PLATON - Gesammelte Werke. Platon
Den Dünkelnachahmer laß uns also beschauen wie ein Eisen, ob er aus einem Stück ist oder ob er noch irgendwo eine Spur zeigt, daß er aus zweien zusammengeschlagen ist.
Theaitetos: Das wollen wir tun.
Fremder: Und die zeigt er recht sichtlich. Der eine nämlich ist ehrlich und glaubt wirklich das zu wissen, was er sich (268) vorstellt. Des Anderen Benehmen aber, weil er sich so gar sehr in seinen Reden hin und her dreht, zeigt daß er selbst großen Verdacht und Argwohn hegt, das nicht zu wissen, was zu wissen er sich gegen Andere das Ansehn geben will.
Theaitetos: Gewiß gibt es deren von beiden Arten, wie du sie beschreibst.
Fremder: Wollen wir nun den einen als den einfältigen Nachahmer setzen, den Andern als den der sich verstellt?
Theaitetos: Das geht wohl.
Fremder: Und gibt es von diesem wieder nur eine Art oder zwei?
Theaitetos: Sieh du zu.
Fremder: Ich sehe schon, und mir erscheinen allerdings deren zweie; der eine der öffentlich und in langen Reden vor dem Volke sich zu verstellen versteht; der andere der unter Wenigen und in kurzen Sätzen seinen Mitunterredner zwingt sich selbst zu widersprechen.
Theaitetos: Vollkommen richtig gesagt.
Fremder: Wer wollen wir nun nachweisen, daß der langredende sei? Der Staatsmann oder der Volkssprecher?
Theaitetos: Der Volkssprecher.
Fremder: Und wie wollen wir den anderen nennen, den Weisen oder den Sophisten?
Theaitetos: Weise wohl unmöglich, da wir ihn ja als nichtwissend gesetzt haben; da er aber ein Nachahmer des Weisen ist, so muß er doch wohl von diesem etwas in seinen Beinamen bekommen, und ich verstehe nun wohl, wir müssen eben diesen bezeichnen als jenen auf alle Weise wahrhaft ächten Sophisten.
Fremder: Wollen wir nun wie vorher seinen Namen festknüpfen und von Anfang bis zu Ende in einander flechten?
Theaitetos: In alle Wege.
Fremder: Also die Nachahmerei in der zum Widerspruch bringenden Kunst des verstellerischen Teiles des Dünkels, welche in der trügerischen Art von der bildnerischen Kunst her nicht als die göttliche sondern als die menschliche tausendkünstlerische Seite der Hervorbringung in Reden abgesondert ist; wer von diesem Geschlecht und Blute den wahrhaften Sophisten abstammen läßt, der wird wie es scheint das richtigste sagen.
Theaitetos: Auf alle Weise gewiß.
Der Staatsmann
(Politikos)
Einleitung
Wie dieses Gespräch mit dem vorigen als zweiter Teil der dort angekündigten Trilogie unmittelbar zusammenhängt, das leuchtet jedem von selbst ein. Wiewohl es sich aber unter denselben Personen begibt, und sich gleichsam in fortlaufender Rede an die Untersuchung über den Sophisten anschließt: so würde man doch zuviel tun, wenn man deshalb beide auch wirklich als Ein Gespräch ansehen wollte. Vielmehr ist zu glauben, daß zwischen der Ausgabe beider einige Zeit verstrichen ist, wenn man anders auf verschiedene einzelne Äußerungen in unserem Gespräch einiges Gewicht legen darf, welche ganz das Ansehen haben, daß sie den Sophisten verteidigen sollen. Daher ist denn die Übersetzung ganz unbedenklich um so sicherer der alten Weise gefolgt ist beide Gespräche, ohnerachtet sie ganz genau aneinander schließen, unter den hergebrachten Überschriften von einander zu trennen. Auch deutet wohl die Ähnlichkeit beider mehr darauf sie als Gegenstücke neben einander zu stellen als daß man es recht angemessen finden könnte sie zusammenzufügen als Hälften eines Ganzen. Denn in der Tat entsprechen sie einander in ihrer ganzen Bildung so genau wie nicht zwei andere Platonische Gespräche, und was an Verschiedenheit aufzufinden ist, scheint nur daher zu rühren, daß im »Sophisten« der unmittelbare Gegenstand der Darstellung das Verwerfliche ist, in dem »Staatsmann« hingegen das Ächte und Vortreffliche. Wiewohl auch hierin unser Gespräch sich dem »Sophisten« wieder nähert, indem es neben dem vortrefflichen doch auch zugleich das Verwerfliche mit großem Fleiß ableitet und auszeichnet, wie in dem »Sophisten« auch neben der Ausführung des verwerflichen zugleich auch auf das vortreffliche nämlich den Philosophen wenigstens hingedeutet wird. Auf diese Weise nun behauptet unser Gespräch mit Recht den mittleren Platz in der angelegten Trilogie indem es in der Tat ein Mittelglied bildet zwischen dem »Sophisten« und der angekündigten Darstellung des Philosophen, wie wir uns diese ohngefähr denken können.
