Tatherrschaft im Rahmen der Steuerhinterziehung. Malte Wietfeld
Beide Varianten der funktionellen Tatherrschaft müssten dahingehend untersucht werden, ob sie sich dazu eignen, Täterschaft ausschließlich aufgrund des eigenen Tatbeitrages und ohne die Zurechnung fremder Tatbeiträge vorzunehmen.[9] An dieser Herausforderung scheitere zunächst die positive funktionelle Tatherrschaft, da diese bei richtiger Analyse ausschließlich Aussagen über den eigenen Tatbeitrag des unmittelbar Handelnden vornehmen könne und daher auf diesen Tatbeitrag begrenzt sei. Darüber hinaus seien keinerlei Rückschlüsse über die Herrschaft an der Gesamttat möglich.[10] Die Begrenzung auf den eigenen Tatbeitrag folge hierbei bereits daraus, dass jeder potentielle Mittäter aufgrund seines gleichberechtigten und freiverantwortlichen Mitwirkens (nur) seinen eigenen Tatbeitrag beherrsche. Die gleichzeitige Beherrschung eines anderen Tatbeitrages und damit der Gesamttat, komme daher bereits im Grundsatz nicht in Betracht.[11]
An der Herausforderung, Mittäterschaft ausschließlich anhand des eigenen Tatbeitrages herleiten zu können, scheitere darüber hinaus aber auch die negative funktionelle Tatherrschaft. Roxin begrenze negative funktionelle Tatherrschaft hierbei auf Tatbeiträge im Ausführungsstadium der Tat, wobei es jedoch nicht darauf ankommen solle, dass dieser Tatbeitrag zwingend ein Tatbestandsmerkmal erfüllen müsse.[12] Hieran wird kritisiert, dass die Bedeutung von Tatbeiträgen, die nicht selbst ein Tatbestandsmerkmal verwirklichten, sich stets in einer bloßen Beihilfefunktion erschöpfte. Dies gelte unabhängig davon, ob dieser Tatbeitrag für den Vorbereitungs- oder für den Tatausführungszeitraum versprochen werde. Vor diesem Hintergrund werde deutlich, dass die negative funktionelle Tatherrschaft insgesamt keinerlei qualitative, sondern allenfalls quantitative Abgrenzungskriterien für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme bereit halte. Deshalb sei das Kriterium der funktionellen Tatherrschaft insgesamt nicht geeignet, Täterschaft hinreichend sicher ohne den Rückgriff auf die Zurechnung fremder Verursachungsbeiträge herzuleiten. Demgemäß sei im Rahmen der Tatherrschaftslehre insgesamt kein Konzept erkennbar, nach dem täterschaftliche Verantwortung für fremde Verursachungsbeiträge erklärt werden könne.[13]
Vor dem Hintergrund dieser Einwände gegen das Kriterium der funktionellen Tatherrschaft bedarf es im Rahmen der Steuerhinterziehung einer Untersuchung der Frage, ob für die Herleitung von Mittäterschaft allein an das eigene Tatverhalten des unmittelbar Handelnden angeknüpft werden kann, oder ob es darüber hinaus einer Zurechnung fremder Verursachungsbeiträge bedarf. Sollte sich die Notwendigkeit einer Verhaltenszurechnung herausstellen, wäre darüber hinaus die Rolle der Anstiftung im Rahmen einer solchen Verhaltenszurechnung klärungsbedürftig. Konkret stellt sich dann die Frage, ob sich ein stichhaltiges Argument dafür finden lässt, die Anstiftung zu einer Steuerhinterziehung auch im Rahmen einer Zurechnung fremder Verursachungsbeiträge als Teilnahme und nicht als Täterschaft einzuordnen.
Anmerkungen
Haas Die Theorie der Tatherrschaft und ihre Grundlagen, S. 32 ff.
Haas Die Theorie der Tatherrschaft und ihre Grundlagen, S. 33 mit Hinweis auf Roxin Täterschaft und Tatherrschaft, S. 292; ders. Strafrecht Allgemeiner Teil, § 25 Rn. 257.
