Mit schwarzen Flügeln. Daimon Legion

Mit schwarzen Flügeln - Daimon Legion


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das Treiben Assias und da hatte das Alpha und Omega ihn dummerweise gehört. Wie die Geschicke heute dort oben gelenkt wurden, konnte er freilich nicht wissen ...

      Aber ich weiß, Gott hasst Kritiker. Im Gehen grinste er frech zum Firmament hinauf.

      So unaufmerksam stieß er wieder mit der Schulter gegen einen entgegenkommenden Mann, der aber taub weiterging, als hätte er nichts gemerkt.

      Wieder ein Fall von Trägheit – was für eine Verschwen­dung, gestand er sich ein. Von all den begriffsstutzigen Men­schen dieser Stadt konnte er gerade mal die Seele des Zei­tungsjungen als gut aufführen. Er mochte Kinder. Ihre Lebens­lichter glänzten zumindest noch etwas in diesem elenden Sün­denpfuhl.

      Die Reichen in ihren verspiegelten Glasstädten waren ver­dorben bis ins Mark und den armseligen Pennern in den Slums war offenbar alles egal. Auch wenn sie noch lebten, hatte er öfters das Gefühl, unter Zombies zu gehen. Kein Wunder, dass es immer schwerer wurde, zwischen ihren Reihen zu ver­schwinden. Ob er besser eine andere Ebene aufsuchen sollte? Doch würde ein Zauber nur andere auf ihn aufmerksam machen.

      In den Geschäftsmeilen der Kaufleute angekommen, setzte er sich auf eine der Straßenbänke. Die Unterstadt lagen hinter ihm, dennoch roch die Luft nach fauligen Abgasen, die nicht einmal seine Aura neutralisieren konnte, und auch der gelb­lich-trübe Wolkenhimmel wollte nicht einen Sonnenstrahl zu ihm hinunterlassen. Natürlich waren hier dieselben toten Ge­sichter zu finden.

      Um sie nicht mehr sehen zu müssen, faltete er die Papier­zeitung auseinander und begann zu lesen – neugierig zu erfah­ren, wie sie ihn diesmal darstellten.

      Hartnäckig waren diese Menschen, das musste er ihnen lassen. Sie setzten ganze Legionen auf ihn an, obwohl es völ­lig sinnlos war. Mit Netzen, Schusswaffen und Staatsgewalt konnte man ihn nicht fangen. Schon gar nicht mit einem verzweifelten Götzendiener, der nutzlose Gebete faselte.

      Eine Liste der bisherigen Todesopfer war abgedruckt.

      Mhm, dachte er nach, in deren Berechnungen fehlen ein paar Namen. Haben sie wohl noch nicht gefunden ...

      Etwas mehr als zwei Dutzend waren es bisher. Und schein­heilig wurde die Frage nach dem „Warum?“ gestellt.

       Was gibt es da zu überlegen?

      Wie ignorant waren die Leute, um nicht zu erkennen, dass er ihnen eigentlich sogar einen Gefallen tat, indem er diese Personen getötet hatte. War es nicht offensichtlich genug? Die Sünde hatte den Menschen erfolgreich vergiftet, besonders in Machtpositionen. Die höheren Kreise quollen über vor Ge­stank, Dreck und Schande, als dass sie mit Gold und Glanz zu kaschieren waren.

      Wenn er nur an die letzten verdorbenen Seelen dachte, die er gesammelt hatte, drehte sich ihm erneut der Magen um. Kinderschänder, Vergewaltiger, Sadisten, Zuhälter und Folte­rer. Wahrhaftige Mörder, kaltschnäuzige Tyrannen und Klin­gen schwingende Raubtiere. Betrüger, Schwindler und Leug­ner, die am Leid anderer ihre Gier befriedigten.

      Er machte hier nur seine Arbeit. Schickte diesen Abschaum an den Ort, wo ihre Energien noch hilfreich sein konnten, statt dass sie in dieser Welt weiter ungestraft davonkamen, nur weil sie den nötigen Einfluss besaßen. Kanonenfutter, Kohle und Schmiedestahl waren gern bei seinem Herrn gesehen.

      Das einzige Problem war die Auffälligkeit. Da konnte er noch so lautlos wie ein Geist umherwandern und von Tatorten ungesehen verschwinden – aber wer ihn einmal sah, spürte das Übermenschliche von ihm ausgehen. Bislang lief ja alles gut, doch er sollte vorsichtiger sein. Vielleicht eher die Menschen meiden, statt die Masse als Deckung zu benutzen. Nicht nur Gott warf ab und an ein Auge auf Assia.

      Und Er wäre wütend, wenn Er seinetwegen Ärger bekäme.

