RAYAN - Die Serie (Teil 1 - 4). Indira Jackson
auch Respekt einbrachte.
Yasin aber lernte seine Lektion, dass es manchmal eben doch gut war, sich auf andere verlassen zu können.
1990er - Kaserne Rabea Akbar und Weltweit - Spezielle Werte
Alle drei kamen mit Spitzenbewertungen durch die Rekrutenzeit und wurden für die Weiterbildung in der Spezialeinheit zugelassen.
Die folgenden beiden Jahre wurden sie intensiv in Kampftechniken, Waffenkunde, Sprachen und diversen anderen Fertigkeiten ausgebildet.
Als er auch diese zweijährige Ausbildung mit hervorragenden Bewertungen abschloss, war Yasin 20 Jahre alt.
Trotz all seiner guten Resultate gab es einen Hinweis, der separat herausgestellt wurde:
Bei psychologischen Gutachten zeigte er eine Tendenz zu einer „antisozialen Persönlichkeitsstörung“, d. h., er empfand nur wenig Mitleid mit Schwachen und machte sich selten die Mühe sich in andere hineinzuversetzen. Unter anderem war auch eine soziopathische Tendenz spürbar, das hieß, dass er, sobald er von der Richtigkeit einer Aktion überzeugt war, diese durchführte, ohne Zögern und ohne jegliche Gewissensbisse im Nachhinein. In den Augen einiger Vorgesetzter waren dies gute Nachrichten, machte ihn dies doch zu einem idealen Killer …
Und so arbeitete er in den darauffolgenden Jahren an verschiedenen Geheimaufträgen, die er teilweise alleine, teilweise in kleinen Teams, aber vor allem auch immer wieder zusammen mit Cho und „Hummer“ meisterte.
Cho und Yasin hatten sich auf den Spitznamen „Hummer“ für Joe geeinigt, da vor allem der kleine Japaner der Meinung war, dass Joe aufgrund seiner körperlichen Maße große Ähnlichkeit mit einem derartigen Fahrzeug hatte.
Yasin wurde aufgrund seiner Sprachbegabung speziell immer wieder für Aufträge in verschiedenen Ländern der Welt eingeteilt. Er genoss es, Neues zu sehen und unterschiedliche Kulturen kennen zu lernen – und doch konnte er nie seine Heimat und seinen Geburtsort vergessen, der der einzige Ort der Erde zu sein schien, an den er nicht reisen konnte.
2014 - Krankenhaus von Alessia - Ausgetrickst
An dem Tag, als Hatem sich verabschiedet hatte, durfte Carina nachmittags zum ersten Mal aufstehen.
Mithilfe einer Schwester verließ sie das Zimmer.
Sie musste sich noch vorsichtig bewegen, aber eigentlich ging es ganz gut. Nach so langer Zeit, die sie im Freien verbracht hatte, fühlte sie sich in dem Raum eingesperrt und nahm daher das Ziehen im Bauch gerne auf sich.
Sie war gespannt, ob tatsächlich jemand vor ihrem Zimmer saß und siehe da: Dort saß auf einem Stuhl nicht weit von ihrer Tür ein junger Araber, den sie aber noch nie zuvor gesehen hatte. Soweit sie es beurteilen konnte, war er keiner der Männer, mit denen sie durch die Wüste geritten war.
Das war aber auch nicht überraschend, sie hatte ja von Hatem gehört, dass sich der kleine Trupp von circa 60 Reitern, der von Dubai aus aufgebrochen war, hier mit viel mehr Männern treffen wollte.
Natürlich wollte sie sofort von ihm wissen, was er hier machte und wo der Scheich zu erreichen sei.
Doch der junge Mann sprach offenbar nur Arabisch.
Sie bat die Schwester, die aus Alessia war, aber auch ganz passabel Englisch sprach, für sie zu übersetzen, doch der Tarmane zuckte trotzdem die Achseln.
Entweder wusste er wirklich nichts, oder er stellte sich ganz geschickt dumm.
Er richtete schöne Grüße vom Scheich aus, er wünsche ihr eine gute Besserung und würde ihr selbstverständlich den Heimflug ab Alessia (via Dubai) nach Deutschland bezahlen, sobald es ihr besser ging. Eine höfliche Form zu sagen: „Schau, dass du nach Hause kommst.“
Carina war empört. Schon wieder versuchte der Kerl ihr vorzuschreiben, was sie zu tun hatte. Da war er aber an die Falsche geraten! Und so dachte sie sich einen Plan aus.
