INGRATUS - Das Unerwünschte in uns. Tabea Thomson
befragen. Doch bis ich dazu die Gelegenheit bekomme, heißt es für mich, bei unseren Unterhaltungen, weiterhin die Zunge im Zaum halten.
Bedauerlicherweise musste ich danach feststellen, dass in Sorels Kopf noch mehr quer läuft. So ist er davon überzeugt: ›Ich habe meine Gemahlin verloren. Sie ist mir irgendwie abhandengekommen. Das Einzige, was von ihr in mir zurückblieb, ist die Erinnerung an den köstlichen ahl pii. Jener schwirrt noch in meinem Geist herum. Der unstillbare Durst nach dem Sinn berauschenden Duftwogen zwingt mich, sie unter allen Umständen wieder zu finden.‹
Das imaginäre Weib zu suchen machte er mehr als gründlich. Denn sowie er Witterung von einem für seine Begriffe passenden und betörenden Nasenkitzel aufnahm, verfolgte er deren Fährte. Geradezu heißblütig umwarb er diese Weiber. Nun ja Sorel ist schon eine Augenweide. Was nicht nur an seinem gut durchtrainierten Leib liegt. Zudem beflügeln seine dunklen schulterlangen Haare geradezu die Weiberfantasien. Die sinnlichen Lippen sprachen auf charmante Art sein Anliegen aus. Blickten sie ihm dann in seine warmherzigen braunen Augen, spreizten sie hingebungsvoll ihre Schenkel.
Da waren Traumweiber dabei. Aber nein! Nach dem Gebrauch verschmähte er sie. Angeblich stanken sie am anderen Morgen. Weg damit. Was Neues heran geflirtet. Flach gelegt. Abgewickelt ... Dass der sich dabei nichts weggeholt hat, grenzt an ein Wunder.
Damit das Weiber besteigen gerechtfertigt blieb, faselte er munter weiter: ›Ich will doch nur meine schmerzlich vermisste Gemahlin wieder finden.‹
Etliche Male erwischte man das zügellose Treiben. Mich wundert es, dass der Raumschiff Eigner ihm deshalb nicht schon längst feuerte. Zumal man es mit den Weibern so machte.
Eines Tages traf er das schnuckelige Weib Stella Kama, auf einer meiner Geburtstagsfeiern stellte er sie als seine Gefährtin vor. … Merkwürdig war, sie passte überhaupt nicht in Sorels Beuteschema. Seine bisherigen hellhäutigen Weiber standen gut im Futter. Sie hingegen war dunkelhäutig und spindeldürr. … Was mich allerdings an dem Weib verwirrt ist ihre gereifte persönliche Duftnote. Jener erinnert mich irgendwie an synthetische ahl pii. –
Na ja!, … das mit meiner Nase ist so eine Sache. Sie vermag nicht mehr, wie gewöhnliche Menschen Nasen zu riechen. Folglich konnte sie mir etwas vorgaukeln. – Jedenfalls ist Sorel, nach Stellas Aussage: ›Der treuste Gefährte, den sie sich vorstellen kann ...‹ –«
Vom Scanner erschallte ein Abschlusssignal, es lenkte seine meergrünen Augen aufs virtuelle Display. Die angezeigten obskuren Biodaten genügten, dass in ihm ungezügelter Jähzorn emporstieg.
›Es liegen keine Organschäden vor‹, verkündete der Scanner.
Es klang wie Hohn in Lennards spitzen Ohren und brachte seine Empörung zum Überkochen. Wutentbrannt rauften die Hände im Haar. »Nutzloses Ding«, brummte er verärgert.
Er, der sich sonst immer unter Kontrolle hatte, drehte bei diesem stets wiederkehrenden, unwahren Ergebnis fast durch. Die Empörung reagierte er am virtuellen Display ab, und zu jedem patzig eingetippten Buchstaben klagte er der Citraa mit ranziger Stimme sein Leid: »... Fast alles an Bord entsprach mittlerweile bester Qualität von Advenu. Nur die Heiler Gerätschaften der Krankenstationen sind noch aus der Zeit, wo das Raumschiff zum U P C gehörte.
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(Der Hass auf diesen erpresserischen "Verein" kam nicht von ungefähr. Die U P C Führungskräfte vereinnahmten nur allzu gern andere Planeten. Selbst die eigene Heimatwelt hatten sie fest in der ausquetschenden Hand. Und nur absolut Systemtreue Vulkan Firmen durften die zur Gemeinschaft gehörenden Raumschiffe mit Heiler-Technik ausstatten.
Bei allen Untertanen funktionierte die perfekt, bloß sobald sie einen von unseren Freien Shumerer Volk – den Ingratus – mit dem unerwünschten Spaa Gen erkannten, verweigerten sie jedweden Einsatz.)
