Geheimauftrag für SAX (4): SPECTATOR II. Hymer Georgy

Geheimauftrag für SAX (4): SPECTATOR II - Hymer Georgy


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bin sicher, am Schluss hat Lamborghini die Nase vorn gehabt!“, entgegnete Freysing, nicht in die simpel gestellte Falle einer Falschbehauptung tappend, mit welcher Blansko prüfen wollte, ob Sax die Veranstaltung wirklich verfolgt hatte. Der Polizist brummte kurz und wandte sich dann der Frau zu. Vielleicht machte er sich so seine Gedanken über den Deutschen, ließ es sich aber nicht anmerken, falls er irgendeine Art von Verdacht hegte.

      „Sie sind Irina Jakuba Nohydlouhý?“, fragte Blansko dann, den Blick auf die Wohnungsinhaberin gerichtet. Es war allerdings viel mehr eine Feststellung, als eine Frage.

      „Ja!?“ Anders als zuvor bei Freysing plapperte sie nun nicht einfach drauflos, sondern hielt sich im Zaume, und ein skeptisches „warum?“ schwang in ihrer Antwort mit. Offenbar war sie misstrauisch gegenüber den Staatsorganen ihres Landes; vielleicht hatte sie in noch jüngeren Jahren schlechte Erfahrungen gemacht. Ihr aufmüpfiges Shirt verriet die Rebellin in ihr.

      Blansko gab seinem Assistenten ein kopfnickendes Zeichen, der daraufhin eine Fotografie aus der inneren Brusttasche seiner Anzugjacke hervorbrachte. Auf ihr waren der Kopf mit geschlossenen Augen sowie der nackte Oberkörper eines Mannes zu erblicken; die fleischigen Stellen wirkten aufgedunsen. Das Bild zeigte ganz offenbar einen Toten mit wirrem Haar, und Freysing war innerlich ziemlich entsetzt, als er auch auf die Distanz sofort sah, um wen es sich dabei handelte.

      „Kennen Sie diesen Mann?“, fragte der Assistent nun Irina, ihr das Foto fast direkt vors Gesicht haltend.

      Sie schrie kurz auf! Als Klinikmitarbeiterin, die sie zumindest vorgab zu sein, hatte auch sie sofort erkannt, dass das Foto eine Leiche zeigte. „Mein Gott, das ist Marius!“, schluchzte sie.

      „Marius?“ Möglicherweise hatte Blansko eine andere Antwort erwartet. Augenblicklich war Irina nun in Tränen ausgebrochen und blickte kurz hilfesuchend zu Freysing hinüber, der ihr aber gegenwärtig nicht beistehen wollte. Ganz im Gegenteil. Die Lage wurde kompliziert. Holler tot! Ein Adrenalinstoß ging durch den Agenten: Die in Berlin heruntergespielten Befürchtungen hatten sich offenbar doch bewahrheitet.

      „Marius Holler. Mein… Freund.“, ergänzte Irina.

      „Der Name dieses Mannes ist Marius Holler, da sind Sie sich ganz sicher?“

      Sie nickte schluchzend und wandte das Gesicht von dem Foto ab. Der Assistent drehte sich um und zeigte die Aufnahme Freysing. Dieser nickte ebenfalls, um nach einem kurzen Blick darauf Irinas Aussage zu bestätigen: „Ja. Das ist Marius Holler.“

      „Woher kennen Sie ihn?“ Sax entging nicht, dass die Art der Befragung nun an Schärfe zunahm. Er antwortete schnell, aber nicht zu schnell: „Er arbeitet für die deutsche Botschaft in Prag. Wir hatten mal geschäftlich miteinander zu tun, und sind so etwas wie gute Bekannte geworden.“ Freysing wiederholte kurz die Geschichte mit der Verabredung auf der Rennstrecke, die er auch Irina aufgetischt hatte, und bemühte sich, nicht allzu sehr ins Detail zu gehen, um keinen Ansatz für Widersprüchlichkeiten zu bieten. Bei der Erwähnung der deutschen Botschaft hatte sich der ältere Polizist zu Freysing umgewandt und die Augenbrauen hochgezogen. Diplomaten… das machte es kompliziert. Vielleicht erinnerte er sich auch an die historischen Begebenheiten dort. Prag hatte seinerzeit eine wichtige Rolle gespielt beim Fall des eisernen Vorhangs.

      „Was ist ihm passiert?“, fragte Freysing dann selbst. „Als ich das letzte Mal mit Marius telefonierte, klang er sehr lebendig.“

      „Wann haben Sie denn zuletzt mit ihm telefoniert?“

      „Vor gut zwei Wochen. Da habe ich ihm gesagt, dass ich zum Rennen herkomme und es doch nett wäre, mal wieder ein paar Litovel miteinander zu zischen…“

      „Und die Nohydlouhý?“ – unterbrach ihn Blansko. Er sagte es so, als befände die Frau sich überhaupt nicht mit im Raum. Freysing setzte ein anzügliches Grinsen auf.

