Oliver Hell Todeshauch. Michael Wagner J.
doch sie hatte Glück gehabt und überlebt.
»Overkill«, flüsterte Klauk beinahe lautlos und Irina sah ihn aus Augen an, die den Schmerz des Erlebten immer noch widerspiegelten.
»Overkill?«
»Ja, so sieht es Christina Meinhold, meine Profiler-Kollegin. Sie ist der Überzeugung, das Quade eigentlich nur seine Frau umbringen wollte. Sie war das eigentliche Ziel. Die anderen Frauen hat er an ihrer Stelle getötet, weil er sich nicht getraut hat, Hand an seine Frau zu legen.«
»Und deshalb musste sie so grauenvoll sterben?«
»Ja, so sieht Christina es jedenfalls. Sie will den Fall »Quade« als Thema für ihre Abschlussarbeit aufgreifen. Sie beginnt in den nächsten Tagen mit der Ermittlungsarbeit. So einen Fall von Overkill hat es in der Bundesrepublik noch nicht gegeben. Daher nimmt sie sich den Fall vor.«
Klauk sah totale Bewunderung in Irinas Augen. »Mutig, sich in eine solch abgründige Seele zu versenken. Wenn sie von mir etwas erfahren will, dann soll sie mich anrufen. Sag ihr das bitte.«
»Bist du sicher?«, fragte er.
»Ja, das bin ich. Ab Montag gehe ich zur Therapie. Mit Christina zu reden, wäre sicher noch eine zusätzliche Hilfe. Ich finde sie so toll.«
Klauk lächelte.
»Ja, das ist sie wohl, da hast du recht.«
Sie schwiegen eine Weile, bis Irina einen Gedanken loswerden wollte.
»Glaubst du, er hat mich verschont, weil es für ihn keinen Grund mehr gab zu töten?«
»Ja, Christina sieht darin einen möglichen Ansatz einer Erklärung. Sie denkt, dass seine Frau aus einem bestimmten Grund die Höchststrafe verdient hatte. In seinen Augen selbstverständlich.« Klauk nahm die Hände zu Hilfe, um sein Unverständnis darüber deutlich zu machen. Er schob den Gedanken bildlich zur Seite. »Du warst einfach da und er hat dich als Druckmittel benutzt. Er hätte dir aller Voraussicht nach nicht das Gleiche angetan wie den anderen Frauen.«
»Sagt das Christina?«
Klauk nickte.
»Sie hat seinen Blick nicht gesehen. Der Typ war irre!«
Angst trat in ihren Blick. Klauk bemerkte sofort, dass es an der Zeit war, das Thema zu wechseln. »Wir machen jetzt einen Cut. Ich werde Christina raten, dass sie eine Weile wartet, bis sie dich anruft. Ist das okay?«
Sie nickte nur.
»Was machst du jetzt? Wenn ich mir jetzt auch noch Sorgen machen muss, weil ich weiß, dass du vielleicht deinen Beruf aufgibst, verbessert das meine Genesung nicht wirklich«, sagte sie und Klauk war froh, dass er jetzt wieder in den Fokus geriet. Er versuchte zu lächeln.
»Danke, das ist lieb von dir.«
»Es ist meine Überzeugung. Du bist der beste Polizist, den ich kenne.«
Klauk lachte auf.
»Du kennst nur mich!«, sagte er.
»Na und?«
»Wenn ich so ein toller Bulle wäre, dann hätte man mich nicht vom Dienst suspendiert, Irina.«
»Dieser Überthür war ein Arschloch, das sagst du doch selber. Warum ist diese Suspendierung noch nicht aufgehoben? Du hast dir doch nichts zuschulden kommen lassen!«
»Das sieht die Dienstaufsichtsbehörde anders. Sie ist der Meinung, dass ich anders hätte handeln müssen!«
»So ein Quatsch!«, ereiferte sich Irina, »ich war in Gefahr und das stellte eine Ausnahmesituation für dich da.«
Klauk lächelte mild. »Es hätte schon noch Spielraum gegeben«, antwortete er und freute sich über ihre Parteinahme.
