Mit schwarzen Flügeln. Daimon Legion

Mit schwarzen Flügeln - Daimon Legion


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zum Teufel jagen, und ihn, seinen Vater und alle anderen an­ständigen Leute in das Paradies führen. Dort wird es keinen Hunger und keine Not geben und niemand wäre höhergestellt als sein Gegenüber. Seine Mutter hatte fest an dieses Wunder geglaubt, noch auf dem Sterbebett. Sie betete zu Gott und er­klärte ihrem Sohn, wie wichtig es sei, rechtschaffen und gut zu leben, um in den Himmel zu gelangen. Ob sie ihn jetzt hinter den gelben Wolken sehen konnte?

      Er wollte wie sie hoffen. Wenn es nur nicht so schwer wäre. Mit jedem neuen Tag fragte er sich, wieso er eigentlich noch rechtschaffen und gut sein sollte, wenn es den Betrügern und Bösen in der Welt so viel besser ging als ihm. Aber wo­möglich war dieser sogenannte Spuk ja von ihrem Gott ge­schickt worden, weil er selbst nicht eingreifen konnte. Viel­leicht war der Tod das Werk eines rächenden Engels.

      Ein Aufschrei ließ ihn zusammenfahren.

      Es war der alte Geldsack von eben, der sich mit hochrotem Kopf vor Zorn lauthals echauffierte. Offenbar hatte ihn jemand angerempelt oder gar gestoßen, dass er lang auf den Bürger­steig landete und sein teurer Anzug dabei arg in Mitleiden­schaft gezogen wurde. Somit roch er nicht besser als das Geld in der Hand des Jungen.

      Ein kurzes Lachen konnte er nicht unterdrücken. Erfreut schaute er zu demjenigen hinüber, der (dem Geizhals nach) Schuld an der peinlichen Situation hatte.

      Auch ohne diesen lautstarken Tumult wäre ihm der Fremde aufgefallen. Obwohl der junge Mann scheinbar kein Adliger war, strahlte er eine kühle Gelassenheit und Eleganz aus. Sein schulterlanges schwarzes Haar wehte seidig im fauligen Gas­senwind, ebenso die Schöße des schneeweißen Mantels, den er über einer Art schwarzen Uniform trug. War er ein Soldat oder ein Krieger?

      Frei von jeglicher Emotion blickte er den Alten an, als kümmerte es ihn herzlich wenig, wie dieser ihn beschimpfte. Die blassblauen Augen glichen einem starren Eisblock.

      Allmählich verstummte der Geldsack durch diese stoische Ruhe. Erschöpft schnappte er nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen und stotterte schließlich ein paar wirre Worte zu­recht. Im Groben klang es, als verlangte er eine Entschuldi­gung von dem Fremden.

      Stolz hielt der den Kopf erhoben und sah vernichtend auf den Mann hinab, bevor er mit fester Stimme sprach: „Ich frage mich, wer die Ratte ist? Denn ich sehe auf dem ganzen Platz nur ein Ungeziefer, das hier am Boden kriecht. Sie, Sir, sind so überflüssig wie Ihre Worte.“

      Alle klägliche Farbe wich durch diese Herablassung aus dem faltigen Gesicht. Die dünnen Glieder begannen wie Spin­nenbeine zu zittern und mit den Zähnen klapperte der Adels­mann wie vor Frostkälte. Gegen diesen großen Mann erschien er hilflos wie ein Kind.

      „Verschwinden Sie von hier!“, befahl der Soldat schroff. „Das sind nicht Ihre Straßen.“

      Gleich einem geprügelten Hund rappelte sich der Alte rasch aus dem Schmutz auf und verschwand schnellstmöglich, ohne sich nach dem Fremden noch einmal umzusehen. Als wäre der Satan persönlich hinter ihm her.

      Der Herr Soldat atmete tief durch und seine standhafte Haltung sackte leicht in sich zusammen. Seine kühle Art hatte er sich scheinbar bloß für diesen Geizkragen zurechtgelegt. Jetzt ließ er diese Maske fallen und kam langsam auf den Jun­gen zu.

      Der begaffte ihn für seine Kühnheit fasziniert. Ein norma­ler Bewohner der Unterstadt hätte es niemals gewagt, einen Reichen so zu beleidigen. Beinahe kam ihm der Mann wie ein Held vor. Als der Soldat sich ihm zuwandte, roch der Junge einen zarten, ja himmlischen Duft, der wohl von diesem Fremden ausging. Für einen Moment verschwand selbst der Kloakengestank.

      „Eine Zeitung bitte“, forderte ihn der Unbekannte ruhig auf, wobei ein sanftes Lächeln seine feinen Lippen umspielte. Er sah sehr schön aus.

      Gern kam der Junge seinem Wunsch nach.

