Scarlett Taylor. Stefanie Purle

Scarlett Taylor - Stefanie Purle


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komme ich mir albern dabei vor.

      Auch wenn ich meine Tante Roberta nur ein paar Tage kannte, bevor mein Vater sie tötete, so fehlt sie mir doch sehr. Sie ist, neben mir, das einzige weiße königliche Hexenblut, das existiert. Und wenn mein zukünftiges Ich recht hat, und sie noch lebt, muss ich sie finden!

      Doch bislang gab es keine Spur von ihr, kein einziges Lebenszeichen, weswegen ich mich so langsam selbst frage, ob sie wirklich noch lebt. Vielleicht hat Elvira recht, und Roberta lebte zwar noch in der Wirklichkeit meines Ichs aus der Zukunft, jedoch nicht in unserer Wirklichkeit.

      Ich sammle die Post ein, stecke sie in meine Handtasche und öffne die Fenster meiner Wohnung. Die Bücher, die die Scarlett aus der Zukunft mir hinterlassen hat, sind schon längst in Chris´ Haus. Auch alles, was Elvira mir zum Zaubern gegeben hat, habe ich bereits zu Chris gebracht, genau wie die meisten meiner Klamotten und Kosmetika. Das Einzige in der Wohnung, woran mein Herz noch hängt, sind die Fotoalben aus meiner Kindheit und die gerahmten Bilder von mir und meiner Mutter, bevor sie durch den Fluch meines Vaters ins Wachkoma fiel.

      Also schnappe ich mir einen Karton und lade die Bilder und Alben hinein. Aus dem Schlafzimmer hole ich einen Teddy, den mir meine Mutter einstmals zum Geburtstag geschenkt hat, und eine alte, gehäkelte Decke. Eine Porzellanfigur, die meiner Oma gehörte, die ich aber nie kennengelernt habe, wickle ich in Zeitung und lege sie auch in den Karton. Den Ordner mit meinen wichtigen Unterlagen lege ich obenauf, genau wie ein paar Bücher aus meinem Bücherregal.

      Dann blicke ich mich um, gehe von Raum zu Raum, auf der Suche nach Dingen, die ich in mein neues Zuhause mitnehmen möchte. Aber ich finde nichts. An den meisten Sachen hängen Erinnerungen, die ich lieber vergessen möchte. Wie zum Beispiel das Sparschwein von meinem Ex, welches er für die Ersparnisse unseres ersten gemeinsamen Urlaubs angeschafft hatte. Der Urlaub hat nie stattgefunden und auch an den Ex erinnere ich mich nicht gern. Dann der Schreibtisch, den ein anderer Verflossener besorgt hatte. Er war ein Workaholic, der auch nach Feierabend noch am Computer saß um Emails zu beantworten oder Termine für seinen Chef zu planen. Oder das Bild an der Wand mit den springenden Delfinen. Ich hatte es in Griechenland gekauft, als ich mit einem anderen Ex dort war. Er war ein paar Wochen später weg, aber das Bild blieb. Wenn ich es nun betrachte, kann ich nicht verstehen, warum ich es jemals schön fand. Das Motiv ist kitschig und auch die Malweise ist sehr amateurhaft. Kein Vergleich zu den Gemälden, die Chris kreiert.

      Meine geliebte Kaffeemaschine in der Küche brauche ich auch nicht mitzunehmen, da die von Chris tausendmal besser ist. Sie war gut, als ich mir nichts anderes leisten konnte. Aber nun habe ich keine Verwendung mehr für sie.

      Also nehme ich meinen Karton, hieve ihn auf meine Hüfte und verlasse meine Wohnung wieder. Wenn ich das nächste Mal wiederkomme, wird ein Container vorm Fenster stehen, in den ich alles hineinwerfen werde. Ich brauche es nicht mehr, denn es gehört nicht mehr zu mir. Die alte Wohnung zu betreten, kam mir vor, als stülpe man mir ein altmodisches Kleid über, das mir nicht passt. Ich bin aus ihr herausgewachsen, habe mich weiterentwickelt und möchte um keinen Preis der Welt wieder zurück!

      Kapitel 4

      Mit dem Karton auf dem Beifahrersitz fahre ich in meinem schwarzen Panther zurück zu Chris´ Haus. Ich bin gerade in den Wald hineingefahren, als ich im Augenwinkel einen weißen Fleck in den Baumwipfeln entdecke. Lächelnd halte ich an und blicke nach oben zu meinem Eichhörnchen Queenie. Es klettert im Zickzack den Baumstamm herunter und bleibt alle paar Meter stehen, um in meine Richtung zu blicken. Ich stelle den Motor ab und steige aus. Vogelgezwitscher begleitet mich auf meinem Gang durch die kniehohen Büsche und ein paar Gnome blicken mich grinsend aus ihren Kastaniengesichtern an.

      „Hey Queenie“, begrüße ich mein Schutztier, als ich vor dem Baumstamm stehenbleibe.

      Es klettert zuckend hinab und verharrt auf meiner Augenhöhe. Seine kleinen rosa Augen blinzeln und blicken abwechselnd von meiner Hand in mein Gesicht.