»Ach ja? Welchen denn?«
Klauk fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Ich hätte die Kollegen informieren müssen und können. Akuda hat mich überwacht, aber das wusste nicht einmal Hell. Also, ich hätte mit offenen Karten spielen können.«
»Und wenn er es spitzbekommen hätte, dann wäre es um mich geschehen!«
»Hansen ist der Meinung, ich hätte Hell informieren müssen. Sie kann aber auch meine Gründe verstehen. Ich weiß nicht, wie sie sich dazu stellen wird. Die Dienstaufsicht wird mir auf jeden Fall einen reinwürgen! Das gibt einen Eintrag in der Personalakte. Eine Beförderung kann ich erst einmal vergessen.«
Irina witterte ihre Chance, ihn zu überzeugen. »Scheiß drauf, du willst doch eh nicht aufsteigen!«
Klauk lachte, weil Irina sich so echauffierte.
»Was?«, zischte sie kampfeslustig.
»Du kennst mich ja wirklich gut. Hell wirft mir ebenfalls mangelnden Ehrgeiz vor. Daher hat er auch Wendt befördert«, erklärte er.
Irina hob eine Augenbraue. Sie erwartete eine weitere Erklärung. Was sollte er ihr sagen? Wenn sein Gehirn schon wieder klar hätte denken können, dann wäre die Antwort sicher einfach gewesen. Aber sein Kopf war nicht der alte. Wollte er wirklich den Job hinwerfen? All die Zeit wäre vergeudet gewesen. All die Diskussionen mit seinem Vater. Acht vergeudete Jahre. Etwas rebellierte in ihm. War es der Gedanken an seinen Vater? Dass er nach all den Jahren triumphieren würde?
Er hörte seine Worte förmlich: »Das habe ich dir doch gleich gesagt. Mach etwas aus deinem Leben! Polizeidienst? Das ist doch nichts für einen Klauk!«
Wie oft hatte er diese Worte und den abschätzenden Blick seines Vaters schon gesehen und durchlitten. Zu oft.
Was ist das nur für ein Blödsinn in meinem Kopf, dachte er.
Du kannst nicht ernsthaft deinen Beruf aufgeben! Eine andere Tatsache wog beinahe genauso schwer wie das Triumphgeheul seines Vaters. Er würde Lea nicht mehr jeden Tag sehen können.
»Eine Beförderung kann ich in den nächsten Jahren vergessen. So lange, bis Gras über die Sache gewachsen ist.«
»Was heißt das jetzt? Machst du weiter?«, wollte Irina wissen.
Klauk sah ihr in die Augen.
»Es heißt, dass ich es mir reiflich überlegen werde, ob ich weitermache. Auf jeden Fall bist du die erste, die ich anrufe, wenn in meinem Kopf wieder Ordnung eingekehrt ist! Na ja, meinen Chef werde ich vielleicht noch vor dir informieren. Nun, der ist ja auch männlich.«
Irina knuffte ihn in die Seite. Klauk seufzte selbstkritisch. »Mehr kann ich dir nicht zugestehen«, erklärte er mit einem traurigen Blick.
»Irgendwie weiß ich schon jetzt, wie du dich entscheidest«, sagte sie und setzte sich ganz aufrecht hin, wie ein Mädchen, das im Begriff war, ein Geheimnis an seine beste Freundin zu verraten.
»Ach ja, dann lass mal hören!«
»Du machst dir Gedanken um etwas, um das es sich nicht lohnt, auch nur einen Gedanken zu verschwenden. Du solltest dir Gedanken machen, ob es nicht endlich an der Zeit ist, deiner Lea reinen Wein einzuschenken. Sie sollte wissen, was du für sie empfindest.«
Klauk wurde sofort puterrot. Obwohl sie völlig recht hatte, protestierte er: »Das hat doch nichts mit dem Job zu tun.«
Lea traf mit ihrem Einwand des Pudels Kern. Wenn er und Lea zusammenkamen, mussten sie entweder Versteck spielen oder ihren Vorgesetzten informieren. Das wiederum würde bedeuten, dass einer das Team verlassen musste. Liebschaften unter Kollegen wurden nicht gerne gesehen.
»Dir ist schon klar, was das bedeutet?«, fragte Klauk.
»Ja, sicher. Vielleicht hilft es bei deiner Entscheidungsfindung.«
Sie betrachtete ihn mit einem kecken Lächeln. Klauk seufzte erneut.
»Du hast recht. Ich kann nicht das eine wollen und das andere ausklammern. Verdammt, ich wünsche mir, mein Leben wäre weniger