Sittes Welt. Группа авторов
Westen der Republik stammten, fokussierten sich vor allem auf die Kunst der zeitgenössischen Westmoderne oder in Einzelfällen auf die Kunst der ostdeutschen Dissidenten.
Gab es eine staatssozialistische Moderne?
Wenn man die hier nur ausschnitthaft benannten Ereignisse Revue passieren lässt und nach der Essenz dieses langwierigen Streites sucht, dann stellt sich die Hauptfrage in deren Rezeption wie folgt: Hat es in den Kunstverhältnissen der DDR wirklich eine „staatssozialistische Moderne“ gegeben, die sich fundamental von dem in der frühen DDR nach sowjetstalinistischem Vorbild etablierten Sozialistischen Realismus unterschied? Von deren Existenz berichtet etwa der Kultursoziologe Wolfgang Engler (* 1952): Zwischen dem Mauerbau 1961 und der militärischen Niederschlagung des Prager Frühlings im Jahre 1968, so Engler, sei ein emanzipatorischer „Kampf um eine Moderne von unten, um einen partizipatorischen, demokratischen Sozialismus“15 geführt worden, an dem die Künste einen großen Anteil hatten.
Im Gegensatz zu dieser Haltung steht eine konträre Verortung des Phänomens. Es sei doch eher so, behaupteten deren Akteure, dass es sich bei der „DDR-Kunst“ lediglich um eine weitere regressive Spielart einer konzeptionellen „Anti-Moderne“ handele, die ihren Formenkanon und ihre Rollenmodelle aus dem historistischen Fundus entlehne. Diese Ansicht vertrat beispielhaft eine Ausstellung 1999 in Weimar
Die Ausstellung Inoffiziell/Offiziell – Die Kunst der DDR war eingebunden in ein repräsentatives Ausstellungsvorhaben der Kunstsammlungen zu Weimar und der Weimar 1999-Kulturstadt Europas GmbH. Auf dem Areal des NS-Gauforums im Platzgeschoss der ehemaligen, in den frühen 1930er Jahren begonnenen „Halle des Volkes“ (die in der DDR zu einer Mehrzweckhalle umgebaut wurde und seit 1991 leer stand) wurden 120 Bilder präsentiert aus der Sammlung Adolf Hitlers, die dieser zwischen 1937 und 1944 auf der Großen Deutschen Kunstausstellung in München kaufen ließ. Im selben Gebäude, ein Stockwerk darüber und durch einen rampenähnlichen Außenaufgang erschlossen, fand die von Achim Preiß kuratierte Exposition zur „DDR-Kunst“ statt, die einen der wohl größten Kunstskandale der Nachkriegszeit auslöste.
Insbesondere die Hängung im Hauptteil, einer Rotunde, empörte Künstler, Fachwelt und Feuilleton: Sie erfolgte in „Petersburger Hängung“ ohne Kennzeichnung der Sammlungstypen und ohne erkennbares Gestaltungsprinzip. Schlecht beleuchtet, vor dunkle Baustellenplanen gehängt, boten die Werke ein jammervolles Bild.
Es war kein Wunder, dass sich die Ausstellung sofort nach Beginn einer heftigen Kritik ausgesetzt sah, deren inhaltlicher Schwerpunkt vor allem die als Herabwürdigung empfundene Ausstellungsinszenierung war, die als Produkt einer „infamen Regie“ oder als Ausdruck einer offenkundigen Konzeptlosigkeit wahrgenommen wurde. Neben spektakulären Abhängeaktionen durch einzelne Künstler kam es zu Offenen Briefen von Künstlern, Leihgebern und verschiedenen Institutionen sowie am 23. Juni 1999 zu einer Protestaktion der PDS in Anwesenheit der Parteispitze und Willi Sittes. Rolf Bothe (* 1939), Direktor der Kunstsammlungen zu Weimar, ordnete daraufhin eine „Überarbeitung“ der Hängung an, welche die zuweilen vierreihige Hängung durch eine maximal zweireihige ersetzte. Der Skandal führte zu einer vorzeitigen Schließung der eigentlich bis zum 9. November 1999 geplanten Ausstellung bereits am 26. September 1999.17 Der sich in der Weimarer Ausstellung ausdrückende Totalitarismus-Verdacht, welcher aus den strukturellen Gemeinsamkeiten beider deutschen Diktaturen im 20. Jahrhundert eine tendenzielle Gleichsetzung beider Regime abzuleiten versuchte, blieb kein Einzelfall: Noch 2009 ließ der einflussreiche Kurator der im Berliner Martin-Gropius-Bau gezeigten Ausstellung 60 Jahre, 60 Werke, Siegfried Gohr (* 1949), Sympathie für solch eine inkriminierende Einordnung erkennen, indem er seinem inneren Wunsch öffentlich Ausdruck verlieh, dass die „DDR-Kunst“ wie „ein hässlicher Regentropfen der Geschichte rasch verdunsten“18 solle.
