INGRATUS - Das Unerwünschte in uns. Tabea Thomson

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Die Blutanalyse ergab: Nichts Auffälliges feststellbar!‹ –

      ~

      Lennard nickte anerkennend: »Der weiß sich zu helfen.«

      Die weiteren Hörzeilen saugte er voll Mitgefühl ein.

      ~

      … Ihre Schmerzen klingen nicht mehr ab. Habe daher mit Heiler MaccGallen auf der Visitor gesprochen. Handle nach seinen Anweisungen.

      ~

      Auf der Stelle verursachte "MaccGallen" in Lennards Verstand einen mächtigen Konflikt. Wusste er doch, dass es an Bord der Visitor nur einen Studiosus Gallen gab. Der Name beschäftigte ihm so sehr, alles andere prallte von ihm ab. So auch die letzte Computer-Übersetzung: ›... Sie wurde dadurch sofort schmerzfrei.‹

      Alsbald hatte Lennard eine Erklärung gefunden: »Der Arzt wird ein neuer Austausch in der Gatten Abteilung sein. Mein Kollege Doktor Pieter McSpleen wird es mir sicher bestätigen.« Am Ende seiner Analyse war an seiner lebhaften Mimik ersichtlich, dass er alles zusammenfasste. Dabei stieß er sich gedanklich mehrmals am schwarzen Balken. »Was stand da wohl ursprünglich.«

      Mit der Frage auf seinen Lippen schlug er erneut die besagte Stelle auf. »Computer Balken entfernen«, schoss es über seine Lippen.

      Nach seiner Eingabe der geforderten Geheimkennziffern verschwand der Sichtschutz. Mit weit aufgerissenen Augen las er, was darunter stand.

       ~

      … Ich empfinde ihm als sehr angenehm. Der vorzügliche Wohlgeruch entströmt Miss Vacca. Ihr Duft, er berauscht mich.

       ~

      Bei diesen Textzeilen blitzte vor Lennards inneren Augen noch eine andere Textpassage auf:

      … Ich nehme einen stark konzentrierten Duft wahr. Er bereitet mir arge Probleme.

      ~

      Eine Handfläche schlug erkennend an die Stirn. »Pheromone. Hier reagieren, schlicht und ergreifend zwei passende ahl pii aufeinander. Bloß Sophies Gefährte trennte sich erst kürzlich von ihr. Daher lehnt sie, aus verständlichen Gründen, den Kontakt zu einem neuen Kandidaten ab. Nur sie konnte es nicht verhindern, dass sie dennoch auf einen umwerbenden ahl pii reagiert.« Sein Gesichtsausdruck sagte dazu ganz deutlich Volltreffer. Und angesichts der unumstößlichen Tatsachen stand für ihn sofort die Diagnose fest: »Sophies Psyche sträubt sich gegen eine neue Beziehung. Es geht so weit, dass sie mit Phantom Schmerzen darauf reagiert. Ein kräftiger ahl pii Blocker sollte genügen, um die Kolik-Artigen-Anfälle zu unterbinden. Damit das Pheromon des störenden Kandidaten auch Ruhe gibt, müsste er ebenfalls diesen erhalten. Nur wer ist es?«

      Lennard atmete mehrmals kräftig durch, dann blätterte er bis zur letzten virtuellen Seite.

      »Neiiin!«, sein Tonfall kochte vor Unverständnis. Dort, wo für gewöhnlich ein Name steht, stand lediglich: – diensthabender Offizier –

      ~

      Niedergeschmettert vergrub Lennard das Gesicht in den Händen. Frustriert stellte er fest: »Ich bin wieder ganz am Anfang meiner Recherche.«

      Seine nächste Handlung rührte mit ziemlicher Sicherheit nicht von den Blockaden, sondern es lag an seinen sturen Schädel. Sein falscher Stolz verhinderte sogar, bei Captain Delune den Namen vom besagten Offizier zu erfragen. Was verständlich war: Beide fochten seit ihrem ersten Blickkontakt einen offenen zudem scharfen Wortkampf aus; daher ist es mehr als unwahrscheinlich, das Delune den Namen so einfach herausrückt.

      Ob er nun einen Gedanken daran verschwendete, sei dahingestellt. Jedenfalls schlug Lennard übel gelaunt mit der Faust auf den Tisch. Lauthals schellte er sich: »Hätte ich doch nur freigenommen und Sophie mit abgeholt, dann wüsste ich jetzt, wer der großzügige Pheromon "Versprüher" ist.«

      Dem Gedanken widersprach allerdings der noch offene Anreisetermin. Und sofern es von ihr erwünscht worden wäre, hätte er einen fixen Termin erhalten. Es war nicht erwünscht! Und seinen damaligen Wochendienstplan fädelte "Jemand" ganz geschickt ein. So bot dieser, was oft vorkam, drei verschiedene Möglichkeiten. Lennard hatte die Wahl zwischen einer Woche frei, – langweiligen Nachtdienst oder genauso lange die Vertretung eines erkrankten Kollegen zu übernehmen.

