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Übergeneriertheit zeigen sich als methodische Fallen der Diskurslinguistik, die man bei der empirischen Arbeit im Bewusstsein behalten sollte.

      

Da Diskurse sehr komplex sind, ist es nicht immer einfach, alle fachwissenschaftlichen Möglichkeiten der Analyse zu nutzen. Es stellt sich hier die Frage, was die akzeptierten und akzeptablen Gegenstandsbestimmungen der Linguistik sind und ob diesen entsprochen werden muss. Schließlich sind wissenschaftliche Gegenstandsbereiche selbst dynamisch. Diskurse sind recht komplex strukturiert, d.h., ihre Formen und Funktionen sind vielfältig und gehen über das rein Sprachliche hinaus. Jedoch kann das nicht bedeuten, dass auch die linguistische Analyse von Diskursen weit über die fachwissenschaftliche Identität der Sprachwissenschaft hinausreichen sollte. Hinreichende Untersuchungsergebnisse sind oft nur in interdisziplinärer Zusammenarbeit möglich. Der Linguistik kommt dabei keineswegs die Rolle einer Hilfswissenschaft zu, etwa für Historiker und Soziologen, die weitgehende Sprachlichkeit von Diskursen fordert geradezu eine zentrale Berücksichtigung linguistischer Methodenkompetenz gerade auch in interdisziplinären Forschungen der Diskursanalyse.

      Das wirft die Frage auf, ob es eine einheitliche Methode des diskurslinguistischen Arbeitens überhaupt geben kann. Wir wollen uns dieser Frage nähern, indem wir zunächst auf die verschiedenen Erscheinungsformen von Diskursen eingehen, auf die DISKURSDIMENSIONENDiskursdimension.

      2.3.2 Diskursdimensionen

      Diskurse sind multidimensional, sie bestehen aus einer Fülle von bedeutungs- und funktionstragenden Elementen, die von Wörtern über Bilder, Raumformen bis zu HandlungenHandlung reichen. Diskursanalyse im Allgemeinen ist daher auch etwas anderes als Diskurslinguistik im Besonderen. In der Diskursanalyse kann man sich mit Plänen von Gefängnisanlagen im 19. Jahrhundert ebenso befassen wie mit strafrechtlichen Gutachten, also mit Raumformationen und Texten. Man könnte vermuten, dass man es dabei mit sehr unterschiedlichen Zeichensystemen zu tun hat. Aber gerade die Abgrenzung von sprachlich verfassten Texten zu visuellen Zeichen ist keineswegs so einfach möglich, wie man das intuitiv annehmen könnte. Wir sind es gewöhnt, Sprache vor allem als nicht-visuelles Zeichensystem zu verstehen, als akustische Repräsentation von Bedeutung, die durch Schrift lediglich festgehalten werden kann. In der Linguistik hat man das Akustische (orale Sprache) über lange Zeit derart aufgewertet, dass Schrift (literale Sprache) von manchen gar nicht als Sprache angesehen wurde. An dieser Medienvergessenheit der Linguistik hat sich im Zuge schriftgeschichtlicher Arbeiten einiges geändert (Dürscheid 32006). Nicht nur unterschiedliche Schriftsysteme, auch ihre konkreten Zeichenkörper wie Handschrift, Druckschrift, Typographien etc. sind Teil der semiotischen Organisation von Bedeutung (siehe auch 1.6). Wir sehen also, dass bereits die Medialisierung von Sprache durch Schrift eine visuelle Bedeutungsebene begründet. Visualität in Text und Diskurs geht aber darüber noch weit hinaus. Sobald textuelle Informationen illustriert sind, also durch Grafiken, Bilder, Abbildungen etc. angereichert, lässt sich die Annahme einer Text-Bild-Schranke überhaupt nicht mehr aufrechterhalten. Sprachliches Wissen und visuelles Wissen greifen häufig ineinander, nicht zuletzt in der GraphostilistikGraphostilistikStilistikGraphostilistik.

      

Man kann sich für sein eigenes Wohnumfeld fragen, welche Vorstellungen über das menschliche Zusammenleben sich darin eigentlich ausdrücken: In welchen Diskursen wurden diese Vorstellungen ausgehandelt? Wie wird das in urbanen Räumen erkennbar? In welchen Texten werden Raumformationen thematisiert? Welche städtebaulichen Leitbilder prägen meine Lebensumgebung? Gleiches gilt für Handlungen, für die so genannte performative Dimension des Diskurses. Aussagen im Diskurs können nicht nur textuell, visuell oder raumgestaltend getroffen werden, sondern auch durch Handlungen. Politische Demonstrationen zeigen das sehr gut. Das Erscheinen selbst, zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort, kann bereits eine Verlautbarung im Diskurs sein. Wir können hier auch an Revolutionen denken, an Paraden, an öffentliche Jubiläumsfeiern. Diese noch nicht ausreichend untersuchte Performativität des Diskurses manifestiert sich zumeist gemeinsam mit visuellen Kommunikaten und textuellen Aussagen.