      „Marius hatte mir mal von Irina erzählt. Als er dann heute nicht zum Rennen kam, habe ich gedacht, ich schau mal vorbei wo der Knabe steckt – oder in wem.“

      „Sie machen sich sehr viele Sorgen um einen Bekannten!“

      „Um einen guten Bekannten!“ stellte Freysing, nun wieder ernster, fest.

      „Gab es einen Grund, sich Sorgen zu machen, außer, dass er nicht zu ihrer Verabredung kam?“

      „Eigentlich nicht. Aber wo ich nun schon einmal hier war…“

      „Was genau hat er denn in der Botschaft gearbeitet?“

      „Er hatte mit Außenhandel zu tun.“ - Freysing blieb bewusst oberflächlich.

      Der Beamte war offenbar mit der Antwort nicht recht zufrieden. „Ich muss sie beide bitten, uns zu begleiten“, forderte er in einer Weise, die keine Alternative ließ.

      „Aus welchem Grund?“, wagte Freysing zu fragen.

      „Sie müssen den Toten identifizieren!“, erwiderte Blansko gleichmütig.

      „Was ist denn nun eigentlich mit ihm passiert?“

      „Wir haben ihn gestern Mittag aus dem Stausee gefischt.“ Ein kurzer Aufschrei von Irina war abermals zu hören.

      Die zwischen 1936 und 1940 errichtete Brněnská přehrada oder übersetzt die Brünner Talsperre, welche die Svratka staut, lag etwa acht Kilometer nordwestlich des Stadtzentrums und war ein beliebtes Freizeitgebiet. Freysing konnte sich gut vorstellen, wie erschrocken der ein oder andere Camper oder die Urlauber auf den Elektrobooten gewesen sein mochten, als die Wasserleiche entdeckt wurde. „Ein Unfall?“, fragte er, um Gleichgültigkeit bemüht.

      „Kaum.“ - Mehr sagte der Beamte erst mal nicht. Sie verließen Irinas Wohnung und begaben sich gemeinsam in dem Polizeifahrzeug, das der Assistent steuerte, zur Städtischen Leichenhalle. Die Fahrt dorthin verlief eher schweigend. Irina weinte leise und wirkte dabei in sich gekehrt, Freysing war zwar betrübt, aber hauptsächlich professionell gespannt. Zum einen wollte er natürlich nun mehr über Hollers gewaltsamen Tod erfahren, zum anderen aber nicht sich selbst ins Visier weiterer Ermittlungen der Tschechischen Polizei begeben.

      Als ein Bediensteter der Gerichtsmedizin die Kühlfach-Schublade öffnete und den Leichnam Hollers heraus zog, erkannte Freysing, was Blansko damit gemeint hatte, es sei kaum ein Unfall gewesen. Im Unterbauch des BND-Offiziers befanden sich drei deutlich sichtbare tiefe Einstichstellen, wie sie nur von einem Messer mit besonders breiter Klinge stammen konnten. Sie waren vom ausgetretenen Blut gereinigt, sahen aber dadurch nicht minder hässlich aus. Freysing tippte auf eine Art Kampfmesser, wie es Elitesoldaten tragen. Das Foto hatte die Einstiche nicht gezeigt, da darauf nur Kopf und Oberkörper abgebildet gewesen waren. Zweifellos war Holler ermordet worden, laut des Gerichtsmediziners bereits vor etwa einer Woche, möglicherweise sogar eher. Die Frage war nun, wo, von wem und warum. Für die Polizei standen jetzt zunächst Freysing und die junge Frau, die Marius´ Geliebte war, auf der Verdächtigenliste, das war ermittlungsbehördliche Routine. In Deutschland wäre dies nicht anders.

      Nachdem sie den Toten identifiziert hatten, wurden sie von Blansko und seinem Kollegen weiter ins Polizeipräsidium in der Kounicova 24 gefahren, wo man sie eine Weile lang in getrennten, jedoch nicht allzu zu strengen Verhören befragte. Freysing übernahmen dabei jene beiden Beamten, die sie auch hergebracht hatten. Blansko, der sich nebenbei höflich einschmeichelnd und anerkennend über das gute Tschechisch Freysings äußerte, ging sehr sorgfältig vor: Ein erfahrener Beamter, der sicher nicht einfach auszutricksen war. Freysing musste für die digitale Aufzeichnung alles wiederholen, was er bereits in Irinas Wohnung und danach in der Leichenhalle ausgesagt hatte, dann stellte Blansko detailreich gezielte Fragen und wiederholte auch die eine oder andere in abgewandelter Form, um vielleicht einen Wiederspruch zu erzeugen. Sax fiel nicht darauf herein – seine agentendienstliche Grundschulung beinhaltete die Vorbereitung auf derlei Situationen. Etwas heikel wurde es lediglich, als Blansko nach Freysings derzeitigem Logierort fragte. Die kleine Pension unweit der Festung in der Innenstadt war eben auch die Unterkunft Hollers gewesen, und aufgrund der Meldebestimmungen würde der Polizist das sicher schnell herausfinden.


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