Steuerstrafrecht. Johannes Franciscus Corsten
einer Verständigung i.S.d. § 257c StPO.[967] Möglichkeiten zum Absehen von der Einziehung eröffnet aber § 421 StPO. Im Ermittlungsverfahren kann die Staatsanwaltschaft nach § 421 Abs. 3 StPO das Verfahren auf die anderen Rechtsfolgen als Einziehung beschränken, kann also verfügen, dass von der Einziehung abgesehen wird. Da § 421 Abs. 3 StPO nicht auf Abs. 1 verweist, bindet der dortige Katalog die Staatsanwaltschaft nicht.[968] Im gerichtlichen Verfahren kann ein Absehen von der Einziehung unter den Voraussetzungen des § 421 Abs. 1 StPO mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft erfolgen. In der Praxis wird es als zulässig erachtet, diese Möglichkeiten in Verständigungsgespräche einzubeziehen, da es sich um eine sonstige verfahrensbezogene Maßnahme i.S.d. § 257c Abs. 2 StPO handelt.[969] Wenig Bedeutung dürfte in der Praxis § 421 Abs. 1 Nr. 1 StPO erlangen, der ein Absehen von der Einziehung erlaubt, wenn das Erlangte nur einen geringen Wert hat, da für den „geringen Wert“ in anderen strafrechtlichen Vorschriften, wie § 248 StGB, in der Praxis in der Regel auf Beträge zwischen 30 € und 500 € abgestellt wird.[970] § 421 Abs. 1 Nr. 2 StPO soll nur die Einziehung von Tatmitteln, Tatobjekten und Tatprodukten betreffen, da nur für diese ein Strafcharakter bejaht wird, während ein Abstellen auf das Verhältnis der Einziehung zur verhängten Strafe bei der Einziehung von Taterträgen keinen Sinn macht, wenn man dieser keinen Strafcharakter zumisst.[971] Auch diese Vorschrift dürfte daher im Steuerstrafverfahren eine untergeordnete Rolle spielen. § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO erlaubt ein Absehen von der Einziehung, wenn diese einen unangemessenen Aufwand erfordern oder die Herbeiführung der Entscheidung über die anderen Rechtsfolgen der Tat unangemessen erschweren würde.[972] Insoweit ist zu berücksichtigen, dass nach §§ 422, 423 StPO die Möglichkeit der Abtrennung des Verfahrens über die Einziehung besteht, wodurch u.U. eine Entscheidung über die anderen Rechtsfolgen der Tat ohne Belastung mit der Einziehungsentscheidung ermöglicht wird. Ein Absehen kommt z.B. in Betracht, wenn das Finanzamt die Steuer bereits festgesetzt hat und diese eigenständig erhebt bzw. vollstreckt. Eine parallele Einziehung wird dann in der Regel einen unangemessenen Aufwand erfordern, da eine Abstimmmung mit den Finanzbehörden über die bereits geleistete Schadenswiedergumachung erforderlich wäre,[973] ohne dass die Einziehung im Hinblick die Erhebung oder Vollstreckung der Steuer einen Mehrwert bringt. Das gilt insbesondere, wenn das Finanzamt die Steuer gestundet (§ 222) oder Vollstreckungsaufschub (§ 258) gewährt hat und wenn Raten gezahlt werden. Eine Einziehung könnte dann die Beitreibung durch das Finanzamt gar gefährden. Darüber hinaus kann die Höhe des Einziehungsbetrages auch durch eine (Verständigung über die) Beschränkung des Verfahrensgegenstandes nach §§ 153a, 154, 154a StPO beeinflusst werden, da eine Einziehung nur soweit zulässig ist, wie die Tat noch Gegenstand des Verfahrens ist.[974]
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Aus der Einziehung der Vorteile der Tat nach dem Bruttoprinzip würde bei gleichzeitiger Besteuerung des Bruttovorteils eine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Doppelbelastung folgen. Dies wird grundsätzlich dadurch vermieden, dass bei der steuerlichen Festsetzung der eingezogene Betrag als Betriebsausgabe oder Werbungskosten berücksichtigt wird.[975] Mangels Strafcharakters unterliegt der Einziehungsbetrag nicht dem steuerlichen Abzugsverbot gem. § 12 Nr. 4 EStG, welcher den Abzug von Geldstrafen und sonstigen Rechtsfolgen vermögensrechtlicher Art verbietet, bei denen der Strafcharakter überwiegt.[976] Auch das Abzugsverbot nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 EStG für strafbare Zuwendungen und damit zusammenhängende Aufwendungen greift zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Doppelbelastung nicht.