      Anhand der Überlegungen zu verschiedenen DiskursdimensionenDiskursdimension erkennen wir, dass eine Erklärung des Diskurses als Erweiterung der sprachlichen Konstituentenstruktur zu kurz greift. Dennoch muss darauf hingewiesen werden, dass die Diskurslinguistik bei allem Interesse an Dimensionsverschränkungen in erster Linie mit sprachlichen Daten arbeitet bzw. arbeiten sollte. Dass hier auch Beziehungen zu anderen Zeichensystemen in den Blick geraten, kann nur begrüßt werden und befreit die Sprachwissenschaft aus ihrer zum Teil noch immer selbst auferlegten Abstinenz gegenüber nicht-sprachlichen Symbolformen.

      2.4 Methoden der Diskurslinguistik

      Wie kann man nun dem komplexen Gegenstand DISKURS methodisch gerecht werden? Ebenso wie zum Zweck der Analyse von Sätzen und Texten gibt es auch für die Untersuchung von Diskursen unterschiedliche Verfahren mit jeweils differenten wissenschaftlichen Perspektiven. Da man die Komplexität eines Diskurses allein linguistisch kaum fassen kann, wird man sich bei sprachwissenschaftlichem Interesse immer auf Teilgegenstände von Diskursen konzentrieren. Jedoch kann dafür eine bloße Sammlung unterschiedlichster diskurslinguistischer Möglichkeiten kaum befriedigen. Gerade weil der Diskurs ein verwirrend komplexer Gegenstand ist, spricht wenig für eine Individualisierung von Forschungsperspektiven.

      Notwendig ist eine systematische Methodik, auf deren Grundlage Entscheidungen für spezifische Fragestellungen möglich sind. Erforderlich ist die Einhaltung der wissenschaftlichen Grundprinzipien Validität und Reliabilität (vgl. Busch 2007). Unter Validität versteht man die Gültigkeit einer Analyse aufgrund ihres argumentativen Gewichts, unter Reliabilität die formale Genauigkeit einer Untersuchung. Bevor ich ein diskurslinguistisches Methodensystem vorstelle, das sowohl Validität als auch Reliabilität sichert, ist es sinnvoll, Foucaults methodische Prinzipien selbst kennenzulernen. Wenngleich sehr abstrakt, machen diese deutlich, was die Diskurslinguistik nach Foucault von einer einfachen Erweiterung der Textlinguistik unterscheidet. Foucault (1974) nennt vier methodische Prinzipien der Diskursanalyse:

      1 UMKEHRUNG als Frage nach den Bedingungen, unter denen eine Aussage zustande kommt. Während sprachliche Äußerungen herkömmlich als intendierte Produkte von Sprechern oder Schreibern angesehen werden, versteht Foucault die Aussagen nicht als Ergebnis von individuellen Absichten. Aussagen werden nicht vor dem Hintergrund ihrer Bindung an Subjekte analysiert – sie werden nicht als Schöpfung verstanden, sondern als Ereignis in einem Feld von Diskursbedingungen.

      2 DISKONTINUITÄT als Frage nach den Brüchen in Diskursen. Foucault lehnt die Annahme kontinuierlicher Entwicklungen des Sprechens über die Welt ab. Sprache ist demnach keine evolutionäre Einheit, sondern ein System von SerienSerie. Aussagen werden in ihren Widersprüchen zueinander in den Blick genommen.

      3 SPEZIFITÄT als Absage an die Annahme von konstantem Sinn jenseits diskursiver Aushandlung. Gegen die Vorstellung ursprünglichen Sinns stellt Foucault das Prinzip der Regelhaftigkeit von Diskursstrukturen.

      4 ÄUSSERLICHKEIT als Frage nach den Möglichkeitsbedingungen von Aussagen. Weil im Diskurs ausgehandelt wird, was überhaupt zu wissen ist, wird die Suche nach den Bedingungen von Aussagen relevant. Untersucht werden sprachliche Oberflächenstrukturen.

      Diese Prinzipien sind in der Diskurslinguistik methodologischer Ausgangspunkt für ein Analysemodell, das die Mehrschichtigkeit von Diskursen erfasst. Warnke/Spitzmüller (2008b) sprechen von einer DISKURSLINGUISTISCHEN MEHR-EBENEN-ANALYSE, kurz DIMEAN.1 Mit DIMEANDIMEAN wird der Komplexität von Diskursen entsprochen, Unterspezifiziertheit von Ergebnissen vermieden und Übergeneriertheit von Analysen ausgeschlossen. Darüber hinaus erläutert DIMEAN das konkrete Vorgehen bei der linguistischen Untersuchung von Diskursen.

      Empirische Analysen der Diskurslinguistik sollten sinnvollerweise einem Stufenmodell folgen. Vor jeder Beschäftigung mit Aussagen im Diskurs ist zu klären, mit welchem Textkorpus gearbeitet werden kann und sollte. Man wird in der Regel für das eigene Untersuchungsziel zunächst relevante Texte oder Textteile sammeln und diese Sammlung als Datenbasis, als Korpus einer Untersuchung definieren. Diesen


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