      Kurz durchstöberte er noch die anderen Tagesmeldungen und entdeckte sogar einen Bekannten, dessen Seele er in der kommenden Zeit stehlen wollte. Der übrige Tand war ihm tri­vial. Mit der Zeitung fertig, stopfte er sie in den bereitste­henden Mülleimer, selbst wenn dieser nicht danach ausschau­te, als ob man ihn regelmäßig leerte.

      Er beugte seinen drahtigen Körper vor und fuhr sich seuf­zend durch das dichte schwarze Haar.

      Sobald sein Auftrag erledigt war, würde er ein paar Tage Urlaub einreichen und sich von diesem Mief in der Luft erho­len. Da roch es selbst auf der Schädelhöhe angenehmer ...

      Durch das Schaufenster einer Boutique erblickte er ein Ehepaar aus der Oberschicht. Gesichtsfratzen, blass und talgig wie Walspeck, dabei durchdrungen von einem dicken Linien­geflecht aus Falten. Beide in ihre Garderoben gepresst, dass man fürchtete, der zarte Stoff könnte zerreißen und die Knöpfe wie scharfe Geschosse durch den Raum schleudern. Zornig stampfte die Frau mit ihren dicken Beinen auf und schien sich wie eine verzogene Prinzessin bei dem Händler zu beschwe­ren, dass ihr viel begehrtes Utensil nicht geliefert wurde, ob­wohl sie doch Unsummen gezahlt hatte. Ihr Göttergatte mach­te den um Ausflüchte bemühten Verkäufer rund und sein lautes Gebrüll ums Geld hallte dumpf durch die Fensterscheiben auf die Straße.

      Gewohnt blind und taub, beachteten die vorbeigehenden Passanten diese Szene nicht einmal.

      Der Mann lehnte sich lässig, die Beine übereinanderge­schlagen, auf der Bank zurück und verzog die Mundwinkel zu einem gequälten Lächeln, wobei seine Augen abschätzig roll­ten.

      Habgier, Hochmut, Wollust, Zorn, Trägheit, Völlerei, Neid der Besitzlosen – und dann noch einen großen Punktabzug für schlechten Stil, zählte er an den Fingern ab. Die beiden wären ein Vorschlag für die nächste Saison.

      Der Mensch bestand aus einer Fülle von Sünden.

      Und der Seelenfänger fuhr die Sünder ein wie der Bauer seine Ernte.

      Es gab ja so viel zu tun. Für einen Einzigen eine Menge Arbeit. Er sollte Ihn fragen, ob er nicht ein paar Assistenten kriegen könnte.

      Na ja. Wenn es sein Schicksal gewesen wäre, ruhig und friedlich zu leben, hätte er diesen Job niemals angenommen.

      2

       Welche Seele liegt denn auf dem Weg? Aha, ein gewisser Pater Salomon. Na dann ...

      Egal, wie viele Seelen er verdammte, irgendwie wurden es nie weniger. In dieser Welt existierten wohl mehr lebensun­würdige Sünder als aufrichtige Menschen. Und man fand sie selbst an den heiligsten Orten, die doch immer damit prahlten, Diener des einzig Wahren zu sein.

       Hochmut kommt vor dem Fall.

       Wer sollte das besser wissen?

      Das Kirchengebäude erstrahlte im hellen Weiß, dass es aus weiter Entfernung schon sichtbar war. Aber er spürte, unter der Fassade waren die Mauern bereits alt und brüchig. Wahr­scheinlich stammte der Rohbau aus früheren Zeiten, als die Menschen sich gegenseitig noch human behandelten und die­ses Gotteshaus Arm und Reich offen stand.

      Heute war der vergoldete Beichtstuhl in Besitz der Korrup­tion und die Edelholzbänke reserviert für Kapitalisten. Wäh­rend sie ihre Wohlstandsleiber auf bequemen Samt setzten und die Scheinheiligkeit lobpriesen, blieb dem gemeinen Pöbel al­lerhöchstens ein Platz auf nacktem Steinfußboden in der dun­kelsten Ecke der Kathedrale. Üblicherweise vertrieb man ein­fach jene, die für ihren Segen kein Geld aufbringen konnten.

      Durch die stark verzierte, elfenbeinweiße Flügeltür trat er ein in das Schiff „Gottes“ und lief auf roten Stoffbahnen dem Altar entgegen, wo eine kleine Messe abgehalten wurde. Schillernde Farbtupfer spärlichen Lichtes, welches durch die kostbaren Bleiglasfenster fiel, beleuchteten seinen Weg und ließen Protz und Glanz überirdisch erscheinen.

      Die Schritte seiner schweren Stiefel hallten von den Mar­morwänden wider.

      Das Kreuz war blanker Hohn. Die Leiden Christi in kunst­volles Gold gefasst, war diese Kirche mehr eine Huldigungs­stätte Mammons. Auch die Monstranz und Messgarnitur schimmerten ihm entgegen. Kelch und Hostienschale glitzer­ten in Kristall. Die Heilige Schrift war in


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