Mit schwarzen Flügeln. Daimon Legion

Mit schwarzen Flügeln - Daimon Legion


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kommst. Wir ha­ben nicht viel zu bieten, doch es ist besser als nichts. Mehr Tage Fastenkur hast du echt nicht nötig.“

      Somit wollten die Geschwister den Raum verlassen, da fiel es Deacon ein zu fragen: „Wo habt ihr meine Sachen?“

      Ted legte eine Hand auf die Schulter seiner kleinen Schwester. „Nadja hat die Risse gestopft. Das kann sie sehr gut und deine Klamotten waren ziemlich hinüber. Die kann ich dir aber später bringen. Nicht, dass du vorhast, uns voreilig zu verlassen, Wanderer.“

      Deacon neigte demütig den Kopf. „Ich danke euch zutiefst für eure Freundlichkeit einem Fremden gegenüber.“

      Nadja lächelte. „Das ist selbstverständlich.“

      Auch Ted grinste, wenn zugleich etwas schräger. „Dank uns nicht zu früh. Wenn du wieder stehen kannst, ohne umzu­fallen, will dich noch die Älteste unserer Siedlung kennenler­nen. Erwarte aber nicht, dass sie dich mit offenen Armen emp­fängt. Für sie warst du schon abgeschrieben und bist jetzt nicht mehr als ein nichtsnutziger Fresser.“

      Das klang sehr nett. Die Großherzigkeit dieser jungen Menschen traf wohl nicht auf alle zu, die sie kannten.

      „Jetzt schlaf dich aus, Deac.“

      „Das werde ich. Danke.“

      Mit einem zustimmenden Nicken fiel die Tür hinter den Menschen ins Schloss.

      Matt legte Deacon sich wieder lang in die Kissen und zog das Laken bis über die Schultern. Er war wirklich noch müde und ausgelaugt. Vielleicht hätte er gar nicht länger den Ge­schwistern Rede und Antwort stehen können. Gähnend schloss er die Augen und lauschte den Geräuschen, die vom Fenster her zu ihm hinübergeweht kamen.

      Ein Hund bellte. Kinderlachen. Das Geräusch eines Ham­mers, der wahrscheinlich einen Nagel ins Holz trieb. Stimmen­gewirr. Der pfeifende Wind, der durch die Hausritzen drang.

      Er war jetzt mitten unter diesen Leuten, die seinen Namen kannten. Die Anonymität war vorbei. Ein Engel unter vielen kleinen Lichtern verschollen. Der Morgenstern tobte bestimmt schon, keine Nachricht von seinem General zu haben. Sicher wussten seine Kameraden nicht, wo er war. Auch die Weiße Garde nicht. Virel glaubte wohl, er sei tot. Somit war er nicht existent, wie alle hier vor Ort. Wie dieses seltsam anmutende Mädchen ...

      Er drehte sich zur Seite. Die Wunde pochte.

      Im nächsten Moment war Deacon eingeschlafen.

      Ted stellte einen Teller mit ein paar Scheiben Brot, einen Ap­fel, eine Schüssel heißer Grießsuppe und eine Tasse voller Wasser auf den Boden neben das Metallbett. Kurz schaute er auf den Rücken, welchen ihn der friedliche Schläfer zuge­wandt hatte. Hässliche rote Narben zogen sich lang über die Schulterblätter. Dazwischen war die Haut rau, als hätte ihn eine Ladung Schrot getroffen.

       n hartes Leben.

      Dass der Kerl etwas verbarg, war ihm so klar wie das Amen in der Kirche. Doch wollte er geduldig sein und warten. Vielleicht erzählte der Junge ja eines Tages seine wahre Ge­schichte.

       Wer weiß, was dabei herauskommt.

      7

      Noch zwei weitere Tage verbrachte Deacon im Bett und pfleg­te seine Wunde. Als er sich besser damit fühlte, versuchte er, das Bettlaken wie eine Tunika tragend, in Abständen aufzuste­hen und einige Meter zu gehen, auch wenn es ihm mitunter noch schwerfiel. Oft hatte er Kopfschmerzen, aber zumindest brach die Verletzung nicht mehr auf.

      Ted gab ihm wie versprochen seine Uniform zurück. Ein­drücklich nahm er Nadjas Nähkünste unter die Lupe. Bei sei­nem Shirt und der Drillichhose waren die Risse sauber verar­beitet worden und er zollte ihrem Können großen Respekt. Es tat gut, wieder bekleidet zu sein.

      Der Mantel jedoch stellte beide Geschwister vor ein Rätsel. Nachdem der von Blut reingewaschen war, sah man keinerlei Rückstände, geschweige denn Schäden am Gewebe. Nicht ein­mal Nahtstellen, als wäre er aus einem Schnitt gemacht.