Schon in den ersten Grundzügen ist eine große Übereinstimmung zwischen den beiden vorhandenen Gliedern dieser Trilogie nicht zu verkennen. Nämlich auch beim »Staatsmann« ist die ganze Aufgabe eine Erklärung, und sie soll eben so durch Einteilung des gesamten Gebietes der Kunst, nur aus einem andern Teilungsgrunde, gefunden werden. Wie aber bei dem »Sophisten« dieses ganze Verfahren nicht durchaus ernsthaft gemeint war, so ist es auch hier nicht. Denn kaum könnte man, wenn ihm dies ein wesentlicher Teil des Ganzen gewesen wäre, dem Platon solche Fehler zutrauen als hier begangen werden: indem zum Beispiel unter das Gebietende, in wiefern es ein Teil des erkennenden ist, das bloß Gebotverkündigende mit begriffen wird, bei welchem doch gar keine eigene Erkenntnis notwendig ist, und welches wir hernach auch unter den bloß dienenden Künsten wiederfinden. Ferner indem am Ende der ganzen Einteilung die Schweine mit dem Menschen in einer näheren und geraderen Verwandtschaft stehen als mit dem Hornvieh, worüber sich freilich Platon selbst lustig macht, und uns hernach ernsthafter sagt, der Mensch verhalte sich zu den übrigen Tieren wie die dämonische Natur zu der menschlichen. Deshalb ist nun in dem wiederholten Lobe jener einteilenden Methode, daß sie sich um Großes und Kleines nicht kümmere, neben dem wahren gewiß zugleich etwas scherzhaftes; wo nicht, so wäre Platon mit Recht gestraft durch den bekannten schlechten Scherz des Diogenes mit dem gerupften Hahn, der sich ganz genau auf die eine von den hier befolgten Einteilungen bezieht. Nachdem nun aber die Erklärung gefunden worden, zeigt sich ferner daß sie nicht passend ist, sondern daß sie, weshalb ein großer Mythos ausgeführt wird, mehr den dämonischen Menschenhüter einer früheren Periode trifft, als den menschlichen Staatsmann einer geschichtlichen Zeit. Für diesen nämlich müsse von dem unter jener Erklärung befaßten erst noch vieles abgesondert werden, was in das Gebiet anderer Künste gehöre, um dann die eigentliche Staatskunst zu erhalten. Dieses Absondern nun soll, wie aus einer Abschweifung über die Natur und den Nutzen des Beispiels, die wirklich nur zur Verteidigung der im »Sophistes« und hier gewählten Methode hier stehen kann, deutlich genug erhellt, weil es ein neues Geschäft ist wie das Einteilen selbst in dem »Sophisten« ein neues war, auch, wie jenes dort, zuerst an einem geringfügigen Beispiel versucht werden, an der Weberei nämlich, mit welcher sich am Ende der Staatsmann eben so verwandt findet, wie mit dem Angelfischer und mehreren anderen der Sophist. Die Weberei selbst aber wird auch erst auf dem vorigen Wege der Einteilung erklärt; und als die Erklärung sich als eine solche zeigt, die weit leichter konnte gefunden worden sein durch die unmittelbare Anschauung, so knüpft sich hieran eine neue Abschweifung über die Art das große und kleine zu messen, und über das Maß welches jedes Ding in sich selbst habe. Hierauf nun wird zuerst von der Weberei, und dann nach diesem Muster auch von der Staatskunst, alles abgesondert was ihr bloß dient oder ihr Geschäft entfernter mitwirkend umgibt, wobei sich sichtlich die Rede als zu ihrer eigentlichen Spitze hinzudrängt zu der Absonderung des falschen Staatsmannes, für den es aber in der Weberei nichts analoges gibt, und der daher aller künstlichen Vorbereitung ohnerachtet doch ziemlich hart an die dem Staate nur dienende Klasse vermittelst einer Auseinandersetzung über die verschiedenen Formen der Staatsverfassung angeknüpft wird. Der nicht klar heraustretende Zusammenhang ist aber eigentlich dieser, daß die Verwalter solcher Staaten, welche nach bestehenden Gesetzen regiert werden, so lange sie der Voraussetzung treu bleiben, diese Gesetze seien das