Zeitkapseln - Botschaften in die Welt von morgen. Bertwin Minks
und zu perfektionieren? Nun, der Grund für diesen langen evolutionären Dornröschenschlaf wird wohl für immer ihr Geheimnis bleiben!
Die evolutionäre Schöpfungspause endete zu Beginn des Proterozoikums. Vor etwa 2,5 Milliarden Jahren entstanden mit den Eukaryoten die ersten komplexen Vielzeller und Ahnen jeglichen höheren Lebens auf der Erde. Gleichzeitig ereignete sich Dramatisches! Durch die Fotosynthese der Cyano-Bakterien und später von Algen gelangte nach und nach mehr Sauerstoff in die Atmosphäre. Er vergiftete zunehmend die Lebensgrundlage der marinen Einzeller und raffte die Pioniere des Lebens dahin. Der trotz weltweiter Oxidationsprozesse ansteigende Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre und die sich bildende Ozonschicht eröffneten der Evolution neue Perspektiven. Sie entwickelte vor 1,2 Milliarden Jahren die Mehrzelligkeit der Pflanzen und reichlich 400 Millionen Jahre später jene der Tiere. Daneben erschuf sie das geheimnisvolle Reich der Pilze. Schließlich sorgte sie dafür, dass mit der sexuellen Fortpflanzung und der Zellspezialisierung der Tod des Individuums in die biologische Welt Einzug hielt. Aber auch tief unter der Erdoberfläche fanden Prozesse statt, die für das Leben bedeutsam waren.
Die Entstehung des Minerals Perowskit verstärkte vor reichlich drei Milliarden Jahren die Umwälzungsvorgänge im Erdmantel. Der daraufhin einsetzende Vulkanismus begünstigte das Anwachsen der kontinentalen Landmassen. Vor etwa einer Milliarde Jahren war der Erdkern schließlich so weit abgekühlt, dass er im Zentrum erstarrte. Dadurch wurden die Konvektionsmuster in der flüssigen äußeren Schale des Erdkerns regelmäßiger und begannen ein Magnetfeld zu erzeugen. Dieses Feld schirmte die kosmische Strahlung und den Partikel-Strom des Sonnenwindes ab und ermöglichte dem Leben künftig die Eroberung des Festlandes. Die stille und nachhaltige Veränderung des Lebens im Ozean vollzog sich unter schwierigen globalen Bedingungen. Am Anfang des Proterozoikums schlugen vermutlich die letzten großen Asteroiden auf der Erde ein. Danach herrschte lange Zeit ein kühles Klima. Die irdische Plattentektonik formte den Superkontinent Rodinia, der zeitweilig von mächtigen Gletschern bedeckt war. Der Ozean Monrovia, der den Kontinent umspülte, scheint vor 700 bis 800 Millionen Jahren selbst am Äquator bis zu zwei Kilometern tief gefroren gewesen zu sein. Doch trotz dieser unwirtlichen globalen Bedingungen reiften im letzten Abschnitt des Präkambriums, der Ediacara-Epoche, gewaltige evolutionäre Veränderungen heran, die sich im darauffolgenden Erdzeitalter beeindruckend entfalten sollten.
Im Kambrium (vor 541 bis 488 Millionen Jahren) überraschte die Architektin und Baumeisterin des Lebens die biologische Welt mit unerwarteten Innovationen und Inspirationen. Mit einem Schlag tauchten innerhalb kurzer Zeit nahezu alle heute bekannten Tierstämme auf. Die evolutionären Ideenblitze der kambrischen Radiation lösten eine explosive Entwicklung des irdischen Lebens aus. Zwar hatten nicht alle evolutionären Innovationen des Kambriums Bestand, aber die Erfindung des Außenskeletts, die zu den Gliedertieren führte, und die eines inneren Skeletts, die die Wirbeltiere hervorbringen sollte, bedeuteten faunistische Weichenstellungen. Im Kambrium entstand auch ein völlig neues biologisches Existenzschema. Fortan waren in der irdischen Fauna Räuber und Beute zu unterscheiden. Diese biologischen Antipoden sollten in den folgenden 500 Millionen Jahren in einen nicht enden wollenden evolutionären Aufrüstungswettstreit eintreten und vielfältige Angriffs- und Verteidigungswaffen entwickeln und perfektionieren.
Auch in den darauffolgenden Epochen des Paläozoikums (Erdaltertum), vom Ordovizium bis zum Perm, entwarf die Evolution intelligente Baupläne und schuf emsig, einfallsreich und unermüdlich großartige Stammbäume. Dabei hauchte sie so mancher bemerkenswerten Art Leben ein und gab ihrem Dasein eine Perspektive in einer biologischen Zukunft.
