Die Pferdelords 05 - Die Korsaren von Umbriel. Michael Schenk
Er lachte leise. »Es wird sie zusätzlich anspornen.«
Während er mit seinem Stellvertreter wieder aufs Deck hinaufstieg, grinste
er kalt. »Das wird sie ganz gewiss anspornen.«
Segu-Mar warf einen Blick auf die Dornenhand, deren Gesicht ruhig und
entspannt wirkte. »Ja, das wird es wohl.«
Zurück auf der Brücke klatschte Elek-Mar erfreut in die Hände. »Ah, der
Sturm legt sich. Ist der Schwarm noch hinter uns?«
Segu-Mar blickte über das Heck zurück. »Der Sturm hat ihn etwas
zerstreut, aber er sammelt sich bereits wieder.«
»Gut, gut«, brummte der Schwarmführer erfreut. »Das wird ein
unerquickliches Erwachen für die Landmänner von Gendaneris.«
»Und für ihre Frauen«, stimmte Segu-Mar zu.
Der Schwarmführer lachte. »Ja, für die auch. Aber für die Landmänner
wird es vor allem ein kurzes Erwachen.«
Selbst die Dornenhand stimmte in das Lachen der beiden Korsaren ein.
Kapitel 4
Als Garodem einst die Königsmark verließ, um hier im Gebirge die
Hochmark zu gründen, da verfügte er über nicht mehr als fünfzig
Schwertmänner, und sein gesamtes Gefolge hatte aus nur wenigen Hundert
Seelen bestanden. Als er das fruchtbare Tal von Eternas fand, wurde ihm
sofort klar, dass hier der richtige Ort für die neue Heimat war. Mit den
Traditionen des Pferdevolkes fest verwurzelt und sich der ständigen Gefahren
von außen bewusst, hatte Garodem dafür gesorgt, dass man zunächst die Burg
von Eternas erbaute. Sie sollte den Bewohnern der Hochmark Schutz und
Zuflucht bieten, wenn ein Gegner sie bedrohte. Schon damals war Garodem
davon ausgegangen, dass die Mark sich entwickeln würde, und so hatte er
Festung und Stadt großzügig geplant. Doch seine Voraussicht wurde
inzwischen von der Entwicklung überholt. Immer mehr Menschen
bevölkerten die Mark, und ihr Bedarf an Nahrung, Raum und Schutz wuchs
beständig.
Der Pferdefürst der Hochmark musste überrascht erkennen, dass die gute
Entwicklung einer Mark auch zu einem Problem werden konnte. Dies war der
Grund, warum er an diesem späten Vormittag mit seiner Gemahlin Larwyn
auf die Plattform des Signalturms der Burg Eternas stieg. Der Schwertmann
der Wache salutierte ehrerbietig, und als Larwyn ihm zunickte, verließ der
Mann schweigend den Turm, um das Paar allein zu lassen.
Garodem, Pferdefürst und unumschränkter Herr der Hochmark, war von
stattlicher Gestalt. Obwohl nur mittelgroß, war er trotz seines gesetzten Alters
muskulös und strahlte Kraft aus. Sein Haar waren inzwischen ergraut, und an
den Schläfen und in dem kurzen Bart zeigten sich weiße Strähnen, was der
Pferdefürst mit zwiespältigen Gefühlen registrierte. Sein Gesicht war von
Wind und Wetter gegerbt und wies jene Falten auf, die ein reifes Alter und
einen reichen Schatz an Erfahrungen verrieten. Der Pferdefürst trug einen
losen Überwurf über seinem Wams und den Beinkleidern, und kein Schmuck
oder Zierrat deutete auf seinen hohen Rang hin.
Er trat an die steinerne Brüstung der Plattform, legte die Hände auf die
Steine und spürte, wie seine Gemahlin Larwyn neben ihn trat und ihre Hand
sanft über die seine legte.
Noch immer war sie eine Schönheit, und Garodem fragte sich, warum das
Alter an manchen Menschen so spurlos vorüberzugehen schien. Sie war noch
immer schlank und dabei fraulich. Und trotz der Linien, die sich kaum
merklich in ihrem Gesicht zu zeigen begannen, strahlte Larwyn etwas
mädchenhaft Unschuldiges aus, das ihren Gemahl immer wieder aufs Neue
faszinierte. Sie war weitaus jünger als er selbst, und ihr langes Haar fiel weit
über ihren Rücken und schimmerte in einem makellosen Goldton. Sie trug ein
schlichtes weißes Kleid, das ihren Körper lose umspielte, und um ihre Taille
hatte sie einen grünen Gürtel gelegt, der mit einer Spange in der Form des
Symbols des Pferdevolkes verschlossen war. Dieses Symbol wiederholte sich
auch in dem zarten Stirnreif, den sie in ihr Haar geschoben hatte.
Garodem wies mit der freien Hand in Richtung Stadt. »Unsere Hochmark
wächst und gedeiht. Weitaus besser, als ich es mir jemals vorgestellt hätte.
Der Kampf gegen die Orks des Schwarzen Lords scheint längst vergessen,
obwohl wir erst vor wenigen Jahreswenden vor Merdonan kämpften. Aber die
Wunden sind offenbar verheilt, und die Lücken, die der Feind uns riss, sind
geschlossen. All das geschah in so unglaublich kurzer Zeit.«
Larwyn lachte leise auf. »Vermisst du die Schlacht? Vermisst du den
Klang der Hörner und den Anblick der Beritte, die deinem Banner in die
Schlacht folgen?«
Garodem blickte unwillkürlich zu dem auf der Plattform gestapelten Holz
mit dem Fett und dem Brennstein hinüber, die bereitlagen, um das Feuer
jederzeit zu entzünden, wenn Gefahr drohte. »Meine Zeit als Krieger ist
vorbei. Ich habe es in Merdonan gespürt. In jedem einzelnen meiner
Knochen.«
Larwyns Hand umschloss die seine. »Für dich gewinnt nun die Weisheit
mehr Bedeutung als das Führen deiner Klinge.«
Er gab ein leises Schnauben von sich, wie ein Wildpferd, dem man zum
ersten Mal Sattel und Zaumzeug anzulegen versuchte. »Aus deinen Worten
klingt die Liebe einer Gemahlin, Larwyn, und dafür danke ich dir. Aber mein
Rücken spricht klarere Worte.« Garodem erwiderte zärtlich den Druck ihrer
Finger. »Merdonan war wohl meine letzte große Schlacht, meine Liebe. Mir
fehlen die Schnelligkeit und Stärke der vergangenen Jahreswenden. Oh, mein
Wille ist stark wie zuvor, Larwyn, aber ich beginne in der Nacht die weiche
Bettstatt zu schätzen. Als ich vor drei Zehntagen den neuen Weiler besuchte
und eine Nacht