INGRATUS - Das Unerwünschte in uns. Tabea Thomson

INGRATUS - Das Unerwünschte in uns - Tabea Thomson


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»Da ist eine Ursache und die finde ich heraus.« Hierzu überprüfte er am Bio-Daten-Display nochmals ihre Laborwerte. Er fand nichts Auffälliges.

      Für einen flüchtigen Augenblick lauschte Lennard den ruhigen Herzschlägen der Schwester. Das ruhige Badomm, Badomm … Badomm … Badomm … schickte sein Bewusstsein weit in die Vergangenheit. Bei Sophies Studium strandete er: »… An welcher Universität war sie? … Hmm …!? War es auf der Erde in Saint Andrews bei den Sternen Kindern oder bei unseren Eltern im schottischen Perth, aber ebenso gut konnte es an einer Tempel Universität auf Advenu gewesen sein. … Hmm?«

      Das Unvermögen, es genau zu benennen, ließ Lennard betrübt Luft holen. Er kannte diese unüberwindbaren Gedächtnislücken nur zu gut und die dazugehörigen niederschmetternden Gefühle waren ihm ebenso vertraut. Aber anstatt, wie sonst in trübselige Gemütsverfassungen abzusacken, durchfuhren ihm diesmal blitzartige Empfindungen. Im Handumdrehen lichtete sich der geistige Nebel und ihm fielen weitere Details ein: »Mit ihrem Studium muss Sophie vor vier Jahren, zweiundzwanzig achtundfünfzig fertig geworden sein. Wo sie die praktischen Ausbildungen machte, weiß ich nicht.

      Mein Eheweib Cara teilte mir mal mit: ›Sophie will noch den Heiler Macister ablegen. Die Menschen sagen Doktor. Ebenso will sie das Maccister Navis, das Captains Patent der großen Reise erwerben. Um beides anerkannt zu bekommen, muss sie noch die praktische Arbeit dafür nachweisen. Das eine setzte Sophie bereits in die Tat um.

      Nun ja, mehr kann ich dazu nicht sagen. Nicht viel anders sieht es mit ihrem privaten Kram aus. Von Cara weiß ich: ›Sophie hat ihr Glück in der Liebe gefunden ...‹, abrupt stöhnte Lennard, »Verdammt! Der dumpf schmerzende Schädel bringt mich fast um. Es ist so massig, mir fällt selbst das Denken schwer.«

      Für Minuten hielt Lennard mit geschlossenen Augenlidern regungslos inne. Sein Gesichtsausdruck zeigt, er kommuniziert mit "Etwas". Das etwas war seine Kalab. Seit über drei Jahren sucht er dort endlich wieder im Heilwissen der Vorfahren. Auf Anhieb fand er, was bei Kopfschmerzen hilft. Hierfür atmete er mehrmals kräftig in den Bauch, anschließend rieb er seine Handinnenflächen kräftig aneinander. Als er ein angenehmes Wärmegefühl spürte, hielt er die Hände dicht vors Gesicht. Seine Gedanken konzentrierten sich auf die Stelle, wo der stechende Schmerz saß.

      Innerhalb von Sekunden wirkte die Selbstheilung, woraufhin er mit frischem Elan zu sich sprach: »Der Vorname von Sophies Gefährten fängt mit L an. Verflucht, seinen Namen kann ich mir einfach nicht merken. Egal! … Leider habe ich ihn, weil wir bisher noch nie von Bord kamen, nicht kennengelernt.

      Nach Caras Worten ist der schlanke Blonde ein äußerst sympathischer Gatte, seine Wurzeln liegen im District Schweden. Er lebt allerdings seit vierzig Jahren in Nord Preton. Ebenso lange arbeitet er für den Freiheitskampf.

      Alles schien Perfekt zu laufen. Doch vor elf Tagen, da begannen übrigens meine quälenden Kopfschmerzen, teilte Sophie uns mit: ›Mein Gefährte hat grundlos die Beziehung für beendet erklärt.‹ In starken Tränenausbrüchen gehüllt schluchzte sie: ›Ich will Abstand von hier haben. Daher habe ich mich nach einem neuen Arbeitgeber umgesehen. Auf der Visitor könnte ich sofort als Geistheilerin anfangen. Das Ganze hängt von einem Quartier ab ...‹, zu guter Letzt bat sie uns: ›Kann ich bitte in eurem Gastzimmer wohnen‹, die Stimme war sehr emotional bewegt.