Haas Die Theorie der Tatherrschaft und ihre Grundlagen, S. 33.
Haas Die Theorie der Tatherrschaft und ihre Grundlagen, S. 33.
Haas Die Theorie der Tatherrschaft und ihre Grundlagen, S. 33.
Haas Die Theorie der Tatherrschaft und ihre Grundlagen, S. 33.
Siehe etwa Rudolphi FS Bockelmann, S. 369 (373).
Siehe etwa Roxin Strafrecht Allgemeiner Teil, § 25 Rn. 188.
Haas Die Theorie der Tatherrschaft und ihre Grundlagen, S. 34 ff., 36 ff.
Haas Die Theorie der Tatherrschaft und ihre Grundlagen, S. 35, 36.
Haas Die Theorie der Tatherrschaft und ihre Grundlagen, S. 34.
Haas Die Theorie der Tatherrschaft und ihre Grundlagen, S. 37.
Haas Die Theorie der Tatherrschaft und ihre Grundlagen, S. 39.
G. Verlust des objektiven Tatbezuges der Tatherrschaftslehre
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Weiterhin wird der Tatherrschaftslehre der Verlust eines objektiven Tatbezugs vorgeworfen.[1] Unter objektivem Tatbezug wird die Einordnung der Tatherrschaftslehre in den objektiven Deliktstatbestand verstanden. Dieser Einwand wird in erster Linie auf die Anwendung der Äquivalenztheorie im Rahmen des objektiven Tatbestandes zurückgeführt. Die Äquivalenztheorie gehe von der Gleichwertigkeit sämtlicher Bedingungen auf der objektiven Ebene aus. Der Verursachungsbeitrag des Teilnehmers führe also ebenso zum Erfolg wie derjenige des Täters. Es stelle sich dann aber die Frage, warum nur dem Täter Handlungsherrschaft zugesprochen werde, wenn doch sämtliche Bedingungen – und damit auch der Tatbeitrag des Teilnehmers – gleich seien. Auf der Basis der Äquivalenztheorie sei es im Grunde nicht möglich, bereits auf der objektiven Ebene zu einer Abgrenzung von Handlungsherrschaft und bloßen Teilnahmehandlungen zu kommen.[2] Es bleibe allein der Ausweg, die verschiedenen Tathandlungen nach ihrer unterschiedlichen Gefährlichkeit einzustufen, wonach dann Täter derjenige sei, dessen Tathandlung die größere Gefährlichkeit aufgewiesen habe. Dieser Weg habe jedoch zur Konsequenz, dass die solchermaßen definierte Tatherrschaft zu einer von der objektiven Tatbegehung losgelösten Eigenschaft des Täters werde.[3] Dies führe allerdings zu einem reinen Gesinnungsstrafrecht.[4] Insgesamt sei hieran der Verlust des objektiven Tatbezuges der Tatherrschaftslehre abzulesen.
Auch Kriterien der objektiven Zurechnung seien nicht geeignet diesem Problem abzuhelfen.[5] Es werden nämlich grundlegende Einwände gegen die Lehre von der objektiven Zurechnung gesehen. Diese werden vornehmlich an dem Kriterium des unerlaubten Risikos fest gemacht. Dessen Anwendung führe zwangsläufig dazu, dass unterschiedliche Bedingungen bereits auf der objektiven Ebene nicht als gleichwertig angesehen werden könnten, denn anders lasse sich nicht erklären, warum das vom Täter geschaffene unerlaubte Risiko ein anderes sein solle als das des Teilnehmers. Ein solches Verständnis lasse sich jedoch nicht mit der Äquivalenztheorie, die von einer objektiven Gleichwertigkeit aller Bedingungen ausgehe und auf deren Erkenntnissen die Lehre von der objektiven Zurechnung fuße, in Einklang bringen.[6]
Insgesamt sei es also nicht möglich, auf der objektiven Ebene ein dogmatisches Kriterium festzulegen, das geeignet sei, täterschaftliches Handeln von Teilnehmerhandeln zu unterscheiden. Ein