Mit schwarzen Flügeln. Daimon Legion

Mit schwarzen Flügeln - Daimon Legion


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nicht min­der in Erscheinung trat, obwohl er von Bescheidenheit und Nächstenliebe predigte. Festlich geschnürt und geschmückt wie ein Geschenkpaket, als hätte er auf ihn gewartet. Sein wei­ßes Seidengewand umspannte den schwelligen Leib und war bestickt mit Goldfaden, der filigrane Ziermuster bildete. Schweißtropfen perlten von seiner fettigen Haut und er keuch­te, als bekäme er wegen seiner Körperfülle zu wenig Luft.

      Sein Herr Jesus wäre enttäuscht von ihm gewesen.

       Scheinheiliger Betrüger.

      Wer wirklich Gott in diesem Gemäuer suchte, war auf dem Holzweg. Dieses Haus aus Steinen und Beton war nichts wei­ter als das Mahnmal einer weltbeherrschenden Sekte, die ver­lorene Schafe zum Schlachter führte, um sie ausbluten zu las­sen. Ein geldgieriger Haufen Größenwahnsinniger, die das Seelenheil wie eine Ware verkauften und mit betörendem Weihrauch und falschen Versprechen den schlichten Verstand umnebelten. Schon seit Jahrhunderten betrieben sie ihre Bau­ernfängerei und unterjochten Andersgläubige in unsinnigen Kriegen mit so vielen Opfern, dass die seinen nur ein Quan­tum waren.

      Er war nicht unbedingt wegen seiner Distanz zu Gott gegen die Kirche. Gott und die Seinen konnte er aus persönlichen Gründen nicht leiden. Jedoch waren sich sowohl Himmel als auch Hölle in Hinsicht auf Religionen, die für ihre Zwecke das Wahre mit Zuckerbrot und Peitsche verdrehten, ausnahmsweise einig: man konnte ruhig auf sie verzichten.

      Von den Bankreihen, an denen er vorbeilief, drangen ge­murmelte Gebete an sein Ohr. Bitten an den Heiland für Macht, Erfolg und den großen Gewinn. Selbstsüchtiges Ver­langen. Diese „Gläubigen“ dachten nur an ihr eigenes Wohl. Niemand sprach ein Wort für die, die Hilfe nötig hatten. Dabei sahen diese hier so aus, als hätten sie die Mittel, etwas zu ver­ändern. Der eine konnte allein mit seinem Goldring eine drei­köpfige Familie einen Monat lang ernähren. Wenn er denn den Großmut besäße, ihn zu verkaufen.

      Ihm lag es fern, den Moralapostel zu spielen, aber anhand dieses schlechten Beispiels konnte er bloß den Kopf schütteln.

      Ein Haus voller Habgier. Ein jeder dieser Sünder wäre – seiner Meinung nach – gutes Futter für das Fegefeuer, und wenn es nach ihm ginge, würde er diesen ganzen Schuppen mit allen Insassen abreißen. Wenngleich sein Boss dafür kein (volles) Verständnis hätte. Er war hier schließlich in verdeckter Mission unterwegs und sollte keinesfalls ganze Razzien veran­stalten. Das gäbe bloß unnötig Stress.

       Geduld. Alle bekommen, was sie verdienen.

      Leise seufzend richtete er seinen kalten Blick auf das Hauptziel.

       Dieser rot markierte Schweinepriester.

      Die Schuldlast seiner Seele wog so schwer, dass sie förm­lich wie klebriger Schleim von ihm tropfte. Unter dem Speck floss die Verdorbenheit schwarz und schmierig gleich ranzi­gem Öl, das lauthals forderte, von Feuer entzündet zu werden.

      Diesem Wunsch kam er zu gern nach.

      Wieder einmal bewies die Existenz dieses Bastards, wie falsch es im Rechtssystem der Menschen zuging. Freiwillig schickten sie ihre Kinder als Messdiener in die Klauen eines Scheusals und verdarben damit die Unschuld. Zerstörten klei­ne Herzen. Wer würde es schon wagen, einen Prediger von Gottes Wort einen Knabenliebhaber zu schimpfen?

      Er setzte sich im Gestühl auf einen freien Platz und über­legte, wie er es anstellen konnte, diesen Schmutzfleck von der Oberfläche zu tilgen. Vor so vielen Zeugen wäre das idiotisch. Zu seinem eigenen Erstaunen kam eine Lösung von allein.

      Dem Priester fiel er sofort ins Auge. Witternd erschnupper­te die dicke Nase seinen Geruch, der jeden Menschen betörte. Dazu war Schönheit seiner Art gegeben und auf diesen Mann wirkte er wohl äußerst anziehend. Dennoch wurde ihm schlecht, als die Schweinefratze ihn wässrig ansah.

