u.a. bei Adamzik 2001a, 2004 oder Klein 2000 nachlesen (vgl. auch Kap. 6 und 7). Dort finden sich auch ausführliche Beispiele. Zu den Textualitätskriterien vgl. einführend den knappen Überblick in Adamzik 2004: 47f. und ausführlicher in Sandig 2006 das Kapitel „Stil im Text“ (vor allem die Seiten 309ff.).
Seit 2008 sind zudem eine ganze Reihe neuer Studienbücher (z.B. Krieg-Holz/Bülow 2016, Hoffmann 2017) und Handbücher zum Thema erschienen (z.B. Habscheid 2011, Birkner/Janich 2018).
2 Text und DiskurslinguistikDiskurslinguistik
Ingo H. Warnke
2.1 DiskursDiskurs als textübergreifende Struktur
2.2 Richtungen und Akzentuierungen der Diskurslinguistik
2.2.1 Textualistische und epistemologische Diskurslinguistik
2.2.2 Diskurslinguistik nach Foucault
2.2.3 AkteureAkteur, Wissen, Macht
2.3 Gegenstandsbereiche der Diskurslinguistik
2.3.1 Unterspezifiziertheit und Übergeneriertheit
2.3.2 DiskursdimensionenDiskursdimension
2.4 Methoden der Diskurslinguistik
2.4.1 Intratextuelle Ebene nach DIMEAN
2.4.2 Diskurshandlungen nach DIMEAN
2.4.3 Transtextuelle Ebene nach DIMEAN
2.4.4 Layout der Diskurslinguistischen Mehr-Ebenen-Analyse DIMEAN
2.1 Diskurs als textübergreifende Struktur
Die in Kap. 1 diskutierte Erweiterung von Gegenstandsbereichen der traditionellen Linguistik in der Textlinguistik entspricht der Frage nach Kontexten. So wie ein Morphem als Kontext eines Phonems verstanden werden kann, kann ein Wort als Kontext eines Morphems aufgefasst werden. Diese Konstituentenstruktur der Sprache, bei der jeweils kleinere Elemente Teil von größeren Einheiten sind, lässt sich bis zum Text fortdenken. Denn Sätze sind keine so genannten terminalen Einheiten, sie sind wiederum kontextualisiert: in Texten. Wir können sogar sagen, dass Texte alltagstypische Rahmenkonstrukte von Sätzen sind. So erhalten wir – stark vereinfacht – ein Modell des hierarchischen Konstituentensystems sprachlicher Einheiten:
[ Text [ Satz [ Wort [ Morphem [ Phonem ] ] ] ] ]
Dieser strukturelle Aufbau ist einer der Gründe für die Komplexität von textlinguistischen Analysen. Texte sind keine unabhängigen Einheiten, sondern umfassen eine Reihe selbst wiederum recht komplexer linguistischer Formen und Funktionen.
Denken wir diesen Aufbau weiter, so können wir fragen, ob mit dem Text die größte linguistisch zu beschreibende Einheit der Sprache gefunden ist. Diese Frage ist unabhängig von einer anderen Frage zu stellen, der Frage danach, was überhaupt ein Text ist und wo dessen Grenzen liegen. Diese zweite Frage wollen wir hier nicht weiter verfolgen, sie wurde bereits in Kap. 1 erörtert. Wir wollen uns auf die Frage konzentrieren, ob Texte auch kontextualisiert sind, ob es also eine oder mehrere Rahmenstrukturen für Texte gibt.
Ähnlich wie bei der Infragestellung des Satzes als größter linguistisch zu beschreibender Einheit hat man zunächst versucht, diese Frage zu verneinen. Dies geschah in der Befürchtung vor einer fortschreitenden und nicht absehbaren Erweiterung der Linguistik und ist eine Folge davon, dass wissenschaftliche Schulen ihre vertrauten Gegenstandsbestimmungen ungern gefährdet sehen. Jedoch wurde die Frage nach dem Kontext von Texten lauter. Einerseits hat man in Reaktion auf den Poststrukturalismus, insbesondere auf den in den 1960er-Jahren geprägten Begriff der IntertextualitätIntertextualität (Kristeva 1969, siehe auch Kap. 7) erkannt, dass Texte häufig auf andere Texte verweisen. Dieser Verweis erfolgt nicht nur durch Zitate, sondern auch da, wo man sich auf Wörter, Argumente, Meinungen anderer Texte beruft oder andere Texte auch nur Anlass der Textproduktion sind. In all diesen Fällen können wir von einer so genannten Intertextualität ausgehen: Die Existenz des einzelnen Textes – des so genannten singulären Textes − verdankt sich also der beabsichtigten oder unbeabsichtigten Bezugnahme auf andere Texte. Man hat außerdem erkannt, dass in singulären Texten häufig das zu finden ist, was in einer ganzen Gruppe anderer Texte auch belegt ist. Die Auswirkungen des Versailler Vertrags auf die deutsche Politik der 1920er- und 1930er-Jahre ist nicht nur in einem Text thematisiert, sondern in einer kaum zu übersehenden Zahl von Texten. Innerhalb dieser Texte kann man Gruppierungen vornehmen, etwa nach inhaltlichen oder zeitlichen Gesichtspunkten. Man sieht dann, dass ein einzelner Text, etwa ein Zeitungsartikel zum Thema „Versailler Vertrag“ aus dem Jahr 1933, keineswegs so vereinzelt ist, wie man das zunächst annehmen könnte. In einem solchen Text finden sich sprachliche Formen und Funktionen, die mehr oder weniger mit anderen Texten übereinstimmen. Der singuläre Text ist also Konstituente eines größeren Kontextes. Dieser Kontext wird DISKURS genannt. In Ergänzung des vereinfachten hierarchischen Konstituentenmodells kann also eine Erweiterung vorgenommen werden:
[ Diskurs [ Text [Satz [ Wort [ Morphem [ Phonem ] ] ] ] ] ]
Auch wenn mit dieser Formalisierung die Einbettung des Textes in die Konstituentenstruktur des Sprachsystems erkennbar wird, ist der damit dargestellte Diskursbegriff noch nicht hinreichend bestimmt. Wie bereits ein Blick in allgemeinsprachige Wörterbücher zeigt, ist die Bedeutung des Substantivs Diskurs komplex, was erst recht gilt, wenn wir fachwissenschaftliche Bedeutungsdimensionen hinzudenken.