[977] In Fällen, in denen bereits bestandskräftige Bescheide vorliegen – und somit die Einziehung nicht mehr steuerlich berücksichtig werden kann – erfolgt die Berücksichtigung der steuerlichen Belastung nach aktueller Gesetzesfassung nicht mehr bei der Bemessung des Einziehungsbetrages,[978] da nach aktuellem Recht der Entreicherungseinwand des § 73e Abs. 2 StGB nur demjenigen offen steht, der nicht selbst Täter oder Teilnehmer ist. In allen anderen Fällen ist die Entreicherung erst gem. § 459g Abs. 2, Abs. 5 S. 1 StPO im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen.[979] Praktisch bedeutet das: Erlangt der Täter z.B. korruptive Zahlungen und führt auf diese Einkünfte keine Einkommensteuer ab, so kommt einerseits eine Einziehung bzgl. des aus der Brutto-Bestechungsbetrages in Betracht und andererseits die Festsetzung von Einkommensteuer auf den Bruttobetrag. Zur Vermeidung der daraus resultierenden Doppelbelastung können die eingezogenen Bestechungsbeträge grds. als Ausgaben bei der Einkommensteuer abgezogen werden.[980] Damit erfolgt der Ausgleich hinsichtlich der Steuer, die für den Veranlagungszeitraum der Einkünfteerzielung erhoben wird, zeitlich verschoben erst in dem Veranlagungszeitraum, in dem die Einziehung erfolgt.[981] Eine Einziehung der (ersparten Aufwendung für die) Einkommensteuer auf die Bestechungsleistungen neben der Einziehung der Bestechungsleistungen kommt nicht in Betracht.[982] Ist die Steuer bereits bestandskräftig veranlagt, so bezieht sich die Einziehung zunächst auf den aus der Korruption erlangten Bruttobetrag. Erst im Rahmen der Vollstreckung ist der für die Einkommensteuer aufgewendete Betrag in Abzug zu bringen, so dass nur der (steuerliche) Nettobetrag der Vollstreckung unterliegt.[983]
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Nach § 73b StGB wird die Einziehung auch gegen Drittbegünstigte angeordnet.
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Beträge, die durch Taten erlangt worden sind, die nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden sind, unterliegen nicht der Einziehung, da § 73 StGB nur das Erlangte aus verfahrensgegenständlichen Taten erfasst.[984] Vorläufig eingestellte Taten sind nicht mehr Gegenstand des Verfahrens. Gleiches gilt für nach §§ 153, 153a, 154a StPO eingestellte Taten bzw. Tatteile. Insoweit kommt nach § 76a Abs. 3 StGB eine selbstständige Einziehung in Betracht,[985] wobei neben § 421 Abs. 3 StPO insbes. § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO der Einleitung eines gesonderten Verfahrens zur Einziehung entgegenstehen kann.[986]
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Strafprozessual erfolgt die Sicherung von Vermögenswerten nach § 111b ff. StPO. Nach § 111e Abs. 6 StPO steht die Möglichkeit einer Anordnung nach § 324 der Anordnung nach § 111e Abs. 2 StPO ausdrücklich nicht entgegen. Der unter alter Rechtslage darüber geführte Streit, ob die Anordnung nach § 111d StPO a.F. auch zugunsten des Fiskus erfolgen darf oder insoweit als milderes Mittel ein steuerrechtlicher Arrest nach § 324 auszubringen ist,[987] hat sich damit erledigt. Die Vollstreckung der Einziehung richtet sich nach §§ 459g ff. StPO.
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Die Anordnung der Einziehung gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung ist nach § 30 Abs. 5 OWiG ausgeschlossen, wenn gegen sie wegen derselben Tat eine Geldbuße festgesetzt wird.
bb) Einziehung gem. § 375 Abs. 2
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Nach § 375 Abs. 2 können Erzeugnisse, Waren und andere Sachen, auf die sich eine Hinterziehung von Verbrauchsteuer oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben i.S.d. Art. 5 Nr. 20 und 21 UZK ein Bannbruch oder eine Steuerhehlerei bezieht sowie die Beförderungsmittel, die zur Tat benutzt worden sind, eingezogen werden (s. dazu die Kommentierung zu § 375 Abs. 2). Eine Einziehung nach § 369 Abs. 2 i.V.m. § 74 ff. StGB von Gegenständen, die durch die Steuerhinterziehung hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel), § 74 Abs. 1 StGB, ist grundsätzlich daneben anwendbar, praktisch aber kaum von Relevanz.[988] Sie kommt bspw. bzgl. der zur Steuerhinterziehung verwendeten Kassenmanipulationssoftware als Tatwerkzeug i.S.d. § 74 Abs. 1 Alt. 2 StGB in Betracht.[989]
cc) Berufsverbot
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Nach § 70 StGB kann neben der Strafe ein Berufsverbot ausgesprochen werden, wenn der Täter
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die Steuerhinterziehung unter Missbrauch eines Berufs oder |