      Oh nein, bitte nicht, schoss es ihm flehend durch den Kopf. Er war definitiv nicht hier, um für perverse Fantasien herzu­halten.

      Mit geöffnetem Mund und Speichel benetzten Lippen stoppte der Geistliche die Predigt einen Moment, um seinen lechzenden Geist zu fangen. Schließlich setzte er übereilt fort.

      Die letzten Zeilen eines Psalms wurden im Schnellverfah­ren heruntergerattert und die Messe kurzerhand beendet. Flugs gab er allen, die es bevorzugten, den Segen und schickte sie nach Hause. Jetzt konnte der Glatzkopf seinem Richter gegen­übertreten, ohne zu ahnen, dass das Urteil bereits feststand.

      Seine fetten Wurstfinger rieben einander zittrig um den Rosenkranz und nervös sah er sich noch einmal um, sicherge­hend, dass niemand mehr hier war außer diesem fremden, jun­gen Mann und ihm. Dünner und höher klang Salomons Stim­me, als er ihn ansprach: „Sei gegrüßt, mein Sohn. Ich habe dich noch nie gesehen. Bist du neu in dieser Stadt?“

      „Ich bin nur ein Reisender“, gab er ihm gleichmütig Ant­wort. Das „Pater“ setzte er mit leichtem Hohn nach und fixier­te ihn dabei wie ein Raubvogel die Schlange.

      „Es ist gefährlich in dieser Zeit, allein unterwegs zu sein. Ich werde für dich beten, dass deine Reise gut verläuft und dich sicher an dein Ziel bringt.“

      Der Mann lächelte schief. „Das wird sie, auch ohne Kir­chengebet.“

      Sogar der Priester schmunzelte und platzierte ungemein vertrauensselig seinen Schwellleib neben ihn. Langsam hob er seine hässliche Pranke und strich dem Fremden fast zärtlich durch das schwarze Haar.

       Wie kann es dieser grapschende Fettwanst wagen!?

      Der Unwürdige berührte die Haut an seinem Kinn.

      „Du bist schön wie ein Engel, mein Sohn. Gott hat ein Wunder an dir getan.“

      Seine Kiefer pressten sich stark zusammen und durch die Zähne knurrte der Mann frostig: „Du hast doch keine Ahnung, wovon und mit wem du hier sprichst, Pseudopfaffe!“

      Der Kleriker wich erschrocken zurück. Zu langsam.

      Für den Moment eines Lidschlags schnellte der Henker nach vorn und schlug seine Hand flach auf die schwabbelige Brust.

      Das Opfer spürte eine Energie, die von seiner Berührung ausging. Sein Inneres fühlte sich plötzlich seltsam an. Erst juckte, dann brannte es wie Säure im Körper und etwas schnürte ihm die Kehle zu, bis er nicht mehr atmen konnte. Auf der Zunge schmeckte der falsche Heilige bittere Galle und die Augen taten ihm drückend weh. Das Herz schlug ihm laut in den Ohren, der Takt wurde schneller und schneller, bis ein grässlicher, heller Pfeifton, wie von einem Wasserkocher, in seinem Schädel dröhnte!

      Unter seiner Hand spürte der Mann, wie ein Schock das menschliche Herz in Stillstand versetzte und schon erloschen alle Regungen in dem Gesicht des jetzt toten Paters Salomon. Die Augäpfel des Priesters quollen starr aus ihren Höhlen her­vor. Die Seele dieses Ungeheuers floss ein in den Strom der Verdammten und wanderte direkt ins Jenseits.

      Angewidert riss er seine Hand von diesem Ding los, das er nicht als eine menschliche Leiche bezeichnen wollte.

      Der Tote rutschte von der Kirchenbank und blieb wie ein nasser Sack am Boden liegen.

      Augenscheinlich unversehrt. Aufgrund seiner Fettleibigkeit hatte der Alte nur einen plötzlichen Herzstillstand erlitten. Sein Pech.

      Er machte einen weiten Schritt darüber.

      Als wäre nichts passiert, ließ er diesen unheiligen Ort ohne Beachtung zurück. Die Hände wusch er stoisch noch in der Weihwasserschale, um den übertriebenen Kirchengestank los­zuwerden, und benetzte erfrischend sein Gesicht.

      „Vergebt mir, Vater, ich habe gesündigt. Was will der Papst dagegen tun?“, verlachte er offen die erschaffene Religion und sah auf das Kreuz. „Billig, mit was man diese Menschen belü­gen kann. In ihrer Verzweiflung glauben sie alles. Es fällt ih­nen leichter, eine Ikone anzubeten, als auf die eigene Kraft zu vertrauen.

      Doch wenn diese schwachen Geschöpfe schon jemanden brauchen, der sie leitet, wieso wenden sie sich dann an so ein Ekel?“

      Jesus antwortete nicht.

      Es


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