Das Halbmondamulett.. Jens Petersen
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Jens Petersen
Das Halbmondamulett.
200 Jahre in den Gegenden Rechts des Verweilens.
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Inhaltsverzeichnis
Geschichten und deren Verdichtung
Wegelagerer, Magier, Lustschlösser und die Lust der Sprachlosigkeit
Auf der Suche nach der alten Stadt Zufar
Der hundertneunundachtzigste Tag
Lange Stunden geduldigen Wartens waren uns schon vorher auferlegt. Wo wir doch beide in zunehmendenm Maße danach fieberten, endlich etwas zu unternehmen. Die Sonne war längst hinter dem dunklen Kratermassiv verschwunden. Voraus war die Lichterkette der Uferstraße von Ma´alla zu sehen, Backbord die vielen verstreuten Lichter der Einzelhäuser in Khormaksar auf der Landbrücke zum Festland. Gedämpfte Stimmen drangen herüber von den Decks der umliegenden Dhaus. Auch unsere Wachmannschaft war noch lange auf. Am meisten sorgte uns der Schiffseigner. Alte Leute haben meist einen leichten Schlaf. Zudem lag er nur eineinhalb Meter entfernt, allein durch die Kajütenwand von uns getrennt. Durch ein Bullauge konnte er uns sogar beobachten, ohne dass wir ihn in der dunklen Kajüte erkennen konnten. Zu unserem Glück war er Kettenraucher. Man konnte sich darauf verlassen, er würde es nicht allzu lange ohne Zigarette aushalten. Wann immer wir diese noch glimmen sahen, verhielten wir uns am besten ruhig. Die sollten gar nicht erst argwöhnen, wir hätten irgendetwas vor. Lieber den Eindruck erwecken, wir warteten noch weiterhin geduldig auf Hilfe von außen am nächsten Tag. Die Wachen saßen zum Glück alle auf dem etwas tiefer gelegenen Mitteldeck zwischen Mast und Kochnische. Von unserem Lagerplatz aus konnten wir sie gut beobachten. Schon früh am Abend hatten wir die Aktion in allen Details verbal durchgeführt, um auf mögliche Fehler zu stoßen. So wie der Plan jetzt stand, barg er zumindest die wenigsten Risiken. Es wäre müßig noch weiter darüber zu reden. Wir legten uns besser hin, krochen in unsere Schlafsäcke und taten, als ob wir schliefen. Es bestand nicht die leiseste Gefahr des Einschlafens. Dazu waren wir viel zu aufgeregt. Lange, endlos lange hörten wir noch die leisen Stimmen der Mannschaft und sahen die Zigarettenglut des Alten. Auf den nächstgelegenen Dhaus war es schon länger still. Endlich schienen auch bei uns an Bord alle zu schlafen. Wir warteten noch eine geraume Zeit um sicher zu gehen. Es musste mittlerweile schon spät in der Nacht sein, denn auch an der Uferstraße sah man nur noch selten die Scheinwerfer eines Fahrzeugs. Dann waren wir uns sicher, es wäre so weit. Hermann kroch nur mit der Badehose bekleidet aus dem Schlafsack und ging auf die Toilette. Wie auf allen Dhaus war diese ein an drei Seiten geschlossener Kasten, offen nur nach unten und zum Eingang hin. Nur wenige Schritte von uns entfernt war er, und der Gang dorthin würde noch keinen Argwohn erregen. Außer dem leisen Klatschen der Wellen an der Bordwand war noch immer alles still. Niemand schien ihn bemerkt zu haben. Was in der Dunkelheit nicht zu sehen war, eng an den Körper gepresst und mit einer Schnur um den Hals gebunden, trug Hermann einen verschlossenen Plastikbeutel, in dem sich ein Handtuch, ein Hemd, eine Hose, Sandalen, etwas Geld und Schreibzeug befanden. Einmal in diesen Abtrittskasten eingetreten war er im Dunkeln nicht mehr zu sehen. Wir hatten abgemacht, dass er dort einige Sekunden warten sollte, ob irgendwer ihn bemerkt hätte. In diesem Fall hätten wir den ganzen Versuch abgebrochen und nach langer Wartezeit aufs Neue gestartet. Es blieb immer noch still. Jetzt müsste er sich langsam durch die untere Öffnung, die dazu weit genug war, herunterlassen und an der breiten Leiste entlang hanteln, die wie ein Stoßdämpfer den ganzen Schiffsrumpf unterhalb des Bordgeländers umgab. Das waren nur wenige Meter, und er müsste jetzt eigentlich schon am Ruder sein. Dort könnte er mählich ohne Aufklatschgeräusch ins Wasser gleiten. Die Ankertrosse wäre leichter gewesen, aber die war heute viel zu weit entfernt in der Nähe des Bugs gespannt. Offenbar machte er seine Sache gut. So aufmerksam ich auch hinhörte, ich vernahm nichts als das gewohnte flache Schlacksen der Wellen gegen die Schiffswand. An Bord rührte sich immer noch nichts. Es war abgesprochen, dass er unter Wasser blieb, bis er hinter dem nächsten Schiffsrumpf außer Sicht war. Vorsicht war jedoch auch weiterhin geboten. Nicht vorauszusehen war, welches Ende es nähme, wenn man von anderen Dhaus auf ihn aufmerksam würde und ein Geschrei anhebe. So hatten wir ausgemacht, dass er sich immer den jeweils nächsten Punkt zum Auftauchen sorgfältig vorher ausspähen sollte, irgendeinen Fleck konzentrierter Dunkelheit oder den Sichtschutz überkragender Hecks. So weit wie möglich sollte er unter Wasser bleiben und beim Auf- und Eintauchen keine Geräusche machen. Ich hatte schon längst Gepäckstücke in Hermanns Schlafsack gestopft, so dass es aussah als läge er darunter. Wahrscheinlich war doch weit weniger Zeit verstrichen, als es mir vorkam. Bei Aufregung ist es besonders schwer den Verlauf der Zeit zu schätzen. Dann kam mir der Gedanke zu zählen.