Zeitkapseln - Botschaften in die Welt von morgen. Bertwin Minks
Strömungen und Vulkanismus, Wüsten und Wälder, Dürren und Dauerregen sowie Eiszeiten und Warmzeiten auch in Zukunft entstehen und vergehen und das Antlitz des Planeten formen und verändern. Eines Tages dürfte allerdings die Zeit kommen, in der die Sonne der Evolution auf der Erde endgültig das Handwerk legen wird. Dieser Prozess könnte bereits in 900 Millionen Jahren seinen Anfang nehmen, wenn die mittlere Temperatur auf dem Planeten über den für höheres Leben kritischen Wert von 30 °C ansteigt. Eine weitere Milliarde Jahre später prognostizieren die Experten einen Temperaturanstieg auf 100 °C. Dann werden die Ozeane bereits weitgehend verdampft sein und niedere Lebensformen nur noch in Nischen existieren. Schließlich wird das Aufleuchten der Sonne zu einem roten Riesenstern das Leben auf dem Planeten Erde endgültig auslöschen.
Die von der Evolution auf der Erde geschriebene Schöpfungs- und Entwicklungsgeschichte des Lebens könnte ihrer Schönheit und Einmaligkeit wegen aber zuvor zu einer himmlischen Legende geworden sein. Möglicherweise haben Sonnenwinde oder Sternenstürme die märchenhafte Geschichte vom Werden und Vergehen des irdischen Lebens dann längst in die galaktischen Weiten der Milchstraße verweht. Wer weiß, aber dort mögen vielleicht fremde Geschöpfe aus anderen Zeiten dem Raunen, Wispern und Flüstern des Alls lauschen:
„… es war einmal ein Archipel in Raum und Zeit, dem die Menschen den Namen Milchstraße gegeben hatten. Die große Balkenspirale mit über 150 Milliarden Sternen, einem Durchmesser von reichlich 120.000 Lichtjahren und einem Halo mit fast 200 uralten Kugelsternhaufen leuchtete eindrucksvoll am Himmel. Die majestätische Galaxie wurde von einem Dutzend Zwerggalaxien wie dem Dreiecks-Nebel, den Magellanschen Wolken und der diffusen Antlia-Formation begleitet.
In der Milchstraßen-Galaxie glühte einst zwischen den Spiralen Sagittarius und Perseus am inneren Rand des Orionarmes ein Stern vom Spektraltyp G 2/V. Die gelbe Sonne konnte dem Leben auf dem dritten Planeten ihres solaren Systems fast fünf Milliarden Jahre eine Heimstatt geben. In diesem langen Zeitraum erschuf die Evolution eine faszinierende Welt organischen Lebens. Trotz mehrerer Massensterben aufgrund von Katastrophen mit globalen Auswirkungen hat die Evolution das Leben auf dem Planeten Erde beschützt, umsorgt, bewahrt und nicht untergehen lassen. Der Architektin und Baumeisterin des Lebens ist sogar die Schöpfung einer mit Vernunft begabten Art gelungen. Diese Spezies hat eine beachtliche zivilisatorische Entwicklung genommen und scheint schließlich auch in die interstellaren Weiten aufgebrochen zu sein. Doch wer weiß, diese einzigartige Welt voller Leben wird in der Nova ihrer roten Sonne bestimmt längst untergegangen sein …?“
Astronomischen Prognosen zufolge soll sich die Milchstraße in etwa 1,5 Milliarden Jahren die große Magellansche Wolke einverleiben. Dann könnte die schwarze Singularität im Zentrum der Galaxie zu einem aktiven Quasar mit vielleicht Milliarden Sonnenmassen anwachsen. 2,5 Milliarden Jahre später wird der Beginn der Vereinigung zwischen der Milchstraßen- und Andromeda-Galaxie prognostiziert. Bei diesem Prozess dürfte eine riesige elliptische Sterneninsel entstehen. Diesem gewaltigen Archipel in Raum und Zeit haben die Menschen sogar schon den Namen Milkomeda gegeben. Ob sich angesichts dieser künftigen dramatischen Ereignisse am Himmel der lokalen Gruppe dann noch irgendjemand an die Legende vom Wunder des Lebens auf der Erde erinnern wird?