      „Du willst eine Nuss haben, stimmt´s?“, flüstere ich leise und greife in meine Manteltasche, die ich seit ein paar Monaten immer wieder mit Nüssen auffülle.

      Ich reiche ihr eine Erdnuss, die sie mit ihren winzigen rosa Pfötchen entgegennimmt. Während sie mit dem Aufknacken der Schale beschäftigt ist, streiche ich mit zwei Fingerspitzen zart über ihr struppiges Rückenfell. Es hat gedauert, bis ich sie berühren durfte, aber seit ein paar Wochen lässt sie es zu. Ein paar Momente bleibt sie auf Augenhöhe, doch als sie die Nuss in ihre Backentaschen gestopft hat, flitzt sie wieder den Stamm empor.

      Ich blicke ihr nach und schaue zu, wie sie im Zickzack hochklettert, als ein weiterer weißer Fleck in den Baumwipfeln meine Aufmerksamkeit erregt.

      Angestrengt blinzle ich gegen die Mittagssonne und versuche auszumachen, um was es sich handelt. Als ich es endlich erkenne, falle ich fast rückwärts hin vor Schreck!

      Queenie krabbelt auf den Ast direkt unter dem weißen Tier und blickt zu mir herunter, als ob sie sichergehen will, dass ich ihre neue Freundin auch sehe.

      „Matilda“, flüstere ich und schirme meine Augen von der Sonne ab. „Matilda, bist du es wirklich?“

      Die weiße Fledermaus über Queenie antwortet mir natürlich nicht, aber ihre schwarzen Knopfaugen sind auf mich gerichtet. Sie breitet langsam ihre Schwingen aus und hebt ab. Hoch über mir verharrt sie mit kräftigen Flügelschlägen und schaut auffordernd zu mir herab.

      „Soll ich dir folgen?“, rufe ich ihr verdutzt entgegen, woraufhin sie zu kreisen beginnt.

      Ich verabschiede mich hastig von Queenie und renne zurück zu meinem Auto. Aus der Windschutzscheibe kann ich die weiße Fledermaus kreisen sehen und in mir macht sich die Hoffnung breit, dass Roberta sie geschickt hat. Mit zitternden Händen starte ich den Motor und fahre los, wobei ich immer wieder gen Himmel schaue, wo sich der weiße Fledermauskörper vom Grau des Himmels abzeichnet.

      Nach ein paar hundert Metern komme ich mit meinem Wagen nicht mehr weiter. Ich steige aus und laufe der Fledermaus zu Fuß hinterher. Sie steigt höher und gleitet dann im Sinkflug wieder in die Tiefe. Nachdem sie dieses Manöver zum dritten Mal wiederholt hat, ist sie aus meinem Blickfeld verschwunden.

      Tief inmitten des Waldes stehe ich nun, drehe mich suchend um meine eigene Achse und rufe immer wieder nach Matilda und Roberta. Aber keiner von beiden antwortet oder taucht auf. Ich suche die Gegend ab, doch außer Büschen und Bäumen kann ich nichts entdecken.

      Je länger ich dort verloren stehe, umso mehr Zweifel kommen in mir hoch. War das überhaupt Matilda, das Schutztier von Roberta? Ich habe sie vorher noch nie gesehen, kennen nur die Erzählungen meiner Tante. Vielleicht war es bloß eine gewöhnliche Gespenster-Fledermaus und ich habe sie selbst verscheucht, indem ich sie minutenlang verfolgt habe.

      Selbst wenn es Matilda war, so hat sie mich dann doch nur zu einem leeren Waldstück geführt, auf dem sich kein Anzeichen magischer Aktivität befindet.

      Enttäuscht trete ich den Rückzug an, wobei ich allerdings immer weiter Ausschau nach Matilda, Roberta oder irgendeiner magischen Spur halte. Doch ich begegne nichts von alledem.

      Ich wende meinen Wagen und fahre zurück zu Chris´ Haus. Sein Transporter steht nicht auf der Einfahrt, also bin ich eine Zeitlang allein. Meinen Karton trage ich in das Büro im Erdgeschoss, wo Chris mir Platz für meine vielen magischen Bücher gemacht hat. Sie liegen in Stapeln auf dem riesigen Schreibtisch und verbreiten einen muffigen Geruch. Wo auch immer mein Vater diese Bücher all die Jahrhunderte versteckt hat, es hat dort nicht sonderlich gut gerochen. Ich stelle den Pappkarton aus meiner Wohnung in eine Ecke und gehe auf den Schreibtisch zu. In einige der alten Bücher kleben haufenweise neonfarbene Klebezettel von mir. Sie markieren Dinge und Themen, die ich noch weiter recherchieren möchte. Ich fahre mit dem Finger über die Buchrücken, auf der Suche nach einem ganz bestimmten Buch. Umständlich ziehe ich eines der unteren Bücher heraus und setze mich damit vor den Schreibtisch.

      Auf dem Einband steht: „Schutztiere und Schutzgeister.“ Ich schlage es auf und blättere mich durch die zerknitterten, vergilbten Seiten. Die ersten Kapitel befassen


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