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Lennard fragte sich nun: »Wieso lässt der Eigner die Technik der Feinde weiterhin im Einsatz? Wo es doch hinlänglich bekannt ist, dass deren einprogrammierter Leitsatz lautete: Verunreinigtes Shumerer Blut hat kein Anspruch auf Leben ...« Unvermittelt lachte er bitterböse. »... Haben die uns wirklich hier "Weggesperrt"? – Aber was ist; wenn Mal der "Saft" für die Technik wegbleibt. Soviel ich weiß, haben wir hier nicht mal einen echten Chirurgen an Bord. Wobei ich damit sagen will – der es noch versteht mit Skalpell, Nadel und Faden umzugehen. Ich könnte zwar mittels Schnitt eine Kindsfrucht ins Leben verhelfen, aber das wars …! Wegen der Probleme muss ich dringend mit dem Eigner sprechen. Schließlich brauchen wir zur Instandsetzung von humanoiden Leben neben einer exakt arbeitenden Technik auch noch eine handwerklich begabte Heilercrew. Wenn er dann nichts dagegen unternimmt, haben wir den berechtigten Grund anzunehmen: Er ist doch einer von der U P C. Und alles nicht Funktionierende ist gewollt. Das wiederum erklärt, warum die Crew in den vergangenen Jahren nicht einmal vom Raumschiff herunterkam. Somit stimmt Sorels Behauptung. Doch bevor wir das nicht beweisen können, gehen wir davon aus, die neue Technik sowie das Personal wurden bloß wegen der hohen Kosten noch nicht angeschafft. Folglich muss es weiterhin ohne Technik gehen. Vorsichtshalber werde ich mich mal näher mit dem Wissen eines Skalpell Künstlers auseinandersetzen.« Beim letzten Satz schaute Lennard nachdenklich auf die falschen Scandaten. »Es muss da aber etwas in Sophie sein, das diese Kolik Anfälle verursacht. Nur was ...?«
Während er angestrengt nachdachte, öffnete er ihre virtuelle Krankenakte. In den Aufzeichnungen fiel ihm etwas auf: »Ihre Koliken kommen fast ausschließlich im vier Stunden Rhythmus. Gelegentlich ist mal ein Ausrutscher von neun Stunden dabei. Wenn ich recht habe, bricht die nächste Kolik in knapp drei Stunden über Sophie herein.« Die Augen beschäftigten sich bereits mit den virtuellen Laborwerten. Jene sagten ihm klipp und klar, das seine Schwester ein kerngesundes und kräftiges Weib ist. Sie dürfte diese Krämpfe eigentlich nicht haben. »Da muss aber etwas sein«, jedes Wort begleitete ein unverständliches Kopfschütteln. Frustriert sinnierte er: »Ich tappe völlig im Dunkeln. Nicht mal ansatzweise vermag ich zu sagen, um was für eine Erkrankung es sich handeln könnte. Zu meiner Schande muss ich mir eingestehen, dass ich vor einem Mysterium stehe.«
Die Hilflosigkeit stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben, als er an Sophies Biobett herantrat. Mit entsetzen stellte er fest: »Ihr Gesicht ist noch ganz vom Krampf gezeichnet.« Zu seinen Worten strich er Sophie mitfühlend übers Haar. »Ich finde den Grund …!«, sowie Lennard das dachte, überwältigten ihn starke Unterleibsschmerzen. Er wusste auch ohne einen Scan, diese entsprangen Sophies Erinnerungen und das aktive Sicherheitssystem verstärkt die Empfindung noch um ein Vielfaches. Und weil Lennard unmittelbar neben ihr stand, wurde es eins zu eins – durch das geschwisterliche Band – mental übermittelt. Er wurde völlig unvorbereitet damit konfrontiert. Die mental aufschlagenden Gefühle waren so stark, er konnte sie nicht mal abblocken. Sie raubten Lennard, von einem Herzschlag zum anderen, dass Jugendliche aus den sehr weichen Gesichtszügen und seine robust gebaute Statur nahm eine ausgemergelte sowie gekrümmte Haltung eines Uralten an. Mit der abgelaufenen Erscheinung kaufte ihm niemand ab, dass er erst vor Kurzen seinen dreißigsten Geburtstag beging.
Schwer keuchend gab er sich mit jedem weiteren Atemzug der imaginären Qual hin. Plötzlich spürte Lennard in seinem Geist die mentale Anwesenheit seines Eheweibes Cara. Sie schwelgte in Gedanken bei der letzten, sehr ausgelassenen Geburtstagsfeier vom Ehegatten sowie Sorel Gwen. Caras heiteren Erinnerungen rissen den Ehegatten aus der Schmerzillusion. Desorientiert schaute er sich in der Belegzelle um, als Sophie ins Blickfeld geriet, murmelte Lennard mit verzweifelter Stimme: »Du Mysterium, womit kann ich dir nur helfen.«
Damit Lennard die Umstände von Sophies Erkrankung besser eingrenzen konnte, schrieb er das dafür wichtige auf die vom PAD erzeugten holografischen Papierblätter, danach begann er endlich, alles logisch zu analysieren. Im Endeffekt kam er zu dem Ergebnis: »Die Koliken treten stets wie Anfälle auf. Sie verlaufen alle bis ins Detail gleich ...« Er fuhr sich rau übers Gesicht, und die Lippen fluchten ungehalten: »Verdammt und ich kenne immer noch nicht den Auslöser.«
So sehr er sich auch anstrengte ihm viel nicht ein, was einen brauchbaren Ansatz lieferte. Rein zufällig streifte sein Blick die Uhr vom Bio-Daten-Display. Die Uhr