Die Pferdelords 05 - Die Korsaren von Umbriel. Michael Schenk
»Nedeam, mein Freund, du bist trotz deines jungen Alters einer der
erfahrensten und besten Pferdelords, die ich kenne.«
Dorkemunt nickte zu den Worten des Scharführers, und Nedeam sah die
Gefährten so mancher Kämpfe mit verengten Augen an.
»Die Mark braucht erfahrene Pferdelords, Nedeam.« Dorkemunt lächelte
sanft. »Wir alle wissen, dass der Schwarze Lord nicht endgültig bezwungen
ist. Er wird erneut sein Haupt erheben und das Land mit den Legionen seiner
Orks überziehen.«
Kormund nickte. »Dann brauchen wir Männer, die der Losung folgen.«
»Das werde ich tun«, brummte Nedeam, »oder zweifelt ihr daran?«
»Und wir brauchen Männer, welche die Pferdelords in den Kampf führen.«
Die Worte Kormunds waren unmissverständlich, und Nedeam starrte die
beiden Kämpfer sprachlos an.
»Du hast noch etwas Käse zwischen den Zähnen«, stellte Dorkemunt
lakonisch fest. »Schließ erst einmal den Mund und schlucke ihn hinunter.«
Die raue Herzlichkeit von Dorkemunts Worten verschaffte Nedeam die
Zeit, die er benötigte, um die Fassung wiederzuerlangen. »Ich soll
Scharführer werden?« Er schüttelte den Kopf. »Ich stamme von Balwins
Gehöft und nicht aus einem großen Weiler, der einen Beritt stellen kann. Mir
steht kein eigener Wimpel zu, vielmehr schließe ich mich einem Wimpel an.«
Kormund schüttelte nun ebenfalls den Kopf und sah Nedeam seltsam
mitfühlend an. »Nein, Nedeam, mein Freund. Du sollst nicht Scharführer
werden, sondern dich zu den Schwertmännern Garodems melden und den
Wimpel eines seiner Beritte führen.«
»Ihr seid verrückt«, stieß Nedeam instinktiv hervor.
»Du bist verrückt, wenn du es nicht tust.« Dorkemunt legte seine Hände
flach auf den Tisch, aber Nedeam erkannte, dass sie unmerklich zitterten. Der
alte Pferdelord war sichtlich aufgewühlt, als er den jüngeren Freund nun
eindringlich ansah. »Nedeam, du bist mir nicht nur ein Freund, das weißt du,
ich habe dich an Sohnes statt in mein Herz genommen. Bevor du gekommen
bist, habe ich manches Wort mit unserem Freund Kormund gewechselt. Hör
mir jetzt gut zu, denn was ich sage, ist wahr, und es ist zu deinem Besten und
zum Besten der Hochmark.«
Nedeam sah, wie Kormund unwillkürlich nickte, während Dorkemunt
fortfuhr.
»Auch wenn es mir schwerfällt, es einzugestehen, ich bin nun reich an
Jahreswenden, Nedeam, mein Sohn. Ich schaffe es noch, meinen braven
Wallach zu besteigen und meine Axt zu führen, aber die Zeit ist absehbar,
dass ich zu alt und kraftlos sein werde, um in die Schlacht zu reiten.«
»Unsinn«, stieß Nedeam hervor und zuckte zusammen, als Dorkemunt
wütend mit der flachen Hand auf den Tisch schlug.
»Sei kein Narr, Nedeam, denn ich bin es auch nicht. Es ist der Lauf der
Welt, und es hat keinen Sinn, die Augen vor der Wahrheit zu verschließen.
Die Zeit der alten Krieger verstreicht. Kormund, unser guter Freund und
Kampfgefährte hier, spürt es in den Knochen. Garodem, unser Hoher Lord,
kann nur noch unter Schmerzen in den Sattel steigen, und auch Tasmund,
unser Erster Schwertmann, leidet unter den Narben, die er im Kampf erlitten
hat. Wir alle werden alt, Nedeam, mein Sohn, und wir brauchen nun Männer,
jüngere Männer, die für uns in den Sattel steigen und in die Schlacht ziehen.«
Scharführer Kormund seufzte leise. »Noch sind wir nicht zu alt, Nedeam,
mein Freund. Noch können wir Lanze und Schild des Pferdevolkes sein und
können an deiner Seite in die Schlacht reiten.«
»Aber bald werden andere an unserer Stelle reiten müssen, wenn die
Losung gegeben wird.« Dorkemunt erhob sich ruckartig, und der Schemel,
auf dem er gesessen hatte, stürzte polternd um. Der kleinwüchsige Pferdelord
wies zu der Waffentruhe neben der Tür. »Wer soll den Menschen des
Pferdevolkes Schild und Lanze bieten, wenn Männer wie Garodem, Tasmund
oder Kormund nicht mehr reiten? Wer, Nedeam, mein Sohn?« Dorkemunt
atmete tief durch. »Wahrhaftig, Nedeam, wenn ich dereinst zu den Goldenen
Wolken reite, und es möge ein ruhmreicher Ritt sein, dann will ich sicher
sein, dass man auch künftig unsere Legenden besingt. Und du, Nedeam, bist
der richtige Pferdelord, um das zu gewährleisten.«
»Du hast dich in vielen Kämpfen bewährt, Nedeam«, übernahm Kormund.
»Du hast Freunde im elfischen Volk und bei den Herren Zwergen. Keiner
wäre besser geeignet, das Banner zu führen, als du.«
»Wovon redet ihr?« Nedeam erblasste.
»Du wirst ein Schwertmann Garodems werden«, sagte Dorkemunt
entschlossen. »Du wirst lernen, einen Beritt zu führen, denn ich kann mir
keinen besseren Kämpfer vorstellen. Wenn du das beherrschst, was zweifellos
bald der Fall sein wird, dann wird der Hohe Herr Tasmund dich in die
Pflichten eines Ersten Schwertmanns einführen.«
»Ihr seid übergeschnappt.« Nedeam war fassungslos.
»Ich glaube, das erwähntest du schon.« Dorkemunt lächelte kaum
merklich.
»Ihr seid völlig verrückt«, wiederholte Nedeam leichenblass. »Ich bin ein
einfacher Pferdelord und folge der Losung. Aber ich bin kein Hoher Herr und
…«
»Der Hohe Herr Tasmund hat es selber vorgeschlagen«, unterbrach ihn
Kormund. »Garodem hat vor drei Tageswenden die Führer der Beritte seiner
Schwertmänner versammelt und sich mit ihnen besprochen. Der Beschluss
war einstimmig.«
»Deine Zukunft, Nedeam, mein Sohn, liegt nicht auf diesem Gehöft.«
Dorkemunts Blick war beschwörend. »Deine Bestimmung ist es, eines Tages
die Pferdelords in den Kampf zu führen. Auf Garodems