Die Pferdelords 05 - Die Korsaren von Umbriel. Michael Schenk
den Mund, spuckte aus und trank dann dankbar. Aus den
Augenwinkeln sah er seinen Hengst, der an der Tränke neben dem Haus
durstig soff.
»Es sind wenige Männer und Frauen im Weiler.« Nedeam wies über den
Platz.
Der Mann nickte. »Sind alle am Graben.« Er spuckte auf den Boden. »Man
kommt sich schon vor wie einer der guten Herren Zwerge. Als gäbe es nichts
Sinnvolleres, als nach diesem Gold zu buddeln. Vor einem Zehntag war ich in
Eternas, in Malvins Schenke. Einer der Gäste meinte, wir sollten unseren
schönen Hammergrundweiler doch gleich Goldgrundweiler nennen. Ich
wollte dem vorlauten Burschen für diese Beleidigung schon seine Zähne in
den Rachen drücken, aber eine blonde Frau hat mir dann die Arbeit
abgenommen.«
»Esyne«, brummte Nedeam lakonisch.
Der Mann kratzte sich im Nacken. »Ja, so heißt sie wohl. Sehr hübsch und
ausgesprochen schlagfertig.«
»Sie macht noch immer die besten Schuhe und Stiefel in Eternas.«
Nedeam blickte auf seine eigenen Stiefel. »Meine wurden ebenfalls von ihr
gefertigt. Sie versteht sich wahrhaftig auf feine Lederarbeiten. Aber sie ist
nicht gerade ein umgängliches Weib.«
Der Bewohner des Hammergrundweilers lachte leise. Dann nahm er den
Krug von Nedeam zurück und wies zu einem flachen Hügel, der sich westlich
des Weilers erhob. »Die meisten von uns sind dort drüben und scharren in der
Erde wie eine wilde Horde Kratzläufer. Wir haben schon viel von dem Gold
aus der Erde geholt, und unsere Schmiede bereiten nun seine Formung vor.«
»Seine Formung?«
»Ja, das Zeug soll in Platten gegossen werden. Der gute Herr Hartwin aus
der Königsmark hat uns das Maß genannt.« Der Mann seufzte leise. »Wir
sollten unsere Zeit nicht mit dem Gold vergeuden. Mir wäre es lieber, wir
würden anständiges Hornvieh oder Wolltiere züchten. Ein Mann des
Pferdevolkes gehört auf den Rücken eines Pferdes und nicht in ein Loch, das
er in die Erde gräbt.«
»Hör auf zu jammern.« Der andere Mann trat wieder aus dem Haus, eine
Reihe von ledernen Riemen und Gurten über dem Arm drapiert. »Immerhin
bekommen wir gute Waren für das Zeug. Der gute König Reyodem wird
schon wissen, wofür er es braucht.«
Nedeam nickte. »Ich habe in Eternas gehört, die Stadt des Königs wachse
zusehends. Vielleicht will man dort ebensolche Rohre in den Boden legen wie
bei uns, damit der Unrat nicht über die Straßen sickert, sondern unter ihnen
entlangfließt.«
»Ja, dafür mag das Zeug etwas taugen.« Der Mann, der Nedeam den Krug
gereicht hatte, setzte sich wieder und nahm erneut die Pfeilschäfte auf. »Es
rostet nicht und lässt sich leicht bearbeiten.«
»Auf ein Wort, guter Herr Nedeam.« Der andere reichte dem jungen
Pferdelord die Riemen und Gurte und trat dabei ein wenig näher. »Es geht
mich vielleicht nichts an, aber ich mache mir so meine Gedanken um den
guten Herrn Dorkemunt.«
Nedeam schob die Lederwaren in ein Bündel und schnürte es am Sattel
fest. »So? Was für Gedanken?«
»Nun, ich weiß, dem guten Herrn Dorkemunt wird es nicht recht sein,
wenn ich Euch darauf anspreche …« Der Mann zögerte einen Augenblick,
bevor er fortfuhr. »Ich glaube, es fällt ihm zunehmend schwer, die Arbeit auf
dem Gehöft zu verrichten, guter Herr.«
Nedeam runzelte die Stirn. »Was sollte ihm daran schwerfallen? Wir sind
die Arbeit gewohnt, sie ist unser Leben.«
»Ja, da habt Ihr sicherlich recht.« Der Mann strich sich über das Kinn.
»Aber Ihr seid auch noch jung. Der gute Herr Dorkemunt hingegen … Seine
Schläfen werden langsam hell, und sein Rücken beugt sich, Ihr versteht?«
Nedeam begriff. Sollte der Freund tatsächlich alt geworden sein? Zu alt,
um den Rücken eines Pferdes zu bedecken und in den Kampf zu ziehen, Seite
an Seite mit Nedeam? Für den jungen Pferdelord war dieser Gedanke
unvorstellbar. Andererseits musste er nur an seinen Hengst Stirnfleck denken,
dem das Kriegshandwerk allmählich zu beschwerlich wurde. Dass dies auch
für Dorkemunt gelten könnte, daran hatte Nedeam nie gedacht. Bei den
Worten des Hammergrundbewohners erinnerte er sich an manche Situation,
bei der die Bewegungen seines kleinwüchsigen Freundes die Geschmeidigkeit
früherer Tage hatten vermissen lassen, und manchmal, wenn Dorkemunt sich
unbeobachtet fühlte, langte er sich ächzend an seinen Rücken. Sollten all dies
Anzeichen des Alters sein? Nedeam hatte sie nie als solche aufgefasst.
Vielleicht, weil er Tageswende um Tageswende mit Dorkemunt verbrachte.
Der Mann sah Nedeams besorgten Gesichtsausdruck und räusperte sich
verlegen. »Bitte seht mir meine Worte nach, guter Herr Nedeam. Ich bin
sicher, der gute Herr Dorkemunt wird den Rücken seines Wallachs noch
lange bedecken.«
»Sicher wird er das«, stimmte Nedeam eher halbherzig zu. Doch die gut
gemeinten Worte des Mannes hatten ihn mehr beunruhigt, als er sich
eingestehen wollte.
Der junge Pferdelord verabschiedete sich von den Männern und saß auf. In
langsamem Trab ritt er aus dem Weiler heraus, weiter Richtung Süden, bis er
den Zugang des Südpasses mit dem aufragenden Turm des Signalfeuers
erkannte, der Bestandteil einer Kette von Feuern war, welche die Marken
untereinander verband und bei Gefahr entzündet wurde, um die Pferdelords
zu den Waffen zu rufen. Ein Stück vor dem Pass öffnete sich der breite
Taleinschnitt nach Westen und führte zu Halfars und Balwins Gehöft.
Die Worte des Mannes hatten Nedeam derart beunruhigt, dass er Stirnfleck
zum Galopp antrieb. Der brave Hengst schnaubte