Nimmt man alles in allem, dann lautet die bündelnde These gegenüber den ostdeutschen Künstlern, sie seien aus der Zeit gefallen und hätten somit ihre kreativen Energien anstatt auf dem Terrain der Nachkriegsavantgarden in einer Sackgasse des rückwärtsgewandten Historismus vergeudet. In dieser oft verdeckt geäußerten, aber weit verbreiteten Einschätzung wird zugleich deutlich, dass bei der Rückschau auf das Ensemble der Künste in der DDR kurioserweise nur den bildenden Künstlern der Schwarze Peter zugeschoben wird. Was für Literatur, Musik, Theater und Tanz keinesfalls bestritten wird, dass es sich nämlich bei avancierten Kunstwerken um einen Neben- oder Sonderweg der zeitgenössischen Moderne handelt, die sich parallel zur Westkunst positionieren konnte, unterliegt im Bereich der bildenden Kunst bis heute oftmals einem Denkverbot. Seit dem Mauerfall sahen sich Künstler in der Folge mit Einschätzungen konfrontiert, die zumeist unwidersprochen behaupten konnten, dass im Bereich der bildenden Künste in der DDR generell keine „autonome“ und „freie“ Kunst möglich gewesen sei.
Völlig unverständlich erscheint diese Ungleichbehandlung, wenn man als Parallelvorgang auf der einen Seite die mittlerweile fast schon euphorische Akzeptanz einer architektonischen „Ost-Moderne“19 in einer breiten Öffentlichkeit registriert und auf der anderen Seite die weiterhin praktizierte Abwertung der ostdeutschen Bildkunst betrachtet. Im Fall mancher Außen-Wandbilder, die in zentralen Stadtlagen von ostdeutschen Künstlern geschaffen und inzwischen mit Staats- und Stiftungsgeldern auf honorige Weise restauriert wurden, entsteht dabei die paradoxe Situation, dass deren Rettung vor dem Verfall nicht mit dem künstlerischen Eigenwert, sondern durch deren Verbindung mit dem Baukörper begründet wird. Als ein exemplarisches Beispiel dafür ist der Fall des zwischen 1969 und 1974 von Willi Neubert (1920–2011) geschaffene Emaillefrieses Die Presse als Organisator unweit des Alexanderplatzes am Gebäude des Berliner Verlags zu nennen. Neuberts Wandbild wurde Anfang der 1990er Jahre, ohne größere mediale Erregung zu entfachen, mit einer trivialen Steakhouse-Werbung auf Holzpaneelen überplankt, bis es 2021, im Zuge der Generalsanierung des Gesamtgebäudes durch das Architekturbüro Gerkan, Marg und Partner, restauriert und wieder sichtbar gemacht wurde. Wenn ein heute der „Ost-Moderne“ zugeordneter Baukörper in den 1990er Jahren Investorenplänen oder dem „Abbau Ost“ zu weichen hatte, dann konnte das im besten Fall „überlebende“ Kunstwerk keineswegs auf die Akzeptanz der Kunstrichter hoffen. So erging es zum Beispiel Willi Sittes 1977 fertiggestelltem Wandbild Kampf und Sieg der Arbeiterklasse in Suhl. Es lagert seit der 1992 erfolgten Demontage vom ehemaligen Gaststättenkomplex „Stadt Kaluga“ an der Stadthalle – klimatisch ungeschützt, verpackt in über hundert Munitionskisten