Im Ordovizium gedieh das Leben noch nahezu ausschließlich im Ozean. Es entstanden gewaltige Kopffüßer wie die Trilobiten und die ersten Fische. Im Silur begannen komplexer gebaute Gefäßpflanzen, Gliederfüßer und Weichtiere das Land für das Leben zu erobern. Der Landgang der Organismen in die noch sauerstoffarme Zone des Festlandes setzte sich im Devon fort. Gleichzeitig entfaltete sich in den Meeren, Flüssen und Seen eine ungeheure Vielfalt von Fischen. Im Karbon, dem großen Zeitalter der Amphibien, konnte sich das Leben schließlich fest an Land etablieren. Dank der Erfindung des hartschaligen Eies wurden die Reptilien von der Bürde einer an das Wasser gebundenen Fortpflanzung befreit. Erstmals bedeckten ausgedehnte Wälder aus Bärlapp-Gewächsen, Schachtelhalmen und Farnen die Kontinente. Aufgrund des hohen Sauerstoffgehaltes der Atmosphäre von über 30 % gelang es den Insekten, erstaunliche Riesenformen zu entwickeln. Im darauffolgenden Perm-Zeitalter vereinigten sich die Landmassen erneut zu einem Superkontinent. Die Bildung von Pangaea hatte globale Folgen für das Klima. An den Rändern des Kontinents war das Klima feucht und warm, sodass dort subtropische und tropische Bedingungen herrschten. Im Innern der Landmasse aber erstreckten sich lebensfeindliche Wüsten aus Felsen, Sand, Schnee und Eis.
Die Evolution verlief bereits im Erdaltertum keineswegs geradlinig, unbehelligt und ungestört. Es gab katastrophale Ereignisse mit weltweiten Auswirkungen, die zu Massensterben, Artenvernichtung und der Auslöschung ganzer Gattungen führten. Solche Vernichtungs-szenarien sind für das Ende des Ordoviziums, im unteren Devon und am Ende des Perms nachgewiesen.
Die Katastrophe am Ende des Perm-Zeitalters war die größte Apokalypse, die das irdische Leben in seiner Geschichte von etwa 3,5 Milliarden Jahren heimgesucht hat. Vor ungefähr 250 Millionen Jahren ist das höhere Leben auf dem Planeten beinahe ganz vernichtet worden. Etwa 95 % der maritimen Arten und ungefähr 75 % der landlebenden Spezies wurden in wohl nur 100.000 Jahren ausgelöscht. Als Ursachen für das Katastrophenszenario am Ende des Perms werden von der Wissenschaft verheerender Vulkanismus oder der Einschlag eines sehr großen Asteroiden diskutiert. Doch was auch immer die Vernichtungsorgie ausgelöst haben mag, das Leben und die Evolution auf der Erde erlitten durch das Perm-Ereignis einen existenziellen Niederschlag. Das Massensterben am Ende des Perms stellte die Zukunft des höher organisierten Lebens auf dem Planeten infrage. Ob sich die Evolution jemals von dieser Katastrophe würde erholen können, schien ungewiss zu sein! Nun, der weitere Fortgang der evolutionären Prozesse ist bekannt. Das Schöpfertum der Evolution wurde am Ende des Perms nicht abrupt beendet. Die Evolution ließ sich von der Zeit nicht auszählen und zur Geschichte machen! Sie zeigte hervorragende „Nehmerqualitäten“, stand auf, besann sich auf ihr Schöpfertum und rettete das höhere Leben auf der Erde vor der Vernichtung. Im Mesozoikum (Erdmittelalter) sollten ihre Inspirationen, Innovationen und kreativen Ideen eine wunderbare Blüte und Renaissance erleben.
Was nach dieser tiefen evolutionären Zäsur auf einer warmen, überwiegend eisfreien Erde entstand, waren beeindruckende Floren und Faunen, die mit Begriffen wie erstaunlich, fantastisch, dynamisch, kolossal, gigantisch nur unvollständig beschrieben werden können. Das Erdmittelalter war zu Lande, zu Wasser und in der Luft die große Zeit der Reptilien und die Wiege der Vögel. Es ist auch das Zeitalter der weltweiten Ausbreitung der Nadelbäume und des evolutionären Siegeszuges der Blütenpflanzen. Die Welt der mesozoischen Troika Trias/Jura/Kreide wurde von einer bewunderungswürdigen Schöpfungskraft, einem großartigen Erfindungsgeist und dem komplexen Gestaltungswillen der Evolution geprägt. Auch das vierte Massensterben am Ende der Trias konnte die evolutionären Prozesse nicht nachhaltig zum Stillstand bringen. In einer ausufernden Experimentierfreude und beinahe liebevoller Ausgestaltung erschuf die Evolution in der Ordnung der Reptilien Art um Art; von nur wenigen Zentimetern großen Geschöpfen bis hin zu wahren Kathedralen aus Fleisch und Blut. Die Dinosaurier gerieten dabei zu ihrem Meisterstück. Wer weiß, wie sich diese Gattung noch entwickelt hätte, wenn sie evolutionär weiterperfektioniert worden wäre?
Doch dann beendete der Einschlag eines 15 bis 20 km großen Asteroiden vor 65,8 Millionen Jahren die erdmittelalterliche Schöpfungsphase der Evolution und löste ein fünftes Massensterben aus. Das Impakt-Ereignis am Ende der Kreidezeit war für das höhere Leben auf der Erde zwar einschneidend, bedrohte es aber nicht grundsätzlich in seiner Existenz. Gleichwohl erfolgten dadurch eine evolutionäre Zäsur und Neuorientierung, die sich für die Entwicklung des Lebens als richtungsweisend erwiesen.
Irgendwie kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Evolution – wenn sie sich denn personifizieren ließe – über die Vernichtung ihres großen Arsenals an Sauropoden- und Theropoden-Bauplänen am Ende der Kreidezeit schon ein wenig betrübt gewesen sein mag! Doch was blieb der Evolution anderes übrig, als die von einem kosmischen Zufallsereignis geschaffenen Fakten zu akzeptieren und sich einem Neubeginn unter veränderten