PLATON - Gesammelte Werke. Platon

PLATON - Gesammelte Werke - Platon


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wird, in dessen System der Satz, daß es kein Gerechtes von Natur gäbe, sondern nur durch willkürliche Festsetzung, eine bedeutende Stelle einnahm: so wird auch hier in der ersten Hälfte unter der Person des Protagoras überall vornehmlich auf den Aristippos Rücksicht genommen. Daß Aristippos die Sinnen-Eindrücke für gewisse Erkenntnis annahm, daß er demohnerachtet ein Zunehmen in der Vollkommenheit und einen Unterschied des Weisen von den Übrigen nicht läugnete, erzählen alle unsere Nachrichten, und dies gibt uns den Schlüssel dazu wie und warum nun Platon diese Lehre als Protagoreische, der aber Sokrates aufgeholfen, darstellte, und man findet den Aristippos vorzüglich bezeichnet unter denen, die zwar nicht ganz der Lehre des Protagoras folgten, doch aber vorzüglich auf den Satz, daß es kein Gerechtes von Natur gebe, zurückkämen; man findet ihn mit seiner Anhänglichkeit an das Wohlleben in jener großen Abschweifung dargestellt auf der Seite derer, die sich nicht auf die rechte Art mit der Philosophie beschäftigen, ja vielleicht läßt man sich gefallen, die Darstellung der Sokratischen Hebammenkunst zugleich als eine Protestation anzusehen, daß jene Weisheit nicht etwa sei vom Sokrates erlernt worden. Kurz eine Menge von Anspielungen entdecken sich, sobald nur Jemand diese Polemik ins Auge gefaßt. Aber bewundern muß auch gewiß jeder die Kunst, mit welcher sie in das Ganze so ohne Schaden seiner Allgemeingültigkeit seiner reinwissenschaftlichen Haltung verflochten werden, daß man, eben bis auf einzelne Anspielungen, die nicht in die Fortschreitung des Ganzen eingreifen, und die sich Jeder leicht als Verzierung gefallen läßt, ohne etwas besonderes darin finden zu wollen, Alles verstehen kann, ohne sie irgend geahndet zu haben. Die zweite Hälfte gibt starke Veranlassung, um eine ähnliche Polemik gegen den Antisthenes darin zu vermuten, von welchem wir, jedoch leider nur im Allgemeinen, wissen, daß er den Satz behauptet, es sei nicht möglich, irgend einem Satz mit Erfolg zu widersprechen, eine Polemik, die hier in dem Abschnitt von der falschen Vorstellung erst anzufangen scheint, und sich anderwärts noch bestimmter und größer abgesetzt hat. Die Beschaffenheit dieses Gegners, und was man von seinen Verhältnissen gegen Platon weiß, macht es glaublich, daß Manches auf ihn seine Beziehung hat, was als Verteidigung erscheint gegen unwissenschaftliche und ungesittete Angriffe. Mehreres mag es noch außerdem Polemisches geben, was vielleicht unmöglich ist noch zu entziffern, bis auf einzelne Spuren etwa. Sonderbar ist vorzüglich, was von den Nachfolgern des Herakleitos gesagt wird, ob etwa unter ihrem Namen mehr Andere gemeint sind als sie selbst oder wirklich sie selbst, in welchem Falle man kaum umhin könnte, an einen Aufenthalt des Platon in Ionien zu denken, wahrscheinlich auf jener großen Reise, als er, einigen Nachrichten zufolge, auch in Persien eindringen wollte.

      Geschichtliche Angaben, um die Zeit der Abfassung des Gespräches daraus zu bestimmen, sind nicht vorhanden, ausgenommen was eben aus den Anspielungen auf alle jene Verhältnisse unmittelbar folgt, daß die Schulen des Platon sowohl als der meisten andern Sokratiker bereits gebildet gewesen. Auf die Erwähnung des Gefechtes bei Korinthos, in welchem Theaitetos verwundet worden, ist nicht viel zu bauen, sondern das höchste, was daraus kann gefolgert werden, wäre nur, was auch sonst schon gewiß ist, daß das Gespräch nicht kann vor der Mitte der Sechs und neunzigsten Olympiade geschrieben sein. Keinesweges aber möchte zu verbürgen sein, daß das erwähnte Gefecht dasselbe gewesen, dessen Xenophon im vierten Buche seiner hellenischen Geschichten erwähnt; vielmehr hätte man leicht eben soviel Ursach an minder bedeutende Vorfälle zu denken, die sich späterhin, als Iphikrates in jener Gegend den Befehl hatte, ereignet haben mögen. Alle Ursach aber haben wir, die Person des Theaitetos, und was von ihm erzählt wird, nur nicht die Wörtlichkeit der gehaltenen Unterredung, für geschichtlich zu halten. Suidas erwähnt seiner zwiefach, als eines Schülers des Sokrates und als eines Zuhörers des Platon; man sieht offenbar, daß beides auf denselben geht, auch als Philosophen und Mathematikers, und weiß, daß er später in Herakleia gelehrt. So gedenkt auch Proklos seiner unter den berühmten Mathematikern. Es ergibt sich hieraus leicht, daß Theaitetos aus der Schule des Sokrates, sofern dieser Ausdruck vergönnt ist, in die des Platon überging, und wohl mit Recht noch als ganz jung bei dem Tode des Sokrates dargestellt wird. Rührend wird aus diesem Gesichtspunkt die mit großer Liebe entworfene Schilderung, welche Platon teils dem Eukleides teils dem Theodoros in den Mund legt. Denn welcher Weise sollte sich nicht freuen, einen jungen Freund wie diesen zu haben und zu verewigen. Was Theaitetos hier von den Quadratwurzeln vorträgt, hat ganz das Ansehn damals etwas Neues gewesen zu sein, ob aber eine Erfindung des Theaitetos selbst oder eine des Platon, womit er seinen Schüler ausschmückt, möchte ich nicht leicht bestimmen. Über den Theodoros ist nicht nötig, etwas zu sagen, da er bekannt genug ist, und da das Einzige, wonach man fragen könnte, warum nämlich gerade er hier ist, und warum Sokrates so in ihn dringt, daß er das Gespräch mit ihm führen möchte, aus dem Gespräch allein nicht befriedigend kann beantwortet werden. Je wahrscheinlicher indes sein Aufenthalt in Athen auch eine Tatsache ist, um desto unwahrscheinlicher wird die Nachricht, daß Platon ausdrücklich nach Kyrene gegangen, um dort seine Wissenschaft von ihm zu erlernen.