Die Zeit steht im Ruf, unerbittlich und gnadenlos zu sein, weil sie stets nur unaufhaltsam verrinnt und lediglich im Ereignishorizont eines Schwarzen Loches eine Weile angehalten werden kann. Die Zeit mag auf ihre Art aber auch gerecht sein, denn ein Menschenleben, die Lebensspanne einer Art, die Dauer eines Zeitalters, die Tage einer Sonne, ja sogar die Stabilität einer schwarzen Singularität und selbst die Existenz eines ganzen Universums mögen begrenzt sein und irgendwann ein Ende finden. Schlichtweg scheint ein jegliches seine Zeit zu haben. Aber kann die zeitliche Endlichkeit des Seins schlechthin den Menschen wirklich Trost spenden?
Wer weiß? Doch die Legende von der untergegangenen Schönheit des irdischen Lebens scheint auch irgendwann und irgendwo einen evolutionären Neubeginn zu verheißen. Vielleicht ist es ein Trost und Wunder zugleich, davon träumen zu dürfen!
Legende vom irdischen Leben
Einst leuchtete ein Archipel in Raum und Zeit,
den Legenden Milchstraße genannt hatten.
Die Galaxie war eine der schönsten weit und breit.
Ihr Glanz überstrahlte am Himmel die Schatten.
Die Spirale formte einen Balken von hoher Symmetrie,
im Halo tummelten sich Kugel-Haufen uralter Sterne,
die Magellanschen Wolken umkreisten die Galaxie,
der Andromeda-Nebel schimmerte matt in der Ferne.
Es glühte im Orion-Arm der Milchstraßenwelt
eine Sonne, von acht großen Planeten umgeben,
der dritte war für ein Wunder auserwählt,
denn dort entstand eines Tages das Leben.
Die Begegnung von Erde und Theia schuf den Mond,
die Elemente waren wie entfesselt auf Erden.
Die Erde wurde mit der Entstehung des Lebens belohnt,
die Evolution hegte und pflegte dessen Werden.
Die Architektin des Lebens ging einen mühsamen Weg,
Erfolge und Irrtümer säumten ihn in allen Zeiten.
Fossilien sind für die Suche nach Perfektion ein Beleg,
nur Veränderung vermag dem Leben eine Zukunft bereiten.
Gewaltige Katastrophen suchten die Erde heim.
Sie drohten das Wunder des Lebens zu vernichten,
doch die Evolution sollte nicht zu besiegen sein
und noch vollkommener ihre Werke verrichten
Die Evolution erschuf eine Wunderwelt voller Leben
und schließlich sogar eine Art mit Vernunft und Verstand.
Die Erde konnte dem Leben lange eine Heimstatt geben,
bis es in der Nova der roten Sonne verschwand.
Doch vielleicht wurden zuvor von Sonnenwinden
Spuren des irdischen Lebens in die Galaxie verweht.
Dort mögen sie vom Wunder des Lebens künden,
das irgendwann im Strom der Zeit vergeht.
2. Brief vom 24. August 2019
Anlage
Himmel und Erde und die Verbindung dazwischen Überlegungen zu einer kosmologischen Theologie
Leipzig, 24. August 2019,
zu öffnen am 1. Mai 2036
Hallo, mein Enkeljunge,
heute drängt es mich, dir ein paar Gedanken mitzuteilen, für die mir das Leben in gemeinsamen Gesprächen vielleicht nicht mehr ausreichend Zeit einräumen könnte. Freilich vermag ich nicht zu sagen, ob du in knapp 17 Jahren meine Beweggründe verstehen kannst oder meine Gedanken als Spinnereien eines wunderlichen alten Mannes abtun wirst. Na ja, ich wage es trotzdem, selbst wenn du aus der Zukunft auf mich und meine Vorstellungen mitleidig herablächeln solltest.
Das Traktat, das ich dir heute ans Herz legen möchte, beschäftigt sich mit dem Gott-Glauben und der Religion sowie einigen Aspekten zu deren geschichtlicher Deutung. Darüber hinaus habe ich mir erlaubt, einige (nicht ganz ernst gemeinte) Überlegungen zu einer kosmologischen Theologie anzustellen. Versteh’ mich bitte nicht falsch, ich möchte meine Überlegungen ausdrücklich nicht als glaubensfeindlich verstanden wissen. Das würde meinem Verständnis von Toleranz zuwiderlaufen. Als glaubenskritisch würde ich sie dagegen schon bezeichnen. Immerhin stelle ich mit meinen Betrachtungen zu Gott und zur Religion einen wie auch immer gearteten Glauben an ein übernatürliches Wesen zur Diskussion und letztendlich auch infrage. Und das völlig zu Recht, wie ich meine!
Das Argumentations-Papier „Himmel und Erde und die Verbindung