Am sechsten Tag nach ihrem Erwachen konnte sie schon wieder einigermaßen laufen und da sie Angst hatte, dass der Scheich tatsächlich weiterziehen würde, riss sie sich zusammen. Bis zum Erreichen ihres Zieles musste sie einfach kommen.
Ihr war klar, dass sie nicht darauf hoffen konnte, dass einer der Männer, die sich regelmäßig abwechselten, vor ihrer Tür einschlief. Sie wusste aus Erfahrung und aus dem Erlebnis in der Wüste, dass die Männer dafür viel zu gut trainiert waren. Sie konnte also nicht einfach an ihnen vorbeischleichen.
Und so wartete sie, ob nicht einer von ihnen einmal kurz seinen Platz verlassen würde. Und tatsächlich suchte der junge Mann, der ihr zwei Tage vorher die Grüße ausgerichtet hatte, die Toilette auf. Er war keine zwei Minuten weg, aber das reichte Carina. Sie huschte in einen Materialraum schräg gegenüber von ihrem Zimmer. Dort zog sie sich an.
Sie musste nicht lange warten, dann kam die Schwester und schaute nach, wo sie hingegangen war. Dann fand sie Carinas Zettel: „Ich muss etwas erledigen, bin in ein paar Stunden wieder da.“
Wie von der Tarantel gestochen, sprang der junge Mann auf und begann nach ihr zu suchen.
Als er sie nicht an den üblichen Stellen, wie Terrasse, Kantine und Toilette fand, rannte er nach draußen.
Da er dann erst einmal stehenblieb, um zu schauen, ob er sie irgendwo sehen konnte, hatte Carina kein Problem zu ihm aufzuschließen. Nun musste sie ihm nur noch folgen!
Er zückte sein Handy und telefonierte, dann stieg er in ein Taxi.
Glücklicherweise gab es vor dem Krankenhaus mehrere Taxis und so stieg Carina in das nächste wartende Fahrzeug ein. Sie fühlte sich ein wenig kitschig, wie in einem schlechten Film, als sie auf Englisch sagte: „Folgen Sie bitte dem anderen Taxi.“
Der Fahrer schien gut Englisch zu verstehen, blickte sie nur einen Moment lang prüfend an, ob das ein Witz gewesen sei, dann fuhr er grinsend los. Er murmelte vor sich hin, dass er sich schon immer Mal gewünscht hatte, dass jemand das zu ihm sagte.
Zuerst fuhren sie zum nahe gelegenen Markt. Der Junge stieg aus und fragte ein paar Leute. Als er nichts erreichte, fuhren sie weiter zum Bahnhof.
Dort passierte das Gleiche: Der Junge fragte einige Personen, die vor dem Bahnhof standen, dann rannte er hinein und fragte vermutlich auch dort. Als er wieder herauskam, stieg er erneut in sein wartendes Taxi ein.
Und weiter ging die Fahrt.
Carina hatte ihren Fahrer, der das Spiel zu genießen schien, jeweils gebeten zu warten und war einfach sitzen geblieben. Sie hatte das Gefühl, dass der Junge nur einige Plätze vorweisen wollte, an denen er sie gesucht hatte, denn wäre sie tatsächlich im Getümmel des Marktes verschwunden, so hätte sein reines Nachfragen bei einigen Passanten das bestimmt nicht zu Tage gebracht.
Schon nach fünfzehn weiteren Minuten hielten sie vor einem Haus. Es schien ein großes Grundstück zu sein, das von einer hohen Mauer umgeben war. Nachdem die Mauer gut erhalten und gepflegt war, schien der Besitzer dieses Grundstücks nicht gerade am Hungertuch zu nagen. Außerdem war die Gegend, in der sie waren, keinesfalls das Armenviertel. Im Gegenteil.
Der Mann bezahlte seinen Taxifahrer, klopfte und sofort ging die Türe auf.
„Aha, Wachposten hinter der Türe“, dachte Carina bei sich.
Nachdem er einige Worte mit jemandem hinter der Tür gewechselt hatte, ging der junge Mann hinein.
Es war Jassim, der ihn aufgrund des vorher geführten Telefongesprächs bereits ungeduldig erwartet hatte.
Carinas Herz schlug bis zum Hals – was sollte sie jetzt tun? Wohnte da drinnen der Scheich? Und wenn ja, was sollte sie sagen? „Hallo, da bin ich“ traf es nicht wirklich.
Dann erkannte sie, dass sie ja aus genau diesem Grund dieses Spiel spielte und jetzt zu kneifen und zurückzufahren überhaupt nicht infrage käme. Und noch ein anderes Problem tat sich auf: mit Entsetzen realisierte