      Das war halt weiße Engelskleidung. Flügeltransparenter Stoff, der weder Schaden noch Schmutz an sich haften ließ, und gleich einer gepanzerten Rüstung vor allen irdischen Ge­fahren schützte. Feuer und extreme Kälte hielt er sicher ab. Und einen Sturz aus dem obersten Stock eines Hochhauses konnte er abfangen und seinem Träger die Knochen retten. Ohne diesen Wundermantel wäre sein kleiner Unfall wohl ganz anders verlaufen.

      Schade nur, dass die Fasern keine heiligen Klingen abhiel­ten. Ähnlich der Flügeldurchlässigkeit bot der sonst so robuste Faden gegenüber Engelsschwertern keinen Widerstand.

      Eigentlich war es nicht einmal sein Mantel. Vor ein paar Jahrzehnten hatte er ihn einem feindlichen Krieger abgenom­men und aufgrund seiner Nützlichkeit behalten.

      Nicht dass die Höllenuniform dagegen wertloser war. Doch in den schwarzen Stoff ließen sich keine weißen Zauber ein­weben, was auch die nötigen Schutzfunktionen minderte. Im­merhin war das Dunkelgespinst weich, gut passend und at­mungsaktiv. Darin wurde ihm nie zu heiß oder frostig kalt.

      Überirdische Waffengewalt hielt das freilich nicht auf.

      Die Dienstkleidung und sein durchtrainierter Körperbau warfen die Frage auf, ob er Deserteur einer Armee sei. Deacon verneinte und schwieg beharrlich. Wer hätte ihm die schräge Geschichte vom Obergeneral eines Dämonenheeres geglaubt?

      Es war gegen Mittag, da Deacon aus dem Fenster seines Zimmers sah und vom ersten Stock weithin die Siedlung über­blickte.

      Viele Gebäude wirkten dem Zustand von Teds Haus recht ähnlich. Nichts als verfallene Ruinen, die rund um den Haupt­platz aneinandergereiht waren. Ein Zugangsweg führte Men­schen und eventuelles Fuhrwerk auf freigeräumte Straßen. Sonst lag alles in Schutt und Dreck versunken.

      Auf dem Platz herrschte buntes Treiben. Ein fahrender Händler bot auf seinem Karren allerlei Müllware zum Tausch an. Schrauben, Nägel, Draht, Holz – manches, das man brauchte, um aus dem Mangel etwas zu schaffen. Weiter ab spielten die Kinder, wie jeden Tag, mit ihrem alten Fußball oder Lumpenpuppen. An einer Wasserpumpe wuschen Frauen ihre Wäsche in einer verbeulten Zinkwanne und schnatterten über dies und das.

      Einige ältere Leute saßen in einer Runde und steckten die Köpfe zusammen. Deacon konnte sich das bestimmt nur ein­bilden, doch glaubte er zu sehen, wie verstohlene Blicke in seine Richtung geworfen wurden. Zu dem Fremden, von dem niemand was wusste und der halb tot hier angeschleppt wor­den war. Der sich bei ihnen wie ein Kuckuck einnistet hatte und vom Gemeindewohl zehrte.

      Während eines der Kinder fröhlich zu ihm hinaufwinkte, schienen die Alten ihn am liebsten sofort loswerden zu wollen. Wenn nicht auf friedliche Art, dann anders.

      Deacon seufzte. Womit hatte er nur diese Abneigung ver­dient?

      Da ging hinter ihm die Tür auf und Nadja trat ein. Sie leis­tete ihm ohne Scheu Gesellschaft, obwohl er merkte, dass sie vorsichtig war. So hielt sie es immer. Zwar war sie freundlich, redete locker über alles und machte Scherze – trotzdem war er ihr nicht ganz geheuer.

      Natürlich. Sie kannten ja einander nicht und waren sich fremd. Menschen bauten ihr Vertrauen nur langsam auf und je­mandem zwanglos zu begegnen, der nichts von seiner Person preisgab, konnte in diesen Zeiten fahrlässig sein. Dabei wollte er schon von ihr mehr beachtet werden, statt nur der Unbe­kannte zu sein.

      Wenn sie das genauso sah, zeigte sie es nicht. Die Hilfe für ihn war für sie sicher ganz logisch. Sie hätte jeden gerettet, der in Not war, und würde auch in Zukunft versuchen, die Welt besser zu machen. Irgendwie erinnerte sie ihn an ein träumeri­sches Kind, das Hoffnung witterte, selbst wenn alle anderen schon verzweifelten. Ihre Güte und Anteilnahme galt nicht ihm allein, was er leicht bedauerte. Vielleicht wünschte er sich einfach nur etwas Aufmerksamkeit nach seiner identitätslosen Reise unter den Menschen.

      „Hey“, begrüßte sie ihn mit sanftem Lächeln, „wie geht es dir?“

      „Ganz gut, denke


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