      Er entschied sich für die dritte Variante, welche den Beisitz der praktischen Zwischenprüfungen von Heiler Studenten im letzten Ausbildungsjahr vorsah. Bei dem Prüfungsmarathon hing als Lockmittel noch eine zusätzliche Vergütung dran, welche in Form von in goldgefasstem Agamenon ausgezahlt wurde. Der Anreiz war letztendlich ausschlaggebend, weshalb er unbedingt persönlich bei den Studenten die "Spreu vom Weizen" trennen wollte.

      Doch so einfach waren die zusätzlichen Agamenon Dukaten nicht verdient, denn man schickte ihm die falschen Studenten. Die Richtigen waren nicht besser. Deren Ausbildungsstand entsprach bestenfalls denen von blutigen Anfängern. So blieb es nicht aus, dass während der abzuarbeitenden Prüfungsaufgaben die Warnakustik nicht ein einziges Mal schwieg. Bloß gut das es sich bei diesen Patientinnen nur um holografische handelte.

      Damit die Warnakustik endlich schwieg, musste Lennard ständig Behandlungskorrekturen vornehmen. Ihm – dem Ausbilder kam es so vor, dass er der zu Prüfende sei.

      Dem nicht genug! Vor Prüfungsbeginn gab er die Anordnung heraus: Unter keinen Umständen stören. Danach werte ich das Prüfungsprotokoll aus, da will ich nicht gestört werden!

      Weil alle im Team wussten, wie stressig solche Tage sind, hielten sie sich strikt an Lennards Order. Was wiederum zur Folge hatte: Seine Vertretung Heiler Chris McPalmer informierte ihm erst am anderen Morgen über Sophies Ankunft. Mit entsetzen vernahm Lennard, was seiner Schwester während der Reise widerfuhr. Und auf seine Frage: »Wer nahm den Notruf entgegen«, antwortete Chris: ›Ich. Zum Einsatz selber schickte ich meinen Kollegen Doc McSpleen und deinen Heiler Studenten Luckas.‹

      Darüber war Lennard nicht gerade erfreut, Pieters Fachgebiet ist ausschließlich die Gatten Heilkunde. Nun ja, Chris nachfolgende Sätze besänftigten Lennards aufgebrachtes Gemüt. Denn entgegen seinen Befürchtungen hatte Pieter das richtige Medikament dabei. Und wie er von Sophie erfuhr, half es sofort.

      Erst jetzt fiel ihm auf: Weder Sophie noch Chris erwähnten, was Pieter konkret injizierte. Um es nun im Nachhinein zu erfahren, öffnete er nochmals ihre virtuelle Patienten Akte. Nur an dem besagten Tag wurde lediglich eingetragen: Nach dem Erhalt der Behandlung ging es der Patientin Sophie Minn wieder bestens.

      Die fahrlässige Ungenauigkeit seines sonst sehr gewissenhaften Kollegen verwunderte Lennard. »Wieso nennt er das Mittel nicht.« Nachdenklich schnippte er die Patienten Akte weg. Wodurch wieder Sophies virtuelle Medikamentenakte ins Sichtfeld geriet. Seine Augenbrauen zuckten erwartungsvoll. »Da könnte es natürlich stehen.«

      Bloß bei dem gesuchten Zeitpunkt wurde in den angelegten Listen nichts eingetragen. Das konnte nicht sein. Aufgebracht blätterte er um. Doch da stand nichts weiter. »Hey, was soll das? Was soll die Geheimniskrämerei.« Enttäuscht schnippte er diese Akte weg.

      Wieder einmal hatte er, anstatt Antworten zu bekommen, nur neue Fragen erhalten. Frustriert fuhr er sich durchs Haar. Diese selbstbemitleidende Geste begleitete nachdenkliches Schweigen. Es wurde abrupt von einer markanten Erinnerung unterbrochen. Diese Begebenheit führte zum ersten gemeinsamen Abend an Bord. Sophie hatte sich da "in Schale geworfen" um, wie sie es nannte: ›Die Visitor unsicher zu machen.‹

      In Gedanken erlebte er nun den darauffolgenden Morgen noch mal. »Chris teilte mir bei der Dienstübergabe mit, dass Sophie am frühen Morgen mit einer Kolik eingeliefert wurde.« Lennard fragte sich nun: »Wo war sie in jener Nacht.«

      Hätte er seine Schwester nach jeder spontanen Heilung mit strenger Bettruhe unter Beobachtung gestellt, wären ihm regelmäßig fremde Heiler über den Weg gelaufen. Sie versorgten seine Schwester mit der überbrückenden Therapie, welche ihre schmerzhaften Vergiftungen unterbanden.

      Wie


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