Scarlett Taylor. Stefanie Purle
muss zugeben, dass ich gehofft hatte, Roberta oder Matilda würden nach meinem Zauber aus dem Hohlraum herausgekrabbelt kommen, doch leider passiert das nicht. „Offenbar kommen sie nicht von selbst. Wir müssen sie holen.“
Ich nehme Chris bei der Hand und gehe auf die Steine zu.
„Bei einem dunklen Portal muss man sich darauf stellen und gelangt in die Hölle. Hast du gelesen, was bei einem weißen Portal geschieht?“, hakt er nach und zögert ein wenig.
„Ich habe gelesen, dass Portale zu den unterschiedlichsten Orten führen können. Eine königliche weiße Hexe kann sie umprogrammieren. Aber die meisten Portale führen in die Welt der Geistwesen.“
Chris nickt nachdenklich und sieht dann mit schiefem Blick zum Portal. „Zwängen wir uns durch den Hohlraum, oder wie können wir es betreten?“
„Ich weiß es nicht“, gebe ich zu. „Aber wir probieren es einfach!“
Ich hocke mich seitlich vor die Öffnung und ziehe Chris an seinem Arm zu mir herunter. Er verwandelt sich zurück und kniet in seiner menschlichen Gestalt neben mir. Fest umklammere ich seine Hände, schließe halb die Augen und bewege meinen Fuß in den Hohlraum. Chris tut es mir gleich.
Sobald wir den Boden unter dem Felsen berührt haben, wirbeln wir herum und landen Sekunden später hart auf einem Steinboden.
„Chris?“, rufe ich, beinahe hysterisch und drehe mich um.
„Hier!“, erwidert er hinter mir und setzt sich ächzend auf.
Ich blicke mich um und erkenne, dass wir in einer Höhle gelandet sind. Die Felsen sind rötlich orange und helles Licht dringt aus einer halbrunden Öffnung herein. Es ist beinahe unerträglich warm, stickig und staubig. Ich rapple mich auf und komme geduckt zum Stehen.
„Lass uns nachsehen, was dort draußen ist“, sage ich und gehe mit Chris geduckt in Richtung Höhlenausgang.
Mein Herz klopft vor Aufregung bis hoch in meinen Hals. Ist dies wirklich ein Portal, welches von Roberta genutzt wurde? Wo hat es uns hingebracht, und was werden wir hinter dem Ausgang vorfinden? Es ist schon ein wenig beängstigend, wenn man durch ein Portal an einen anderen Ort geschleudert wird, und auch ein wenig waghalsig, wie mir nun erst bewusst wird. Wer auch immer das Portal errichtet hat, hätte uns auch mitten im Meer aussetzen können!
Die Hitze wird immer stärker, je näher wir den gleißenden Sonnenstrahlen am Ausgang der Höhle kommen und ich spüre bereits, wie sich Schweißtropfen auf meiner Stirn bilden. Ich bin definitiv viel zu warm angezogen für dieses Wetter!
Wir blinzeln gegen das helle Licht und blicken auf eine rote Sandwüste, die spärlich mit kleinen hellgrünen Grasflecken, steppenartigen Büschen und dürren Bäumen bedeckt ist.
„Ach, du Scheiße“, rutscht es mir heraus und ich schlage die Hand vor den Mund. „Wo sind wir hier denn gelandet?“
Chris lehnt sich aus der Höhle, blickt nach oben, unten und zu allen Seiten. Dann springt er leichtfüßige vom Rand der Höhle hinab und landet in der staubig roten Erde, drei Meter unter mir. „Uluru!“, ruft er zu mir hoch.
Mit aufgerissenen Augen schaue ich zu ihm herunter. „Was?“
„Uluru!“, wiederholt er und grinst.
Ich schüttle mit dem Kopf. „Was willst du mir damit sagen?“
Er lacht und blickt nach oben gegen den Felsen über mir. „Wir sind offenbar mitten im Uluru gelandet“, sagt er, stemmt die Hände in die Hüfte und genießt den Ausblick.
„Uluru?“, hake ich unwissend nach und hocke mich auf den Boden der Höhle, nahe dem Rand. Unter mir sind drei Meter glatter, rötlich grauer Fels. Chris steht inmitten von dünnen Bäumchen, die sich im warmen Wind biegen. „Wie komme ich hier bloß runter?“
„Ja, Uluru“, sagt Chris und steigt wieder zu mir hoch. „Mehr bekannt als Ayers Rock.“
„Australien?“, kreische ich förmlich und schaue in die weite Steppe. Es ist noch immer unbegreiflich für mich, was Magie alles ausrichten kann. Offenbar kann man mit der Macht der Magie auch halbe Weltreisen innerhalb von Sekunden unternehmen. „Das echte Australien?“
Wieder lacht Chris. Er hebt mich hoch, trägt mich auf seinem Arm und springt aus der Höhle hinab zum Boden. Es geht so schnell, dass mein ängstliches Kreischen erst ertönt, als wir schon unten sind.