      THEAITETOS

      (142) EUKLEIDES • TERPSION

      Eukleides: Kommst du so eben erst, o Terpsion, oder bist du schon lange vom Lande hier?

      Terpsion: Ziemlich lange schon. Auch habe ich dich gesucht auf dem Markte, und mich gewundert, daß ich dich nicht finden konnte.

      Eukleides: Ich war eben nicht in der Stadt.

      Terpsion: Wo denn also?

      Eukleides: Indem ich an den Hafen hinunterging, begegnete ich dem Theaitetos, der aus dem Lager vor Korinthos nach Athen gebracht ward.

      Terpsion: Lebend oder tot?

      Eukleides: Lebend, aber kaum noch. Denn schon an einigen Wunden befindet er sich übel, noch mehr aber setzt ihm die Krankheit zu, welche unter dem Heere herrscht.

      Terpsion: Doch nicht die Ruhr?

      Eukleides: Eben sie.

      Terpsion: Welch ein Mann ist da in Gefahr!

      Eukleides: Ja wohl ein edler und trefflicher, o Terpsion! Auch jetzt nur hörte ich noch Einige ihn höchlich rühmen in Bezug auf die Schlacht.

      Terpsion: Das ist nichts unglaubliches, sondern weit wunderbarer wäre es, wenn er sich nicht so bewiesen hätte. Jedoch, wie so ist er nicht hier in Megara eingekehrt?

      Eukleides: Er eilte heimwärts. Denn gebeten habe ich ihn genug und ihm geraten, allein er wollte nicht. Wie ich ihn nun begleitet, habe ich im Zurückgehn wieder des Sokrates gedacht, und ihn bewundert, wie weissagend er unter vielen Andern auch von diesem gesprochen hat. Ich glaube, es war kurz vor seinem Tode, als er mit dem Theaitetos, der noch ein anwachsender Jüngling war, bekannt ward, und nachdem er mit ihm zusammengewesen und Gespräch gepflogen, große Freude hatte an seiner Natur. Da ich nun nach Athen kam, erzählte er mir die Unterredungen, welche sie gehabt, welche auch sehr verdienen gehört zu werden, und sagte, es könne nicht ausbleiben, dieser müsse ein ausgezeichneter Mann werden, wenn er nur sein volles Alter erreichte.

      Terpsion: Und ganz wahr hat er geredet, wie es scheint. Jedoch könntest du wohl erzählen, was für Unterredungen dies gewesen?

      Eukleides: Beim Zeus, zum mindesten gewiß nicht so mündlich. (143) Aber ich zeichnete mir gleich damals, als ich nach Hause kam, etwas darüber auf, hernach habe ich bei mehrerer Muße nachgesonnen, und sie aufgeschrieben, und so oft ich nach Athen kam, erfragte ich vom Sokrates, wessen ich mich nicht recht erinnerte, und brachte es in Ordnung, wenn ich wieder hieher kam, so daß fast die ganze Unterredung nachgeschrieben ist.

      Terpsion: Ganz recht. Auch sonst habe ich dies schon von dir gehört, und wollte dich immer bitten, sie mir mitzuteilen, es ist aber bis jetzt dabei geblieben. Allein was hindert uns, sie jetzt durchzugehen? Auf alle Weise tut mir ohnedies Not, mich auszuruhen, da ich vom Lande komme.

      Eukleides: Auch ich habe doch den Theaitetos bis zum Erineon begleitet, so daß ich ebenfalls gar nicht ungern ruhte. So laß uns dann gehn, und indes wir der Ruhe pflegen, mag uns der Knabe vorlesen.


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