      Das meine Schwester mit diesen Anliegen an mich herantrat, war mehr als wunderlich, denn zwischen uns Geschwistern bestand seit Jahren eine schlechte Funkverbindung. Erst nachdem Cara und ich unsere Partnerschaft mit einer standesamtlichen Unterschrift bestätigt hatten, wurde unser sehr gestörtes Geschwister Verhältnis ein Fünkchen besser. Das liegt bereits zweieinhalb Jahre zurück. Mir kommt es allerdings schon viel länger vor. – Hmm!? … Erstaunlicherweise pflegen Cara und Sophie seit Anbeginn eine feste Weiberfreundschaft. Daher verwunderte es mich nicht, dass mein Weib auf Anhieb dem überfallenden Anliegen zustimmte. Nicht ahnend, auf was für ein Mysterium ich mich da einließ, stimmte ich ebenfalls dem Einzug zu. Somit blieb nur noch die Frage, nach einer sicheren Reisemöglichkeit offen. Das Problem nahm Sophie sofort in Angriff, und bereits wenige Minuten nach unserer Zusage meldete sie sich erneut: ›Der Eigner hat mir mitgeteilt, dass ich von der Erde aus in einer Fracht Bark zur Visitor mitreisen kann. Die Bark Rückkehr erfolgt in den nächsten acht Tagen. Den genauen Termin nennt er mir noch ...‹ –«

      Ein klapperndes Geräusch, das vor der Belegzelle zum Stehen kam, trennte Lennard von den zurückblickenden Gedanken. Bevor er erkannte, um was es sich handelt, fuhr die Belegzellen Tür auf.

      Gut gelaunt trat der Heilerstudent Luckas Gallen ein. In den Händen hielt er ein Tablett.

      Der selbstbewusste – lockere Typ hatte wie immer einen flotten Gruß auf den Lippen. Sein strahlendes Lächeln verpasste der kühlen und sterilen Belegzelle eine dicke Portion an Wärme und Geborgenheit.

      Wie Luckas nun so auf Lennard zu lief, schwenkte er lässig das Tablett hin und her. »Das schickt uns ihr Eheweib.«

      Lennards hungriger Blick musterte das Tablett. Es enthielt neben der Suppenterrine, drei Teller, Besteck und Kelle noch ein kleines Körbchen mit reifen Erdbeeren. Darauf hatte er keinen Appetit. Anders sah es mit der dampfenden Terrine aus, ein Fingerzeig von ihm genügte und Luckas hob kurz den Deckel an. Ein köstlicher Duft von aromatischem Gemüse sowie fein abgestimmten Gewürzen mit deftigem Fleisch wehte ihm entgegen.

      »Hmmh! Bist du so nett und füllst die Teller.«

      »Ja Sire.«

      In Windeseile deckte der Student den drei Personen Wandtisch. Der oberste Teller war für den Ausbilder bestimmt. Auf diesem wurde ein Schlafmittel aufgebracht.

      Luckas wählte den Sitzplatz so, dass er Sophie im Blickfeld hatte.

      »Sire es ist aufgetragen.«

      Alsbald schlürften sie genüsslich ihre Suppen, und als Lennard einen Nachschlag nehmen wollte, machte sich das Biodisplay bemerkbar. Wie sie am Klang des Signals hörten, ist es Sophies Beta Traum.

      Lennard nahm sich das Vorrecht des Chefs heraus und forderte: »Justiere ihn bitte nach.«

      Die Aufforderung kam Luckas gerade recht, denn er musste an seiner Patientin eine Behandlung vornehmen. Damit der Ausbilder von seinem Handeln nichts mitbekam, bedurfte es eine kleine Ablenkung. Jene hatte er im Erdbeerkörbchen bereitgelegt. Als er nun Aufstand und an Lennard vorüberlief, griff er ein wenig ungelenk nach dem Körbchen. Just in dem Moment fiel eine kleine beschriebene Karte heraus. Lennard hob sie auf und dabei geriet der nette Gruß in sein Blickfeld.

      Luckas lächelte entwaffnend und dazu stibitzte er eine Beere. Bevor er sie vernaschte, hielt er kurz inne. »Die sind gut für Sophies angeschlagene Psyche.«

      »So ..., so ...!« Insgeheim dachte Lennard: »Erdbeeren werden bevorzugt als Liebesgabe gereicht. Da läuft doch nicht etwa was Handfestes.« Bei seiner Vorahnung betrachtete er den Kandidaten von der Seite. Dabei fiel ihm auf: »Luckas passt eigentlich ganz gut zu meiner Schwester.« Gleichlaufend mit der Erkenntnis griff er zum Löffel und verspeiste weltvergessen seine Suppe.

      Luckas, der wiedermal seinen Chef belauschte, griente in sich hinein. Jedoch als er das Körbchen auf den Nachttisch abstellte, streifte sein Blick Sophies Antlitz, auf der Stelle war seine gute Laune verflogen. Tief bewegt sprach er zu sich: »Ihre anmutigen, fast noch kindlichen Gesichtszüge sehen grau und elendig aus. Die himmlischen Lippen, die ich an ihr so liebe, rissig und spröde.«

      Bei den Gedanken berührte er Sophies glühende Wangen. Wie befürchtet spürte Luckas augenblicklich ihren nur betäubten Schmerz. Seine Hand brannte an der Kontaktstelle wie Feuer, innerlich schrie er. Sein erschrockener Blick schwenkte zum Ausbilder. Der hatte nichts bemerkt. Ohne ihn aus den Augen zu lassen, verabreichte Luckas der Patientin den mitgebrachten Amphispray. Indessen die Mixtur sich über Sophies Haut am Unterleib verteilte, berührte er noch einmal die Wangen. Der heftige Schmerz von eben war nicht mehr da. Luckas lächelte zufrieden, dabei ging er zum Tisch zurück.

      »Wie sahen die anderen Werte aus«, fragte Lennard, als Luckas sich hinsetzte.


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