„Bei Euch Hexen weiß man es ja nie genau. Es könnte natürlich auch eine Illusion sein, wie im Schloss deines Vaters“, sagt er und setzt mich wieder ab. „Allerdings sieht es verdammt echt aus.“
Zusammen schauen wir an dem rötlich braunen Felskoloss empor. Er ist so riesig und massiv, dass ich mir ganz klein vorkomme. Seine Oberfläche ist von mehreren Löchern gespickt, die allesamt kleine Höhlen sein könnten. Ich muss den Kopf weit in den Nacken legen, um seinen höchsten Punkt zu sehen. Darüber ist hellblauer Himmel ohne eine einzige Wolke und hinter uns knallt die heiße Sonne in unseren Rücken.
Ich komme mir vor, als wäre ich auf einem anderen Planeten gelandet, so fremdartig wirkt alles auf mich. „Ayers Rock...“, sage ich andächtig und blicke dann zu Chris. „Wie hast du diesen Berg vorher genannt?“
„Uluru“, antwortet er und zieht seine Jacke aus. „So nannten die Aborigines diesen Inselberg.“
Auch ich streife meinen Mantel ab und lege ihn an den Fuß des Berges in den orangefarbenen Sand. „Warum führt dieses Portal uns nach Australien? Und wieso verliert sich Matildas Spur in dem Portal. Was tut sie hier?“, sinniere ich vor mich hin, wobei ich mich weiter umblicke.
„Matilda ist eine Gespenster-Fledermaus, oder?“
Ich nicke und beginne mit Chris an der Felswand entlang zu gehen. „Ja, genau.“
„Dann ist Australien ihre Heimat!“, stellt er fest. „Vielleicht versteckt Roberta sich deswegen hier.“
„Das ist es! Deswegen hat sie Australien ausgewählt! Damit es ihrem Schutztier gut geht!“, sage ich euphorisch, nun da mir klar wird, dass dies kein willkürliches Portal ist, sondern offenbar wirklich etwas mit Robertas Verbleib zu tun hat. „Sie muss hier irgendwo sein!“
Zusammen suchen wir den Felsen ab und blicken immer wieder in die Ferne. Wir laufen weiter und weiter den Fuß des Berges entlang, doch bislang scheinen wir die zwei einzigen Lebewesen hier zu sein.
Nach einer Weile reicht es mir und ich beginne Robertas und Matildas Namen zu rufen. Ein paar Vögel schrecken auf und fliegen aufgeregt von der Oberfläche des Felsens davon.
Die Hitze bringt Chris dazu, sein Hemd auszuziehen und im Shirt weiterzugehen. Ich kremple die Ärmel meines Pullovers hoch und fächere mir Luft zu. Als wir die äußere Kante des Berges erreicht haben, rennen wir förmlich auf den Schatten zu, der sich hinter einer buckligen Felsformation auftut. Chris wischt sich mit seinem Hemd den Schweiß von Gesicht und Nacken und bindet es sich dann um die Hüfte.
„Kannst du vielleicht irgendwie telepathisch mit ihr Kontakt aufnehmen?“, fragt er beinahe verzweifelt, doch meine Augen sind auf einen Fleck hinter ihm am Felsen gerichtet.
„Guck doch mal.“ Ich zeige mit dem Finger auf die Stelle im Stein, die sich von der Umgebung abhebt. Sie wirkt wie ein Schleier, eine Art rundes Fenster, in dem der rotbraune Felsen zu schwimmen scheint.
„Was denn?“, will Chris wissen und sieht sich verwirrt um.
„Hier“, sage ich und zeige auf die wabernde Felsenwand. „Siehst du das nicht?“
Er zieht die Augenbrauen hoch und schüttelt mit dem Kopf. „Ich weiß nicht, was du meinst.“
Vorsichtig lege ich die Hand gegen den schwammigen Fleck und mit einem Mal wird er größer. „Da! Sieh doch!“
Aber Chris schüttelt noch immer mit dem Kopf und schaut mich fragend an. „Ich sehe nichts, Scarlett. Nur den Felsen.“
Ich