Die Pferdelords 01 - Der Sturm der Orks. Michael Schenk
das kleine Gehöft lag, das sein Ziel war, stieg eine
dünne Rauchfahne auf. Die Bewohner dort schienen noch nichts von der
drohenden Gefahr zu wissen, ansonsten hätte Malenan sicher kein Kochfeuer
entfacht oder zumindest darauf geachtet, dass nur trockene Dungfladen zum
Verbrennen genutzt wurden.
Der Bote aus Eternas galoppierte in das kleine Tal hinein. Vor ihm stob
eine Herde Wolltiere auseinander, der Bock blökte protestierend, und der
Reiter schrie auf die Tiere ein, damit sie ihm den Weg schneller freigeben
würden. Das kleine Gehöft lag nun unmittelbar vor ihm, und ein jüngerer
Mann, der aus der Tür trat, schaute neugierig zu ihm herüber. Der Mann hielt
seinen Bogen bereit, stellte ihn aber zur Seite, als er Umhang und
Rosshaarschweif des Reiters erkannte.
»Den Eid gilt es zu erfüllen«, sagte der Reiter, als er sein Pferd vor dem
Haus zügelte. »So eilt nun, ihr Pferdelords, denn der Pferdefürst ruft euch zu
den Waffen!«
Hinter dem jungen Mann trat nun auch ein älterer hervor und sah den
Boten forschend an. Dann nickte er. »So sei es. Ihr habt Eure Pflicht getan,
Pferdelord aus Eternas. So lasst uns nun die unsere tun.«
Der Bote aus Eternas nickte. »Ihr seid die Letzten, denen ich Nachricht
geben muss.«
»Dann schließen wir uns Euch an, Pferdelord aus Eternas.« Der ältere
Mann wandte sich an den jüngeren, der unverkennbar sein Sohn war.
»Maredas, packe Proviant für drei Tage zusammen und hole die Feldflaschen,
ich sattle derweil unsere besten Pferde.« Er sah den Boten bedauernd an.
»Wir werden die Wolltiere zurücklassen müssen. Das wird eine Arbeit werden,
sie später wieder zusammenzutreiben.«
Malenan wählte die beiden besten Reittiere aus, die sie hatten, und begann
sie zu satteln. Danach ging er ins Haus zurück, wo sein Sohn bereits die
Waffentruhe geöffnet hatte. Malenan blickte zu der Kochstelle hinüber, an der
früher immer seine Frau gestanden hatte. Vor drei Jahren war sie an einem
Sturz gestorben, und nach wie vor fehlte sie ihm. Doch in diesem Augenblick
war er froh darüber, nicht in ihr sorgenvolles Gesicht blicken zu müssen.
Malenan zog sich sein Schuppenhemd über und befestigte den Harnisch.
Seinem Sohn stand nur ein Kettenhemd zur Verfügung. Sie setzten ihre
Helme auf, nahmen ihre Waffen und Rundschilde und trugen die Vorräte zu
den wartenden Pferden.
Nur wenige Augenblicke später galoppierten die drei Männer mit den
grünen Umhängen der Pferdelords aus dem Tal. Der Pferdefürst hatte die
Pferdelords gerufen, und sie würden kommen, den Eid zu erfüllen.
Kapitel 12
Dorkemunt war von ungewöhnlich kleiner Statur, und hätte er nicht den
grünen Umhang der Pferdelords getragen, so hätte man ihn von hinten wohl
für einen nicht besonders großen Knaben gehalten. Doch sein Gesicht zeigte
die Falten des Alters, und seine wettergegerbte Haut bewies, dass er sein
Leben überwiegend im Freien und auf dem Rücken von Pferden verbracht
hatte. Dorkemunt war ein Hornviehhirte der Ostmark, in der prachtvolle
Hornviecher und Pferde gediehen. So wie die Pferde der anderen Marken stark
waren, so besaß das Hornvieh hier ein schmackhaftes Fleisch, das gute Preise
erzielte. Dorkemunt hielt sich oft bei seiner Herde auf, und seine Gestalt
wirkte auf dem Rücken seines starken Wallachs wie die eines Zwerges, zumal
Dorkemunt als Waffe auch noch eine Streitaxt nutzte, die ihn an Länge weit
überragte. Als Reittier bevorzugte er wiederum einen Wallach, was ihn von
manch einem anderen Pferdelord unterschied. Er schätzte es nicht besonders,
wenn ein Hengst von einer rossigen Stute abgelenkt wurde, und schon gar
nicht, wenn dies kurz vor einem Kampf geschah. Dorkemunt hatte schon
manchen Kampf gefochten und dabei bewiesen, dass er mit seiner Axt
umzugehen wusste. Sein Körper war von diesen Kämpfen gezeichnet, und in
seinem Gesicht zog sich eine Narbe von der rechten Wange bis hinunter zu
seinem Kinn. Sein Lächeln wirkte daher stets etwas verzerrt und bösartig,
doch Dorkemunts Gutmütigkeit war im Weiler und allerorten bekannt.
In den letzten Tagen hatte Dorkemunt nun fast unentwegt gelächelt, was
daran lag, dass ein besonderes Fest ins Haus stand. Sein Sohn Dormunt würde
schon bald die Tochter von Hellewyn, der Gerberin, heiraten und eine eigene
Familie gründen. Dorkemunt freute sich darauf, seine künftigen Enkel auf den
Knien schaukeln und ihnen von den Taten der Pferdelords berichten zu
können, auch wenn seine Enkel ihn wohl sehr schnell an Statur überragen
würden.
Im Moment jedoch wirkte Dorkemunts Lächeln etwas gequält, denn jeder
Schritt seines braven Wallachs verursachte ihm Unbehagen. Am Abend zuvor
hatten sie in der Schenke des Weilers ausgiebig auf das künftige Paar
angestoßen. Das Volk der Pferdelords mochte zwar nicht viel Zeit für
Festivitäten haben, aber es verstand zu feiern. Am heutigen Tag würde man
die Feier fortsetzen, diesmal gemeinsam mit dem vermählten Paar, und noch
mehr Wein und Gerstensaft würden fließen. Doch schon jetzt am frühen
Morgen war sich der kleinwüchsige Pferdelord nicht sicher, ob sich mehr Blut
als Alkohol in seinen Adern befand. Er war zu den Herden hinausgeritten, um
sie zu kontrollieren.
Auf dem Hügel über der Herde sah Dorkemunt die Silhouette des Hirten
und ritt zu ihm hinüber. »Ihr seht nicht wohl aus, Dorkemunt«, sagte der
Reiter mitfühlend. »Mir scheint, es ist ein wenig spät geworden in der letzten
Nacht.«
Dorkemunt verzog sein Gesicht. »Es mag eher etwas zu früh gewesen sein,
mein Freund, denn es lohnte sich kaum noch, die Bettstatt aufzusuchen, und
der heutige Tag wird wieder lange währen.«
»Es