PLATON - Gesammelte Werke. Platon
So wenn irgendwie auch die Bewegung selbst Anteil hätte an der Ruhe oder dem Feststehen, es nichts wunderliches wäre, sie eine feststehende zu nennen.
Theaitetos: Ganz richtig, da wir doch zugeben, daß einige Begriffe sich mit einander vermischen wollen, andere aber nicht.
Fremder: Hierüber haben wir ja den Beweis schon früher als den jetzigen geführt, als wir zeigten daß dies natürlich so sein müsse.
Theaitetos: Allerdings.
Fremder: Wiederum sagen wir die Bewegung ist von dem Verschiedenen verschieden, wie sie auch ein anderes war als das selbige und als die Ruhe.
Theaitetos: Notwendig.
Fremder: Nicht verschieden ist sie also doch gewissermaßen auch verschieden nach der vorigen Rede.
Theaitetos: Richtig.
Fremder: Wie nun weiter? sollen wir sagen sie sei von den dreien verschieden, von dem vierten aber es läugnen. Da wir doch zugestanden haben, es wären fünf an welchen und über welche wir die Untersuchung anstellen wollten.
Theaitetos: Wie sollten wir? denn unmöglich können wir doch die Zahl geringer angeben als sie sich uns eben gezeigt hat.
Fremder: Ohne Furcht also wollen wir aussagen und verfechten, die Bewegung sei verschieden von dem Seienden.
Theaitetos: Ohne die mindeste Furcht.
Fremder: Also ist ja ganz deutlich die Bewegung, wesentlich nicht das Seiende, doch seiend in wiefern sie am Seienden Anteil hat.
Theaitetos: Ganz deutlich ist ja das.
Fremder: Also ist ja notwendig das Nichtseiende, sowohl an der Bewegung als in Beziehung auf alle andere Begriffe. Denn von allen gilt daß die Natur des Verschiedenen, welche sie verschieden macht von dem Seienden, jedes zu einem nicht seienden macht, und alles insgesamt können wir also gleichermaßen auf diese Weise mit Recht nicht seiend nennen, und auch wiederum seiend und sagen daß es sei weil es Anteil hat am Seienden.
Theaitetos: So mag es wohl sein.
Fremder: An jedem Begriff also ist viel Seiendes unzählig viel aber nicht seiendes.
Theaitetos: So scheint es.
Fremder: Muß man nicht auch von dem Seienden selbst sagen, daß es verschieden ist von dem übrigen?
Theaitetos: Notwendig.
(257) Fremder: Auch das Seiende also ist, wiefern das übrige ist, sofern selbst nicht. Denn indem es jenes nicht ist, ist es selbst Eins, das unzählig viele übrige aber ist es nicht.
Theaitetos: Beinahe so verhält es sich wohl.
Fremder: Auch darüber also ist keine Schwierigkeit zu machen, wenn doch die Begriffe ihrer Natur nach Gemeinschaft mit einander haben. Will aber jemand dies nicht zugeben, der überrede erst unsere vorigen Reden und dann überrede er uns das weitere.
Theaitetos: Das ist nach strengstem Recht gesprochen.
Fremder: Laß uns nun auch dieses sehn.
Theaitetos: Welches doch?
Fremder: Wenn wir Nichtseiendes sagen, so meinen wir nicht, wie es scheint, ein entgegengesetztes des Seienden, sondern nur ein verschiedenes.
Theaitetos: Wie das?
Fremder: Wie wenn wir etwas nicht groß nennen, meinst du daß wir durch dies Wort mehr das kleine als das gleiche andeuten?
Theaitetos: Keinesweges.
Fremder: Wir wollen also nicht zugeben, wenn eine Verneinung gebraucht wird, daß dann entgegengesetztes angedeutet werde, sondern nur soviel, daß das vorgesetzte Nicht etwas von den darauf folgenden Wörtern, oder vielmehr von den Dingen, deren Namen das nach der Verneinung ausgesprochene ist, verschiedenes andeute.
Theaitetos: Auf alle Weise freilich.
Fremder: Auch dies laß uns ferner bedenken, ob es dir eben so scheint.
Theaitetos: Was doch?
Fremder: Das Wesen des Verschiedenen scheint mir eben so ins kleine zerteilt zu sein wie die Erkenntnis.
Theaitetos: Wie das?
Fremder: Auch jene ist zwar nur eine, aber jeder auf einen andern Gegenstand sich beziehende Teil wird abgesondert und mit einem eignen Namen benannt, daher es so viele Künste und Wissenschaften gibt.
Theaitetos: Ganz richtig.
Fremder: Geht es nun nicht auch den Teilen des Verschiedenen, obgleich dies auch eines ist, eben so?
Theaitetos: Vielleicht, aber sage doch wiefern.
Fremder: Ein Teil des Verschiedenen ist doch dem Schönen entgegengestellt.
Theaitetos: Ja.
Fremder: Ist dieser nun ohne Beinamen oder hat er einen?
Theaitetos: Er hat einen. Denn was wir jedesmal das Nichtschöne nennen, das ist von nichts anderem das Verschiedene als von der Natur des Schönen.
Fremder: Wohl, so sage mir denn dies.
Theaitetos: Was doch?
Fremder: Ist uns nicht dadurch, daß wir was unter eine Gattung des Seienden gebracht ist einer andern entgegenstellten, das Nichtschöne entstanden?
Theaitetos: So allerdings.
Fremder: Also eines Seienden Gegensatz gegen ein anderes wie es scheint ist das Nichtschöne.
Theaitetos: Ganz richtig.
Fremder: Gehört nun wohl nach dieser Erklärung das Schöne mehr unter das Seiende und das Nichtschöne weniger?
Theaitetos: Mit nichten.
Fremder: Eben so gut also, muß man sagen, ist das nicht große als das große selbst.
(258) Theaitetos: Eben so gut.
Fremder: So ist auch das nicht gerechte dem gerechten gleich zu setzen darin, daß das eine nicht weniger ist als das andere.
Theaitetos: Unbedenklich.
Fremder: Und von den übrigen ist dasselbe zu sagen, wenn doch die Natur des Verschiedenen oder die Verschiedenheit sich unter dem Seienden gezeigt hat. Denn ist sie, so sind notwendig auch ihre Teile nicht minder als seiend zu setzen.
Theaitetos: Wie sollten sie nicht?
Fremder: Also ist auch der Gegensatz von einem Teile der Verschiedenheit und dem Sein, wenn diese einander gegenübergestellt werden, nicht minder, wenn man es sagen darf, als das Seiende selbst seiend, und keinesweges das Gegenteil von jenem bedeutend, sondern nur soviel, ein verschiedenes von ihm.
Theaitetos: Ganz gewiß.
Fremder: Wie sollen wir nun diesen nennen?
Theaitetos: Offenbar ja ist das Nichtseiende, was wir des Sophisten wegen suchten, eben dieses.
Fremder: Steht es also, wie du sagtest, keinem von