      „Bitte, mein Herr.“

      „Ich danke dir“, sagte er mild und betrachtete die Titelseite mit eindringlichem Blick. Dann griff er in seine Mantelinnen­tasche und holte ein braunes Ledersäckchen hervor, welches er dem Jungen in die Hand legte. Der war sprachlos, fühlte er doch bereits am Gewicht, dass es keine Aluminiumchips beinhaltete.

      „Passt so“, erklärte ihm der Mann. „Den Rest darfst du be­halten.“

      Bestürzt wollte der Junge die Spende nicht haben und drängte ihn, sie zurückzunehmen. „Mein Herr, das geht nicht. Das ist viel zu viel, das kann ich nicht -“, aber der Mann woll­te nichts davon hören.

      „Mich kümmert kein Geld. Wenn du es gebrauchen kannst, nutze es. Ich sehe am Druck, dass eure Presse schwächelt. Lasst sie reparieren.“

      Der Junge überlegte und löste sich von der Bescheidenheit. Neugierig lugte er in das Innere des Geldbeutels. Es verschlug ihm abermals die Sprache, so viel Gold zu sehen. Mit großen Augen schaute er zu dem Soldaten auf. „Ich danke Ihnen, mein Herr. Das werde ich Ihnen nicht vergessen.“

      Mit vor Verlegenheit gesenktem Blick trat der Mann von ihm zurück und lächelte. „Doch, das wirst du. Das Beste wäre, du vergisst mich sofort.“

      „Warum?“

      „Darum.“

      Der Soldat drehte dem Jungen den Rücken zu und ging sei­ner Wege.

      „Werde ich Sie nie mehr wiedersehen?“, rief der Junge ihm bestürzt nach, jedoch ohne Antwort zu erhalten.

      Stattdessen gab der Mann ihm über die Schulter einen kurzen Abschiedsgruß, bevor sein langer weißer Mantel, dem kein Unrat dieser Gasse anhaften konnte, hinter der nächsten brüchigen Hausecke verschwand. Mit seinem Verschwinden verpuffte auch der Duft und um den Jungen herum roch es wieder nach Dreck.

      Irgendwie hatte er gehofft, dass der Soldat zurückkäme. Dass sie Freunde werden und er wie ein großer Bruder mit in der Druckerei arbeiten könnte. Es war eine vergebliche Hoff­nung.

      Das Gold im Lederbeutel klimperte.

      Sein Vater würde Augen machen, wenn er es ihm zeigte.

      Mit einem Grinsen im Gesicht fasste der Junge seine Um­hängetasche fester und rannte nach Hause.

      Dem schwarz gekleideten Mann in weißem Mantel sollte er nie wieder begegnen.

       Was wolltest du mit den Menschen eigentlich erreichen?

      Die Zeitung unter den Arm geklemmt, hechtete er im Lauf­schritt durch die Unterstadt und rempelte dabei den einen oder anderen Passanten an. Wenngleich diese Leute ihn nicht auf­hielten, so wie dieser alte Knochen vorhin. Wie tote Fische, die mit dem Strom abwärts gleiten, liefen sie stumm und ohne den Kopf zu heben die Wege entlang, die sie schon immer ge­gangen waren und auch weiter gehen würden. Wie in einer Herde von Schafen. Wahrscheinlich bezeichneten sie deshalb ihren Gott als Hirten.

       Menschen.

       Das ist doch alles eine Farce.

       Wozu hast du ihnen den freien Willen gegeben, wenn sie keinesfalls davon Gebrauch machen? Warum können sie frei wählen und ihr Schicksal selber bestimmen? Dabei stehen sie nur dumm da und glotzen stumpfsinnig aus der Wäsche. Du hast sie uns einst vorgezogen, doch jetzt kümmert dich dein feines Spielzeug nicht mehr.

       Der Mensch ist eine in Monotonie verfallene Puppe. Feige gegenüber Veränderungen.

       Du magst deine Gründe gehabt haben, einen Adam zu er­schaffen, bloß fehlt dieser Kreatur zeitlebens das Rückgrat. Ich kenne die wahre Geschichte zu gut von Ihm. Er sagt auch, dass du Fehler schlecht verkraftest. Dein ganzes Allmachtsge­laber ist nur Fassade und besitzt keinen Wert ...

      Nach diesem Spott fühlte er ein Ziehen und Stechen in sei­ner Brust und sein Magen begann zu rebellieren. Er blieb ste­hen und schüttelte dieses widerliche Gefühl ab.

       Ach, wie konnte ich es nur wagen, dein Urteil infrage zu stellen?

      Sein Sarkasmus wurde mit einem weiteren Anflug von Übelkeit belohnt. Wenn er in dieser Welt war, spürte


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